Kapitel 2

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Thranduil wusste nicht, wie er die letzten Stunden, die letzten Tage überlebt hatte. Er wusste nicht einmal, wie er zurück in den Düsterwald gekommen war. Aber hier stand er nun, vor seinem Palast. Um ihn herum waren Stimmen, die aufgeregt die Rückkehr ihres Königs und seiner Armee verkündeten.

Elben sahen ihn an, aber ihre Blicke berührten ihn nicht. Sie jubelten und freuten sich über den Sieg. Jeder Laut war ein Stich in ihres Königs Herzen. Er ertrug es nicht, ihre fröhlichen Rufen zu hören, wo doch so etwas schreckliches passiert war.

„Ada! Ada!“, ertönte eine hohe Stimme aus der Menge. Es war die einzige, die er wirklich wahrnahm. Thranduil blinzelte und erst jetzt sah er sich richtig um. Erst jetzt sah er die vielen Elben, die sich vor den Toren des Palastes versammelt hatten, mit strahlenden Gesichtern. Nur der Weg, der hinauf zu den Toren führte war frei. Und dort stand sein Sohn. Er trug festliche Kleidung, seine blonden Haare glänzten in der Sonne, aber noch viel mehr leuchteten seine Augen. Auch er war glücklich.

„Ada! Du bist wieder da!“, rief er und lief auf Thranduil zu. Dieser klammerte sich an die Zügel seines prächtigen Hirschs. Er schloss seine Augen. Er würde nicht stark genug sein, seinem Sohn in die Augen zu schauen. Und noch weniger konnte er ihm von seiner Mutter erzählen.

„Legolas, mein Sohn, geh nach drinnen, bitte. Ich komme sofort.“ Es kostete Thranduil seine ganze Kraft diese Worte zu sagen. Dabei sah er überall hin, nur nicht zu seinem Sohn. Nur nicht zu Legolas.

Das Volk begann zu Murmeln. Sie merkten, dass etwas mit ihrem König nicht stimmte. Sie sahen seine gebeugte Haltung, seinen leeren Blick und hörten seine emotionslosen Worte. „Aber warum? Ich will jetzt zu dir und Nana!“, rief Legolas empört. Nana... Das war zu viel für Thranduil. „Geh sofort!“, rief er wütend, denn nur hinter Wut konnte er seine Trauer verstecken. Legolas zuckte zusammen. Erynon, der sich um Legolas kümmerte, wenn Thranduil und seine Frau nicht im Palaast waren, nahm hastig Legolas Hand und brachte ihn nach drinnen.

Das Volk murmelte noch mehr. Sie fragten sich, was wohl passiert sein mochte. Die Schlacht war gewonnen, aber wieso war der König so außer sich?

Doch ihnen fiel auf, dass die Königin nicht an Seiten des Königs war. Mitten im Zug der Heimkehrenden war ein Karren mit einem einzelnen Toten und einem silbernen Tuch. Manche der Elben erkannten das Tuch. Es gehörte der Königin. Und sie verstanden, was geschehen war. Flüsternd wurde die Botschaft vom Tod der Königin weiter gebracht. Trauer machte sich breit. Die Elben verstummten, senkten die Köpfe und sahen mit Schmerzen in den Augen zu, wie der König in den Palast ritt.

Kaum war Thranduil in den Eingangshallen angekommen, stieg er ab und ging zu seinem Sohn.Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch laufen konnte. Er musste zu seinem Sohn. Er wusste zwar nicht, wie er das schaffen sollte, ohne seine geliebte Frau. Pass...auf ihn auf....Legolas...braucht dich....mein Geliebter...mein König....mein Herz.... Die Worte gingen ihm erneut durch den Kopf. Ich mache es für dich.

„Ada? Wo ist Nana? Habt ihr gewonnen?“, fragte Legolas leise. Er schaute Thranduil aus großen blauen Augen an. Thranduil nahm einen tiefen Atemzug. Er dachte an seine Frau, als er sprach. „Legolas, mein Sohn. Wir haben gesiegt, wahrhaftig. Aber Nana, sie....sie musste fort gehen...“ Seine Stimme versagte. Er konnte Legolas nicht die Wahrheit sagen. Es würde dem kleinen das Herz brechen, so wie seinem Vater. „Gegangen? Wohin?“

Thranduil ging in die Hocke, damit er seinem Sohn in die Augen schauen konnte. „Sie hat eine Aufgabe, die sie erledigen muss. Es ist sehr dringend. Sie wollte dir lebewohl sagen, aber sie hatte keine Zeit mehr, verstehst du?“ Legolas nickte langsam und seine Augen waren immer noch riesig wie Monde. „Sie liebt dich, Legolas...“ Thranduils Stimme brach erneut. Er dachte an seine Frau, wie sie vor ihm lag und ihre letzten Worte hauchte. Tränen liefen aus seinen Augen. Erneut.

„Ada? Weinst du?“, fragte Legolas. Thranduil konnte nur den Kopf schütteln, unfähig zu sprechen. Er durfte doch vor seinem Sohn nicht weinen. Er war sein Vater. Als Vater musste er stark sein, eine Person, zu der sein Sohn staunend aufschaute.

„Ada? Hast du dir weh getan?“, fragte Legolas nervös. Weh getan? Ja, so konnte man das wohl nennen... „Vergiss einfach, was du gerade siehst“, murmelte Thranduil. Immer mehr und mehr Tränen fielen herunter auf den perfekt polierten Boden. Wieso musste es so sehr schmerzen? Wieso weinte er wie ein Kind, wenn er versuchte die Liebe seiner Frau zu überbringen?

Ein Paar von kurzen Armen schloss sich um Thranduil. „Keine Sorge, Ada, es tut bald nicht mehr weh.“ Erstaunt lauschte Thranduil den Worten seines Sohnes. Legolas war noch so jung und doch tröstete er seinen Vater. Auch wenn er keine Ahnung von dem Schmerz hatte, den sein Vater spürte, versuchte er es. Er war natürlich zu jung um diesen Schmerz zu verstehen, aber allein sein Versuch berührte Thranduil. In ihm ist die gleiche unendliche Liebe wie in seiner Mutter. Bei diesem Gedanken musste Thranduil nur noch mehr weinen.

Er zog ihn in seinen Arm. „Sie liebt dich, Legolas, sie liebt dich so sehr“, flüsterte Thranduil. Er wusste einfach nicht, wie er die Liebe seiner Frau überbringen sollte. Er konnte nicht so lieben wie sie. Er fand nicht die richtigen Worte. Als König fiel es ihm nicht schwer. Da sprach er mit glatter Zunge. Aber jetzt, wo er Gefühle ausdrücken musste, da scheiterte er. Seine Frau war diejenige, die ihre Gefühle zeigte. Aber er nicht.

„Ich weiß“, sagte Legolas verwirrt, „Das sagt sie mir doch immer.“ Da wurde Thranduil klar, dass Legolas ohnehin viel zu jung war, um all dies zu verstehen. Er wusste ja nicht einmal, was Liebe wirklich war. Thranduil brauchte sich überhaupt nicht zu bemühen.

„Gut. Vergiss es nicht.“ Thranduil schloss seine Augen. Eines Tages wäre Legolas alt genug, um Liebe zu verstehen. Und dann sollte er sich an seine Mutter erinnern können. Aber jetzt nicht, jetzt noch nicht. Jetzt musste Thranduil stark sein. Er versuchte jegliche Gedanken an seine Geliebte zu verbannen. Seine Gefühle schloss er ins ein Herz und von dort durften sie nicht entkommen. Er musste taub sein und seine Tränen mussten versiegen.

Aber sie taten es nicht.  

The Stars in your heart (Thranduil Legolas ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt