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Alec

„Warum ziehst du dich an?", frage ich Magnus verwirrt, als er sich seinen Mantel überstreift.
Nach dem Essen – das übrigens fantastisch war - habe ich mich auf sein Sofa gesetzt und uns einen Film aufgedreht, doch scheinbar haben wir nicht dieselben Pläne.
„Ich wollte nur kurz Blumen auf das Grab meiner Eltern bringen, sie haben heute Todestag.", erwähnt er so nebenbei, während er in seine Schuhe schlüpft. Entgeistert sehe ich ihn an.
„Warum hast du nichts gesagt? Ich kann dich begleiten.", schlage ich vor und tatsächlich kann ich das, denn draußen ist es bereits dunkel.
„Das musst du wirklich nicht tun, Alexander. Ich bin sofort wieder da und dann schauen wir uns den Film an, den du rausgesucht hast.", winkt er ab, doch ich bin bereits aufgestanden und ziehe mir mein Sweatshirt über. „Nein, ich würde dich gerne begleiten, wenn das für dich ok ist."
Magnus lächelt kapitulierend und nimmt meine Jacke vom Haken, um sie mir zu reichen.

Während der kurzen Autofahrt sprechen wir nur das Nötigste. Eine unangenehme Stille liegt über uns, schließlich haben wir ihr Grab noch nie gemeinsam besucht. Ich habe das Gefühl, ich lerne gleich meine Schwiegereltern kennen, obwohl das gar keinen Sinn ergibt. Aber was, wenn sie von oben auf mich herabschauen und denken, dass ich nicht der Richtige für ihren Sohn bin oder wir uns bald trennen. Magnus hat mir zwar erzählt, dass seine Eltern sehr nett und lieb waren und für ihn immer das Beste wollten, doch vielleicht bin ich nicht das Beste, das sie sich für ihn vorstellen.
Still schüttele ich den Kopf. Was denke ich da? Das ist doch Unsinn. Sie leben nicht mehr. Nicht, dass ich mich darüber freue. Ich würde sie sehr gerne kennenlernen und wissen, was sie über uns denken oder ihren Segen haben, nur ...
„Alec, worüber zerbrichst du dir schon wieder den Kopf?" Magnus unterbricht meinen Gedankenansturm und lächelt mich liebevoll von der Seite an. Verwirrt hebe ich den Kopf und sehe mich um. Wir stehen bereits auf dem kleinen Parkplatz vor dem riesigen Friedhof. Ich war zuvor noch nie auf einem Friedhof. Auf das Begräbnis meiner Großeltern konnte ich nicht gehen und ich muss zugeben, ich hatte noch nie das Bedürfnis, sie dort zu besuchen. Meiner Meinung nach trage ich sie in meinem Herzen – das ist zumindest das, was mir meine Mutter bis heute eingeredet hat, jedes Mal, wenn jemand gestorben ist.
„Ich ... nichts. Nichts Wichtiges. Gehen wir."

Händehaltend spazieren wir – mehr oder weniger – über den Kieselweg des Friedhofs. Ich lese die Namen auf den Grabsteinen, während mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Lovelace. Carstairs. Blackthorn.
Ich weiß, es ist feig, aber trotzdem ist es nicht ganz ungruselig in der Nacht auf einem Friedhof umgeben von Leichen zu sein.
Bane. Der Grabstein und das Grab sehen sehr gepflegt aus, auch wenn es nicht viele Blumen oder Kerzen gibt, sondern eher minimalistisch gehalten wurde. Scheinbar kommt Magnus regelmäßig hier her, ohne mir etwas davon zu erzählen.
„Wie oft bist du hier?", frage ich also, während er die alten Blumen aus der Vase mit dem neuen Strauß weißer Nelken auswechselt.
„Wenn ich Zeit habe, wöchentlich. Auch wenn ich es nicht nötig finde, meine Eltern hier zu besuchen, möchte ich nicht, dass es hier so heruntergelassen ausschaut. Das haben sie einfach nicht verdient." Magnus richtet die Blumen und steht dann auf, um mich mit glasigen Augen anzusehen. Sofort verfalle ich in Sorge und Angst und gehe auf die andere Seite des Grabs, um ihn in die Arme zu nehmen.

„Ich wollte nicht weinen.", seufzt er genervt und mit verklärter Stimme. „Das ist aber völlig ok. Du kannst jederzeit weinen, wenn dir danach ist und wenn du willst, kann ich dich umarmen."
Ich spüre, wie er zu schmunzeln beginnt. „Danke, Alexander. Ich hätte so gerne, dass ihr euch kennengelernt hättet.", schnupft er und löst sich von mir.
„Ich hätte sie auch gerne kennengelernt, Magnus.", flüstere ich nickend und streiche ihm eine Träne von der Wange. „Du bist so wunderschön.", hauche ich, ohne darüber nachzudenken. Magnus' Augen werden vor Schock größer, während ich ruckartig meine Hand entferne. „Tut mir leid, das war jetzt nicht passend, es ist mir nur gerade in den Kopf gekommen und ich wollte-"
„Es ist immer passend. Aber du bist mindestens genau so wunderschön, Liebling. Dich haben meine Eltern geschickt. Ich liebe dich." Magnus lehnt seine Stirn an meine hinunter und umfasst mit seinen Händen mein Gesicht. Hilflos lege ich meine Arme um seine schmale Taille, während er leicht zu lächeln beginnt. „Küss mich.", haucht er. Das lasse ich mir kein zweites Mal sagen und lege meine Lippen leicht auf seine, um den Kuss kurze Zeit später etwas zu vertiefen.

Atemlos lasse ich von ihm ab und trete einen Schritt von ihm weg, um mich peinlich berührt umzusehen. „Was wenn uns jemand sieht. Ich glaube nicht, dass das hier der richtige Ort dafür ist.", murmele ich betroffen.
„Hier ist niemand, Alec. Aber du hast recht. Machen wir weiter, wenn wir alleine sind.", stimmt er mir zu und wirft noch einen letzten Blick auf das Grab seiner Eltern. „Jetzt solltest du mit deiner Mutter sprechen und sie umarmen. Sei froh, dass du sie hast, auch wenn sie nicht immer die richtigen Entscheidungen trifft."
Ergeben nicke ich. Ich weiß, ich sollte dankbar sein, sie noch so gesund zu haben und so schlecht ist sie gar nicht, aber sie sollte meine Beziehung zu Magnus ernstnehmen.
„Ja, fahren wir."

Mondscheinkrankheit (german Malec ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt