Thranduil sah seinem Sohn hinterher, der von zwei Wachmännern begleitet, auf sein Zimmer gebracht wurde. Er fragte sich, was er noch alles machen sollte. Es war nicht das erste Mal, dass Legolas seinen Unterricht schwänzte oder sich daneben benahm. Erynon gab sich alle Mühe, ihn unter Kontrolle zu behalten, aber letztendlich hatte er seinen eigenen Kopf. Thranduil wusste auch, dass er nicht alles auf Erynon schieben sollte, aber er hatte einfach keine Zeit für ein Kind. Ihm blieb keine andere Wahl. Dies war die einzige Lösung. Oder?
Er wusste nicht mehr weiter. Als König traf er täglich Entscheidungen und trug die Verantwortung für so viele Elben. Er fühlte sich sicher, in dem was er tat, und seine Entscheidungen stellten sich meist als die richtigen für sein Volk heraus. Aber mit Legolas war das anders. Er hätte nie gedacht, dass es so viel schwerer war, Vater zu sein, als König zu sein.
„Mein Herr, wollen wir fortfahren?", fragte Túrwaith und riss ihn damit aus seinen Gedanken. Er musste sich erst darum kümmern. Danach hatte er Zeit um sich um seinen Sohn zu sorgen. „Natürlich. Lasst uns weiter machen." Er nickte dem Elben zu und folgte ihm.
Als er sich später auf den Weg in seine Gemächer machte, dachte er immer noch an Legolas. Es ließ seine Gedanken einfach nicht los und er wurde das Gefühl nicht los, dass er Fehler machte, große Fehler. Er betrat seine Gemächer und blieb mitten im Raum stehen. Heute, stärker als sonst, wünschte er sich, Melleth wäre hier. Sie, die immer wusste, was richtig für ihren Sohn war und sie, die immer wusste, mit welchen Worten sie ihn wieder aufheitern konnte. Es war alles so einfach gewesen. Sie hatte ihn verstanden und sie hatte Legolas verstanden. Und nun war er hier und wusste nicht weiter. Gab es niemandem, mit dem er jetzt sprechen konnte?
Sein Blick wanderte durch seine Gemächer, als könnte er dort die Antworten auf seine Fragen finden. Dabei gab es hier nichts, was ihm helfen konnte. Wie auch? Es war ein Raum voller unwichtiger Dinge. Nicht mal die Sachen, die Melleth hier zurück gelassen hatte, konnten ihm helfen, denn es waren letztendlich nur Gegenstände. Doch gab es da nicht eine Sache, die ihm vielleicht helfen konnte? Er hatte nie zuvor irgendein Grab besucht. Nicht mal das seines Vaters. Aber jetzt gefiel ihm dieser Gedanken. Vielleicht fand er dort Antworten auf all seine Fragen. Vielleicht würde er dort ihre Gegenwart spüren, wie er es bei ihrer Beerdigung getan hatte. Dort konnte noch etwas von ihrem Geist sein, der ihn immer hatte beruhigen konnte.
Bevor er lange darüber nachdenken konnte, verließ er den Raum und machte sich auf den Weg nach draußen. Ein Teil von ihm wusste, dass es eine schlechte Idee war, aber er ging dennoch weiter. Er ließ sich ein Pferd satteln und schon ritt er in gemächlichem Tempo durch den Wald. Er hätte natürlich auch zu Fuß gehen können, aber er brauchte die beruhigende Nähe eines Tieres und Freundes neben sich. Sonst wäre er vermutlich auf halben Weg umgekehrt und hätte sich anders entschieden.
Bald erkannte er die Bäume, die ihr Grab umgaben und er stieg langsam vom Pferd. Der Hengst stieß ihn beruhigend mit der Schnauze an und Thranduil strich ihm gedankenverloren übers Fell, als er auf das Grab starrte. Ein steinernere Sarg, der mitten in der Lichtung stand. Goldenes Sonnenlicht fiel auf den Stein, was zu dieser Jahreszeit eher ungewöhnlich war, und tauchte sie in helles Licht. Die Pflanzen um den Stein waren verkümmert und die dürren Äste über ihm kahl. Der Winter war mittlerweile eingezogen, aber diese Stelle war immer noch wunderschön. Thranduil trat näher und das Laub knirschte unter seinen Füßen. Als er das letzte Mal hier gewesen war, war der Boden mit dunklen Moos bedeckt gewesen, mit ein paar wenigen Wurzeln, die sich an die Oberfläche bahnten und um den Stein waren kleine Sträucher und Wildblumen gewachsen.
Es war keine Tradition der Elben, ihre Gräber oft zu besuchen oder Blumen niederzulegen, geschweige denn welche zu Pflanzen. Sie hatten ein anderes Verständnis der Unsterblichkeit als Menschen. Thranduil wusste selbst nicht, weshalb er nun zu diesem Ort zurückgekehrt war, wo ihm hier doch nichts Trost spenden konnte. Dennoch trat er näher und wischte trockenes Laub von dem Steinsarg. Der Stein war gleichmäßig rau und kalt. Keine Inschrift, nichts erinnerte daran, wer hier lag und doch war es unverkennbar ein Grab.
Wie eine Welle traf Thranduil all der Schmerz und zwang ihn in die Knie. Tränen fielen aus seinen Augen auf den Stein. Die Erinnerung quälte ihn hier mehr als sonst und die Vergänglichkeit wurde ihm bewusst. Er wusste nun, weshalb niemand zu einem Grab ging. Hier schien es, als wäre sie endgültig gegangen und ihm bliebe nichts mehr als die Erinnerungen, die so lebendig in seinem Geist waren. Ihr Lachen, ihre strahlendes Augen. Ihre erste Begegnung. Der Tag, an dem sie den Bund eingingen. Die Geburt seines Sohnes. Augenblicke, die er nie vergessen würde. All der Glanz, all die Liebe, die sie allein mit ihrer Gegenwart ausgestrahlt hatte.
Er zwang sich aufzustehen und trat einen Schritt zurück. Er brauchte Abstand, Abstand von diesen Erinnerungen. Für einen Moment schloss er die Augen und rief sich in Erinnerung zurück, weshalb er hierhergekommen war. Aber hier würde er sicherlich keine Lösung finden. Nein, hier würde er nur erneut in Trauer versinken und das konnte er sich nicht leisten. Er musste weiter machen. Das lag in seiner Pflicht als König und Vater. Und doch schien es unmöglich, denn hier hatte er so viel verloren. Ein Teil seines Herzens. Seine Kraft, weiterzumachen. Der Grund, der ihn glücklich machte. Der Lichtblick in seinem Leben. Und Thranduil wäre schon an alle dem zu Grunde gegangen, wenn Legolas nicht wäre. Seine Kraft, sein Grund und der Lichtblick.
Und deswegen musste er sich jetzt um ihn kümmern.
Er drehte sich um und zwang sich, nicht zurück zu sehen, als er auf den jungen Hengst stieg. Sein braunes Fell glänzte in der Sonne. Thranduil trieb ihn an und ritt schnell, schneller als auf dem Hinweg, zurück zum Palast. Das Grab blieb einsam und verlassen zurück. Selbst die Sonne ging unter uns ließ das Grab im Schatten der Nacht stehen. Es war der Natur ausgesetzt und würde mit den Jahren unter ihr begraben werden, ein Teil von ihr werden und irgendwann würde nichts mehr übrig sein, was an das Grab erinnerte.
Im Palast angekommen gab er schnell sein Pferd ab und machte sich auf den Weg in seine Gemächer. Ihm war eingefallen, wer möglicherweise helfen konnte. Anoriell hatte Erfahrung mit Legolas und war selbst einmal Mutter gewesen. Sie würde wissen, was er tun musste. Thranduil verfasste einen Brief, indem er seine Sorgen erklärte und sie um Rat bat. Die Worte flossen ihm nur so zu, denn er schrieb, was ihm auf dem Herzen lag. Er war immer sehr respektvoll mit Anoriell umgegangen, aber er hatte auch gelernt, dass er ihr vertrauen konnte und sie gewillt war, ihrer Familie so gut wie möglich zu helfen. Er brauchte keine umschweifenden Worte und Erklärungen, sie würde ihn verstehen.
Noch am selben Abend rief er einen Boten zu sich, der den Brief sicher überbringen sollte. Thranduil war sich natürlich bewusst, dass es einige Monate dauern würde, bis er eine Antwort erhalten würde, aber er hatte auch noch einige Jahre der Kindererziehung vor sich und konnte ihren Rat bestens gebrauchen. Erst, als der Bote versicherte, sich am nächsten Tag sofort auf den Weg zu machen und die Nachricht sicher zu überbringen, bevor er wieder ging, konnte Thranduil aufatmen. Er hatte den ersten Schritt getan. Was danach folgte, wusste er noch nicht. Er musste sich überlegen, wie er weitermachen konnte. Dabei sagte ihm ein Gefühl in seinem Inneren, dass er womöglich genau dort weitermachen würde, wo er aufgehört hatte. Das er alles genauso machen würde, weil er es nicht besser wusste.
Thranduil war der Meinung, dass Legolas gut versorgt war, und doch war er nicht glücklich. Er besuchte ihn manchmal und sah sich seine Fortschritte an, aber dennoch schien Legolas nicht genug Aufmerksamkeit zu bekommen. Er beschäftigte Legolas gut, und doch langweilte er sich oder lief planlos im Palast herum. Thranduil wusste einfach nicht, was er tun sollte. Er sah sich vor einem großen Rätsel. Und bis er nicht wusste, was er besser machen konnte, würde er es so lassen. Er konnte sich den Rat von Erynon einholen, der die meiste Zeit mit Legolas verbrachte, aber er bezweifelte, dass der Elb seinen Sohn verstand oder ihm wirklich helfen konnte. Thranduil wollte nicht diese Schwäche vor Erynon zeigen, wo er doch der König war. Er würde warten und dann würde er es besser machen.
Und da war es auf einmal Montag. Tut mir leid, Mellyn, aber der Sonntag hat sich mal wieder an mir vorbeigeschlichen. Dabei hatte ich das Kapitel schon fertig, ich hatte einfach nur viel zu tun. Und ja, ich weiß, das Kapitel ist kurz. Aber hat ja irgendwie auch nicht viel Inhalt. Naja, euch dann noch ein paar schöne Tage, bis denne, eure
~Isilórë~
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The Stars in your heart (Thranduil Legolas ff)
FanfictionThranduils, Orophers Sohn, ist der König des Düsterwaldes und lebt mit seiner Frau Melleth und seinem Sohn Legolas in seinen Unterirdischen Hallen. Sein Leben scheint einen erfüllten Lauf zu nehmen, doch dann wird er von einem Schicksalsschlag getro...