Kapitel 36

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Zögernd hob ich die Hand und klingelte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich Geräusche hinter der Tür vernahm, und letztlich öffnete ein Mann in den Fünfzigern die Wohnungstür. Als erstes fielen mir die Augen auf, die ich definitiv von ihm hatte. Dann bemerkte ich die Alkoholfahne, die von ihm ausging. „Was willst du?", fragte der Mann und musterte mich. „Ich bin Thalia", brachte ich leise heraus. „Deine Tochter." Der Mann zog seine Augenbrauen nach oben und lachte. „Ich habe keine Kinder."

„Mary ist meine Mutter. Sie war damals schwanger mit mir", fing ich an zu erklären, und beim Namen meiner Mutter verfinsterte sich seine Miene. „Das Miststück hat mich einfach sitzen lassen und ist spurlos verschwunden", erzählte er wütend. „Soll sie sehen, was sie davon hatte", brummte er und packte mich am Arm, um mich in die Wohnung zu ziehen. „Nein, hör auf. Lass mich los", schrie ich panisch, doch hielt er mir dann den Mund zu.

Sofort bereute ich den Streit mit Elijah und dass ich ohne Vorwarnung hierhergekommen war. Was hatte ich auch erwartet, dass mein scheinbar alkoholkranker Vater bei meinem Anblick total erfreut wäre? Grob zog er mich ins Wohnzimmer und schubste mich auf den Boden. Dann stürmte er in einen anderen Raum und kam kurz darauf mit Panzerband zurück. Es dauerte keine fünf Minuten, bis er mich so gefesselt hatte, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte. Stumme Tränen flossen mir über die Wange.

„Dann kannst du dich ab jetzt um den Haushalt kümmern. Als Tochter ist das schließlich dein Job", lachte der Mann boshaft und blickte auf mich herunter, ehe er sich auf die Couch setzte und irgendeine billige Serie ansah. Ich zog an dem Panzerband, doch es half nichts, sondern schnitt mir nur schmerzhaft in die Haut. „Bitte lass mich gehen", flehte ich leise, was den Mann genervt ausatmen ließ. „Halt die Klappe. Du redest nur, wenn ich dir eine Frage stelle", knurrte er und warf mir einen drohenden Blick zu, der mich verstummen ließ.

Was hatte ich getan? Wieso konnte ich nicht einfach auf Dad hören, sondern musste hierherkommen? Ich sah zu meinem Erzeuger, der wortlos ein Footballspiel auf dem Fernseher verfolgte. Ob er schon immer so war? Aber warum sollte meine Mutter sich auf so jemanden einlassen? „Was guckst du so blöd?", wurde ich von seiner Stimme unterbrochen, nachdem er sich zu mir gedreht hatte. „Ich... es tut mir leid", flüsterte ich und senkte sofort meinen Blick, konnte seinen jedoch weiterhin auf mir spüren.

„Warum bist du allein hier? Traut Mary sich nicht, selbst um Entschuldigung zu bitten, sondern schickt ihre Tochter vor?", fragte er abfällig, weswegen ich meinen Kopf doch wieder hob und ihm in die Augen sah. „Meine Mutter ist tot", warf ich ihm an den Kopf und glaubte, einen kurzen Schmerz in seinen Augen zu sehen, der aber sofort verflog. „Aber selbst, wenn sie noch leben würde, wäre sie niemals hergekommen, und ich wünschte, ich hätte es auch nicht getan.

Du bist nichts weiter als mein Erzeuger", betonte ich aufgebracht und war selbst überrascht, wie selbstbewusst mir diese Worte über die Lippen kamen.

Als ich jedoch sah, wie er sich erhob und sich vor mir aufbaute, kam meine Angst zurück. Noch ehe ich mich versah, spürte ich ein Brennen auf meiner Wange und kippte nach hinten, wobei ich gegen die Kante des Tisches knallte. Ich fasste an meinen Kopf und sah dann Blut an meinen Fingern. Erschrocken blickte ich zu meinem Erzeuger, der mich immer noch wütend ansah. „Ich werde dir noch beibringen, wie du mit mir zu reden hast... Tochter", das letzte Wort betonte er besonders missbilligend und zog mich dann an den Haaren nach oben.

Ein kurzer Schrei kam mir über die Lippen, doch verpasste er mir nur noch eine Ohrfeige. „Halt die Klappe", schnaubte er, und ich tat, wie er mir befahl. Er brachte mich in eine Kammer, in die er mich hineinstieß und hinter mir abschloss. Dann war ich allein mit meinen Tränen und meiner Angst. Ich robbte an die Wand gegenüber der Tür und lehnte mich dagegen. Langsam schloss ich meine Augen und versuchte, den pochenden Schmerz am Kopf zu vergessen.

Ich wusste nicht, wie lange ich weg war, ehe ich von einem schrillen Ton wach wurde, den ich als Klingel identifizierte. Es dauerte kurz, bis der Mann die Tür öffnete und gereizt die Person vor der Tür ansprach. „Was willst du?", fragte er genervt. „Ich suche ein vierzehnjähriges Mädchen", hörte ich die ruhige Stimme von Elijah, der dem Mann antwortete, und wollte mich bemerkbar machen, doch hatte ich zu starke Schmerzen. „Hier ist kein Mädchen", fauchte der Mann und wollte die Tür schon schließen.

„Falsche Antwort", vernahm ich nun Klaus' Stimme und kurz darauf einen dumpfen Aufschlag einer Person. Nach ein paar Sekunden hörte ich, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Als Elijahs Kopf vor mir erschien, schluchzte ich und sackte nach vorne, doch fing er mich auf und hielt mir seinen blutenden Arm hin. Kraftlos legte ich meine Lippen um die Wunde und merkte, wie mit jedem Tropfen meine Schmerzen weniger wurden, doch trotzdem liefen mir weiterhin die Tränen.

„Es tut mir leid, Dad. Ich... ich hätte nicht herkommen sollen", wimmerte ich und spürte, wie er mich näher an sich zog und letztlich mit mir aufstand. Dad trug mich an dem Mann und Klaus vorbei, der gerade dabei war, ihm die Erinnerung an die letzten Stunden und an das Wissen, dass er eine Tochter hatte, zu nehmen. Sobald wir das Haus verlassen hatten, brachte Elijah mich mit Vampirgeschwindigkeit nach Hause und legte mich wortlos auf mein Bett ab, ehe er das Zimmer verließ.

Mein Vater war enttäuscht, das wusste ich, da er mich nur dann ignorierte, wenn er innerlich mit sich selbst rang. Nach knapp zehn Minuten klopfte es an meiner Tür, und Klaus betrat mein Zimmer. „Darf ich?", fragte er und deutete auf den Sessel neben meinem Bett. Ich nickte und sah mit roten Augen zu ihm.

„Soll ich... also, willst du den Mittag vergessen?", fragte mein Onkel mich, und ich wusste, dass er mir meine Erinnerung nehmen wollte, indem er mich manipulierte, aber ich lehnte ab. „Ich möchte mich daran erinnern, wer mein Vater ist und wie er mich behandelt hat", erklärte ich leise, und Klaus nickte. „Er war damals auch zu deiner Mutter gewalttätig. Deswegen ist sie gegangen. Das ist auch der Grund, weshalb Elijah nicht wollte, dass du ihn kennenlernst", erzählte mein Onkel mir, was mir eine Gänsehaut bescherte.

Was, wenn ich mal so werde wie er, fragte ich mich angespannt, was Klaus merkte. „Thalia, du bist nicht dein Vater. Mach dir da mal keine Sorgen", betonte er und stand auf. „Ich habe noch etwas zu erledigen. Kol ist unten, falls etwas ist. Versuch, zur Ruhe zu kommen und dir nicht zu viele Gedanken wegen Elijah zu machen. Er wird sich wieder beruhigen", mit diesen Worten verließ Klaus mein Zimmer, und ich drehte mich zur Wand, ehe ich die Augen schloss.

Wie findet ihr das Kapitel? Welche Reaktion hättet ihr von Elijah erwartet? Ich freue mich über euer Feedback 😊

Die Tochter von Elijah MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt