Kapitel 5

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Die Sonne ging rot und blutend im Westen unter und nur schwach drang ihr Licht durch die dichten Blätter des Grünwaldes. Nicht oft sah man das rote Licht der Sonne, wenn sie kurz über den Nebelbergen stand, die sich in der Ferne erhoben. Aber heute schien sie, und sie schien genau in Thranduils Gemach hinein. Seines war eines der wenigen, die das Privileg hatten, die Außenwelt zu sehen, denn es gab in Höhlen nicht viel Möglichkeit für Tageslicht.

Gerade jetzt verfluchte sich der Elbenkönig für dieses Privileg. Denn die Strahlen tauchten alles in rot, rot wie Blut. Und das erinnerte ihn nur an das Rot, dass Melleth Gewand bedeckt hatte und aus ihrem Mund geronnen war.

Nein,in diesem Rot, dass jeden Fleck seines Gemaches einzunehmen schien, konnte er nicht bleiben, sonst würde er nur verrückt.

Aber wo sollte er hin? Natürlich, zu seinem Sohn. Legolas würde bald schlafen gehen, denn ein junges Kind wie er brauchte viel Schlaf. Sofort sprang Thranduil auf und verließ seine Gemächer. Er entkam dem Blut und atmete erst einmal tief durch, bevor er sich zu Legolas' Zimmer begab.

Dort blieb er vor der Tür erst einmal stehen und lauschte. Er konnte keine Stimmen vernehmen, trotzdem klopfte er an. „Herein.“ Thranduil öffnete die Tür ohne weiter nachzudenken. Sonst wäre er womöglich umgekehrt.

„Ada!“, rief Legolas freudestrahlend. „Hallo, mein Sohn. Ich wollte dich noch einmal vorm Schlafen besuchen“, sagte Thranduil. Legolas lag auf dem Boden, vor ihm ein Bild und Buntstifte.

Bei des Königs Worten kam Erynon aus einem Nebenzimmer. „Mein Herr, ihr seid hier?“ Er war erstaunt, aber das konnte Thranduil ihm nicht verdenken. „Das bin ich. Du kannst dann gehen, Erynon. Ich kümmere mich um Legolas.“ „Natürlich, mein Herr“, sagte Erynon und ging Richtung Tür. Er versuchte es zu verbergen, aber er grinste viel zu breit um es vor Thranduil zu verstecken.

Der König versuchte es geflissentlich zu ignorieren.

„Ich bin gleich fertig“, sagte der junge Elb und malte fleißig weiter. Thranduil zögerte, dann setzte er sich zu Legolas auf den Boden. Er erinnerte sich, früher oft neben Legolas auf dem Boden gesessen zu haben.

Seine kurzen blonden Haare fielen ihm ins Gesicht und verdeckten, was er zeichnete. Aber ihn schien das anscheinend nicht zu stören.

„Was malst du denn da?“, fragte Thranduil. „Das verrate ich noch nicht! Du siehst es ja gleich.“ Eilig griff er nach weiteren Buntstiften. Es blieb dem König also nichts weiter übrig, als zu warten. Er sah sich im Zimmer um. Es hatte sich nichts verändert, seid er das letzte Mal hier gewesen war.

Als wäre die Zeit hier stehen geblieben und all die schrecklichen Dinge wären nie passiert. Wie schön war diese Vorstellung, doch trotz allem fehlte etwas in diesem Raum. Denn, immer wenn Thranduil bei Legolas gewesen war, war auch Melleth dabei gewesen. Er erinnerte sich gerne an die Vergangenheit, als Legolas noch ein Elbie war und Melleth ihn in ihren Armen getragen hatte.

„Ich bin fertig, Ada! Das hab ich gemalt!“; rief Legolas und präsentierte stolz sein Bild. Thranduil nahm es in die Hand und schaute es an. Darauf war er selber zu sehen (er erkannt sich nur an den blonden Haaren und der Krone), Legolas als kleiner blonder Elb und eine dritte Person mit dunklen Haaren und blauen Augen. Legolas Mutter. Alle drei lächelten.

Er musste schlucken. Sein Herz schmerzte wieder, als dieses Bild von einer glücklich vereinten Familie in den Händen hielt, gemalt von seinem Sohn.

„Ich habe dich und mich und Nana gemalt“, sagte Legolas. Niemals wieder würde es so sein wie auf diesem Bild. „Wie schön“, brachte Thranduil heraus. „Ich schenke es dir. Aber du musst es Nana zeigen, wenn sie wieder da ist“, fuhr Legolas fort. Thranduil nickte. „Dankeschön. Ich werde es aufhängen, damit sie es sehen kann.“ Er konnte ihren Namen nicht aussprechen, noch nicht. Dafür saß der Schmerz zu tief.

The Stars in your heart (Thranduil Legolas ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt