Kapitel 19

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Am Abend kehrten sie zurück in den unterirdischen Palast. Thranduil fühlte sich zufrieden, ja fast schon glücklich, was er nicht erwartet hatte, so kurz nach Melleths Tod. Er hatte es nicht einmal für möglich gehalten, dass er so etwas fühlen konnte. Es lag einfach an seinem Sohn, der ihm die Liebe entgegen brachte, die er nun brauchte. Jetzt, wo Melleth sie ihm nicht mehr geben konnte. 

"Legolas, geh doch bitte schnell etwas essen und dann in dein Zimmer. Ich muss noch etwas erledigen, aber ich komme nach", sagte Thranduil, als er Túrwaith etwas entfernt stehen sah, wo der Krieger auf ihn zu warten schien. "Was machst du denn, Ada?", fragte Legolas und spähte in die Richtung, in die auch sein Vater sah. "Ach, langweilige Gespräche, nichts von Belang für dich." Schon machte er sich auf den Weg und Legolas lief auch los, denn er hatte großen Hunger. 

"Mein Herr Thranduil", grüßte Túrwaith mit einer leichten Verbeugung. "Was habt ihr mir wichtiges zu berichten, das nicht bis morgen warten kann?", fragte Thranduil leicht genervt. "Unsere Späher haben Fremde entdeckt. Es ist eine große Gruppe, nur Männer." Thranduil winkte ab. "Es sind bloß Männer. Und sie werden über Nacht sicher nicht angreifen, sondern schlafen. Ich wüsste nicht, weshalb es dringend ist." Der Elb merkte, das sein König nicht unnötig gestört werden wollte, aber dennoch beunruhigten ihn die Eindringlinge. "Verzeiht, mein König, aber sie wirken nicht friedlich gesinnt. Sie tragen Waffen bei sich und..." Thranduil hob eine Hand, um ihn zu unterbrechen. "Natürlich haben sie Waffen, wenn sie unterwegs sind. Und dennoch werden sie uns diese Nacht nicht stören. Lässt sie, beobachtet sie, wenn ihr das möchtet. Aber belästigt mich nicht weiter." "sehr wohl." Túrwaith neigte den Kopf und zog sich zurück.

Thranduil machte sich auf den Weg. Kurz bevor er Legolas Gemächer erreichte, überlegte er es sich anders. Er ging stattdessen zu seinen eigenen Gemächern. Es gab dort etwas, was er seinem Sohn schenken wollte. Er hatte schon öfters daran gedacht, aber erst jetzt war er sich sicher, dass er es auch Legolas schenken wollte. Er wusste, dass es auch in Melleths Sinn gewesen wäre. 

Er öffnete die Türen und ging in sein Schlafgemach. Dort öffnete er die Kommode. Weißes und buntes Licht leuchtete ihm entgegen, da sich das Licht in tausenden kleinen Edelsteinen brach. Die meisten Schmuckstücke waren silbern, mit einigen Farbtupfern als Ausnahme. Er versuchte sich die Schmuckstücke nicht anzusehen, da jedes eine Erinnerung mit sich trug, aber Thranduil wollte heute keine Erinnerungen haben. Er wollte nur diese Eine. Direkt vor ihm lag die Kette. Er nahm sie vorsichtig heraus und schloss den Schrank wieder. Das dunkle Blatt lag in seiner Hand. Es war Erinnerung. Nicht bloß für ihn, auch für Legolas. Er umschlossen die Kette in seiner Faust und machte sich dann zielstrebig auf den Weg.

Legolas war bereits in seinem Zimmer und drapiert seinen Bogen und seine Pfeile an der Wand in einer Halterung. Sie schienen einfach nicht so hängen zu wollen, wie er es wollte. Er hatte sich einen Hocker genommen um so besser dran zu kommen, aber so oft er ihn auch gerade rückte, so oft rutschte er wieder in eine schiefe Lage. 

Thranduil beobachtete das alles mit einer amüsierten Miene. "Lass mich dir helfen", sagte er und trat auf seinen Sohn zu. "Nein, ich kann das alleine", rief Legolas und versuchte es ein weiteres mal um erneut zu scheitern. "Du musst die Halterung erneuern", wies er seinen Sohn an. "Oh." Legolas wusste nicht, wie er das machen sollte. "Erynon wird dir morgen sicher helfen, wenn du ihn darum bittest." "Wieso erst morgen?", fragte Legolas enttäuscht. "Ich muss es doch über Nacht lagern." "Leg ihn auf den Schrank dort." "Du kannst es mir doch auch machen", quengelte Legolas. "Nein, es ist schon spät. Du solltest schlafen gehen." 

Legolas nickte brav und legte seinen Bogen dann behutsam auf den Schrank. Das war natürlich keine Endlösung, aber für die Nacht konnte er dort mit gutem Gewissen liegen. "Ich möchte dir noch etwas geben, Legolas", sagte Thranduil und drückte seine Faust stärker zusammen. Die Kette hatte die selbe Temperatur wie seine Haut angenommen uns war nun fast ein Teil seiner Hand. "Wirklich?", begeistert sprang Legolas auf und lief zu seinem Vater. "Aber du musst mir gut zuhören. Dieses Geschenk ist von Nana." Legolas' Augen wurden groß und er nickte ernst. Selbst jemand so junges wie er konnte verstehen, dass es etwas ganz besonderes war. 

Thranduil kniete sich auf den Boden vor Legolas, um ihn in die Augen sehen zu können. "Nana hat dich sehr geliebt und sie weiß, dass ihr euch eines Tages Wiedersehen werdet. Sie möchte, dass du sie niemals vergisst." Erschrocken schüttelte Legolas den Kopf. "Natürlich nicht, sie ist doch meine Nana!", rief er. "Also kannst du ihr versprechen, dich an Sie zu erinnern?", fragte er und sah seinen Sohn eindringlich an. Legolas nickte. "Ich verspreche es", sagte er in einem feierlichen Tonfall.
Thranduil hob seine Hand und öffnete sie vor Legolas Augen. "Du sollst diese Kette bekommen, als Erinnerung." Legolas senkte den Blick auf die Kette und nahm sie vorsichtig mit seinen kleinen Händen.

"Ich kenne sie!", rief er," Nana hat sie immer angehabt." "Genau. Du sollst dich an jeden Tag erinnern, an dem sie sie getragen hat", sagte Thranduil sanft. "Aber...Aber ich kann mich nicht an jeden Tag erinnern", rief Legolas panisch und sah Thranduil verzweifelt an. "Ganz ruhig. Sie weiß das und es ist nicht schlimm. Merke dir einfach ein paar schöne Tage, die ihr gemeinsam verbracht habt. Das genügt." "Wirklich?" "Ja. Denn so erinnerst du dich an die schönsten Momente und weißt, dass sie diese Kette jeden Tag getragen hat." Legolas nickte, sichtlich beruhigt. "Danke Ada." Er hielt die Kette wie ein Rettungsseil in seiner kleinen Faust. "Das habe ich sehr gerne für dich und Nana getan", sagte Thranduil, da er alles hier in Melleths Namen getan hatte, hoffend, dass es ihr gefiel.

Legolas hing sich die Kette ungeschickt um, aber wirkte sehr glücklich. "Ich hab dich lieb", sagte Legolas und umarmte seinen überraschten Vater. Thranduil hatte das nicht erwartet, aber er erwiderte die Umarmung und hielt seinen Sohn wie einen kostbaren Schatz im Arm - denn das war er. Er fühlte die Liebe und Zuniegung , die er seinem Sohn entgegen brachte und konnte sich wieder einmal glücklich schätzen. Ohne seinen Sohn wäre so vieles verloren. Er liebte Melleth und würde sie für immer lieben, aber er liebt auch seinen Sohn - auf eine andere Art und Weise - und er war sich nicht mehr sicher, welche Liebe die stärkere war. 

"Ich habe dich auch sehr lieb, mein Sohn", sagte Thranduil und drückte ihn noch einmal an sich, bevor er sich löste und sich aufrichtete. Er strich sein Gewand glatt und und sortierte kurz seine Gedanken.  "Es wird Zeit für dich ins Bett zu gehen", sagte er. "Aber nur, wenn du mir noch eine Geschichte vorliest", sagte Legolas und grinste. "Na schön, ich werde dir eine vorlesen", sagte Thranduil und ging zu Legolas' Regal, um ein Buch auszusuchen. Er schaute sich die Titel an, dabei war es doch klar, welches er wählen würde. Thranduil hielt nichts davon, Geschichten zu erzählen, die nicht wahr waren oder zumindestens keinen wahren Kern ernhielten oder nichts mit seinem Volk zu tun hatten. Legolas kannte die Geschichten mit Sicherheit alle, aber es war das ständige wiederholen, was einem ins Gedächtnis brannte, sodass man sich daran erinnerte.

Legolas hatte sich bald umgezogen und legte sich in sein Bett, Celebras in seinem Arm. Thranduil setzte sich an die Bettkane und schlug das Buch auf. Er blätterte durch die dicken Seiten, die ihm nur allzu bekannt waren, da ihm dieses Buch früher einmal gehört hatte. Er wählte eine Geschichte der Elben, welche sich jedoch noch in Valinor abspielte. Er sehnte sich selbst nach einer Geschichte, die noch voll Wunder und Magie handelte und für die irdisch Lebenden fast wie ein Märchen klang. Er räusperte sich. "Bist du bereit?", fragte er. "Ja." Legolas nickte und seinen Vater erwartungsvoll an. Der begann zu lesen und seine ruhige melodische Stimme trug die Wörter sanft zu Legolas, der ihnen mit Entzücken lauschte.

Als Thranduil geendet hatte, schlief Legolas. Sein Brustkorb hob sich langsam, aber stetig und sein Gesicht sah glücklich aus. Er sah noch jünger aus, als er eigentlich war und erinnerte Thranduil daran, wie er jung er doch war. Wie viel er noch nicht verstand oder erfassen konnte und wie viel er noch lernen musste. Wie er schon viel zu früh etwas so wichtiges verloren hatte. Wie wenig Zeit er doch mit seiner Mutter gehabt hatte.

Thranduil stand auf und verließ leise den Raum. Er würde die nächsten Tage kaum Zeit für seinen Sohn haben. Er selbst konnte diese Zeit gut aushalten, denn es war nur ein Augenblinzeln in dem Leben eines Elben. Aber für seinen Sohn, der die Zeit ganz anders wahrnahm als Thranduil konnte es sehr schwer werden. Nun, Erynon würde sich gut um ihn kümmern und ihn zu beschäftigen wissen. Bals würde er mit dem Unterricht beginnen, wie es sein sollte.  

The Stars in your heart (Thranduil Legolas ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt