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Alec


Geweckt werde ich durch das Läuten meines Telefons. Grummelnd drehe ich mich um und atme erleichtert auf, als es verstummt. Doch wenige Minuten später beginnt es wieder. Entnervt greife ich danach und sehe auf den Bildschirm. Eine unbekannte Nummer. Für gewöhnlich hebe ich bei solchen Nummern nicht ab, aber als der Anruf wieder abbricht, um direkt danach neu zu starten, habe ich keine andere Wahl. Möglicherweise ist es Izzys Freundin, ihre Nummer habe ich nicht eingespeichert.
„Ja?", melde ich mich mit noch belegter Stimme vom Schlaf. „Habe ich dich etwa geweckt? Es ist bereits elf Uhr.", ertönt eine männliche Stimme und bestimmt nicht die Stimme der Freundin meiner Schwester. „Wer ist da?", frage ich verwirrt nach und setze mich in meinem Bett auf. „Oh, tut mir leid. Ich bin Magnus, der gruselige Mann, der dir gestern dein Telefon gestohlen hat. Ich hatte gestern damit meine beste Freundin angerufen, weswegen wir deine Nummer haben. Ich hoffe, das ist okay.", erklärt Magnus und nach kurzer Überlegung verstehe ich. Meine beste Freundin. Also war das gestern nicht seine feste Freundin?

Nachdem ich alles, was er gesagt hat, noch einmal durchgegangen bin, antworte ich schließlich. „Ah, wozu brauchst du sie denn?", frage ich, denn das ist das, was ich nicht verstehe. Scheinbar geht es seinem Telefon wieder gut und er braucht mich nicht mehr. „Ich habe mir gedacht, da wir gestern so ein anregendes Gespräch hatten, wir das vielleicht bei einer Tasse Kaffee oder Tee wiederholen könnten? Schließlich war dein erschrockener Blick zu der Aussage, dass ich 'Stolz und Vorurteil' nicht kenne, genug Grund, um sich noch einmal zu treffen, nicht?", höre ich Magnus' strahlendes Lächeln und muss automatisch selbst leicht schmunzeln. Aber wie kommt er darauf, dass wir ein anregendes Gespräch geführt haben? Er hat mich nur nach dem Buch gefragt und anschließend war ich geschockt, dass er es nicht kennt. Aber wirklich viel habe ich nicht gesagt.

„I-ich weiß nicht. Vielleicht. Um welche Uhrzeit wäre das?", frage ich leicht nervös nach. Mich hat noch nie jemand Fremdes angesprochen und sich am nächsten Tag die Mühe gemacht, mich anzurufen, um nach einem Treffen zu fragen. Aber schließlich will er etwas über mein Lieblingsbuch wissen und ich möchte, dass er es liest. Ich würde so gerne wissen, was er dazu sagt.
„Vermutlich früher Nachmittag. Bist du denn so verplant?" Hin und hergerissen überlege ich. Das erste Mal seit Jahren, dass ich gerne nach Draußen möchte. So gerne. Und das nur, um Magnus das Buch vorzustellen.
„Ich kann tagsüber nicht.", erwidere ich schließlich, während ich nervös auf meiner Unterlippe kaue. „Und wochenends?"

„Nie."

„Das ist interessant.", überlegt Magnus. „Aber es geht für mich auch abends. Heute Abend in dem Café um die Ecke bei dem Park?", fragt er, während ich überfordert aus meinem Bett aufstehe. Ich hatte auf keinen Fall damit gerechnet, dass er sich so schnell mit mir treffen möchte. Sollte ich überhaupt hingehen? Schließlich ist er ein Fremder. Aber solange wir in einem öffentlichen Bereich bleiben. „Kann ich dir noch schreiben? Ich bin mir nicht sicher.", sage ich die Wahrheit. „Ja, natürlich. Meine Nummer hast du ja jetzt.", höre ich die übertriebene Freundlichkeit, die eindeutig seine Enttäuschung überspielen soll.

Ich bin mir fast sicher, dass er niemand komisches ist, trotzdem würde ich gerne auf Nummer sicher gehen und zuerst mit meiner Mutter sprechen. „Danke. Tschüss, Magnus.", lächle ich unwillkürlich. „Ich hoffe bis heute Abend, Alec."

Ich verschwinde kurz ins Bad und ziehe mir anschließend eine graue Jogginghose an.
„Mom, darf ich mich heute mit jemandem in einem Café treffen?", lehne ich mich auf die Küchentheke, während meine Mutter mir ein Sandwich zubereitet. Sie sieht verwundert auf. „Mit jemandem? In einem Café?", verdaut sie, was ich gesagt habe, was mich nicken lässt. „Mit wem denn? Ist Jace wieder in der Stadt? Abends aber erst, du weißt.", zeigt sie streng auf mich und schiebt mir den Teller rüber. „Danke.", hauche ich. „Aber nein, nicht Jace. Der hat momentan glaube ich ziemlich viel Stress mit der Uni. Es ist der Mann, dem ich gestern mein Telefon geborgt habe. Magnus. Er möchte, dass ich ihm das Buch zeige, das ich gestern gelesen habe.", erkläre ich lächelnd.
„Und du bist dir sicher, dass er auf nichts anderes hinaus will?", stützt sich meine Mutter skeptisch an der Küchentheke ab.

„Ich kann keine Gedanken lesen, aber wir werden nur in dem Café sein und dann komme ich wieder zurück. Er kann mich nicht entführen. Außerdem habe ich bei ihm kein schlechtes Gefühl.", verteidige ich den mir Unbekannten. „Das hatte ich auch gar nicht gemeint. Aber du bist erwachsen, ich vertraue dir. Pass aber auf!"
„Also soll ich?", frage ich noch einmal unsicher nach. Vielleicht wäre es besser, wenn ich mein Leben so weiter leben wie schon davor. Aber Magnus hat irgendetwas an sich, dass ich die ganze Zeit in seiner Nähe sein will und ich habe keine Erklärung dafür.
„Ich dachte, du bist dir sicher, dass du gehen möchtest? Was würdet ihr denn machen?", erkundigt sich meine Mutter, während sie die offene Küche verlässt und ins Wohnzimmer geht. „Ich will ihm einfach das Buch vorstellen.", erkläre ich simpel und zucke leicht mit den Schultern, während ich mich neben sie auf das Sofa setze. „Dann geh. Hab ein wenig Spaß, du bist sonst sowieso nur alleine in deinem Zimmer.", lächelt meine Mom traurig. Sie macht sich sorgen. Izzy macht sich sorgen. Verständlich. Aber ich bin sowieso viel mehr ein Einzelgänger und ich denke, das wäre ich auch ohne XP.

„Ok, danke, Mom.", umarme ich sie und verschwinde mit dem Sandwich in mein Zimmer. Schnell angele ich mir mein Telefon von meinem Nachtkästchen und tippe auf die noch nicht eingespeicherte Nummer. Ich ändere sie zu 'Magnus?' und gehe dann in den leeren Chat.

Ich kann.    

Wenige Sekunden später kommt bereits die Antwort.

Dann um sechs in dem ausgemachten Café?

Ist auch acht ok?

Etwas spät, aber keinesfalls schlimm.

Ich freue mich darauf.

Lächelnd lege ich mein Telefon wieder zur Seite. Ich freue mich sehr darauf, wodurch die Minuten wie Stunden vergehen.

Um Punkt halb acht stehe ich bereit zum Weggehen vor der Tür. Ich habe meine Schuhe angezogen, mir meinen Mantel übergeworfen und mein Lieblingsbuch unter den Arm geklemmt. Kurz werfe ich einen Blick nach Draußen und überprüfe, ob noch einzelne Sonnenstrahlen durch den Himmel blitzen, doch nur die Sterne und der aufkommende Mond sind sichtbar.
„Ich gehe jetzt.", rufe ich aus dem Flur in das Wohnzimmer, in dem meine Mutter sitzt und sich etwas im Fernsehen ansieht. „Ok. Viel Spaß und mach nichts, das ich nicht auch tun würde.", lächelt sie, doch ich sehe sie nur verwirrt an. Was sollte ich denn tun? Und was genau nicht?
Ich schüttele den Kopf und verlasse das Haus. Normalerweise bin ich nicht so früh Draußen, doch zur Abwechslung ist es ganz nett.

Nach ungefähr einer halben Stunde treffe ich penibel genau in dem kleinen Café ein. Aufgeregt und nervös sehe ich mich um. Es ist sehr ungewohnt für mich, in Anwesenheit so vieler Menschen zu sein. Ich bin nicht zwingend schüchtern, ich bin nur gerne für mich und spreche ungerne.
Gerade als ich mich nach Magnus umsehe, spüre ich jemandem hinter mir und drehe mich überrascht um. „Alec. Ich hatte nicht erwartet, dass du wirklich kommen würdest.", strahlen seine goldenen Augen mich an, während er sich an mir vorbeidrängt. „Wieso sollte ich denn nicht?", frage ich und folge ihm zu einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen, der in einer Ecke relativ abwärts steht.
„Naja, immerhin bin ich fremd für dich.", zuckt er die Schultern und lässt sich elegant auf einen der Stühle fallen.
„Aber du möchtest doch bloß etwas über das Buch wissen und da ich es sehr gut kenne, kann ich es dir erklären.", lege ich das Buch zögernd auf den Tisch und sehe mich unruhig im Raum um. Meistens ziehe ich durch die vielen Sommersprossen und Flecken in meinem Gesicht viele Blicke auf mich – ein weiterer Grund, warum ich nicht gerne rausgehe. Ich bin gerne nicht wahrnehmbar, versteckt.

„Bist du nervös? Du musst nicht auf die anderen achten. Nur auf mich, schließlich bin ich deine Verabredung.", grinst mein Gegenüber selbstbewusst. „Also, das Buch. Konzentrieren wir uns zuerst einmal darauf und sehen dann wohin uns das führt.", lächelt Magnus und nimmt 'Stolz und Vorurteil' in die Hände, um sich den Klappentext durchzulesen. Normalerweise habe ich es nicht gerne, wenn jemand anderes meine Bücher nimmt, vor allem bei denen, die schon älter sind und leicht zerreißen oder zerfallen, wie bei diesem hier. Durch das ofte Lesen, sieht es schon relativ mitgenommen aus. Doch Magnus scheint meine Anspannung zu bemerken und behandelt das Hartbuch mit Vorsicht.
„Also was kannst du mir darüber erzählen? Warum bist du so begeistert davon?"

Mondscheinkrankheit (german Malec ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt