Kapitel 10

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Yoongi:

Ich versuchte verzweifelt, meine Gedanken auszudrücken oder sie wenigstens zu ordnen. Irgendetwas zu Jimin zu sagen, damit ich nicht vom Chaos gefangen genommen wurde. Doch es funktionierte nicht. Immer wieder öffnete ich meinen Mund und formte Wörter, doch sprach sie nicht aus.

Jimins Wangen glänzten und er zog laufend die Nase hoch. Es war ihm bestimmt nicht leichtgefallen, dies der halben Welt mitzuteilen. Wenigstens musste er mit diesen Leuten nicht in einem Raum sein, wie mit mir. Vielleicht erschien es dann weniger real und bedrohlich.

„Es tut mir leid.", brachte Jimin irgendwann hervor und wischte sich mit einer Hand durchs Gesicht.

„Was tut dir leid?", fragte ich.

„Dass ich krank bin." Fassungslos beobachtete ich ihn, wie er sich die Decke bis ans Kinn zog und sich vergeblich darum bemühte, sein Weinen zu unterdrücken.

„Nein, es tut mir leid, dass du das durchmachen musst. Du kannst nichts dafür, Jimin.", sagte ich. Ich konnte kaum glauben, dass ich das wirklich tat, obwohl ich eigentlich schreiend aus diesem Gebäude rennen und mich in den Han-River stürzen wollte.

„Mir tut alles weh. Mein Bauch sieht aus als wäre ich misshandelt worden und ich sterbe langsam vor mich hin. Denkst du wirklich, Aufmuntern funktioniert noch?" Er lachte hart auf und ich verzog den Mund. Ja, es stimmte. Sein unterer Bauch war voller Blutergüsse, was ich bemerkt hatte, als ich ihn festgehalten hatte. Zu dem Zeitpunkt verdrängte ich die Hinweise. Sein Nasenbluten machte dies aber schlimmer. Und erst recht diese Glasscherben. Wahrscheinlich hatte er wirklich nicht gelogen, sondern seine Wundheilung war durch die Krankheit einfach absolut beschissen. Weil ich nicht antwortete, lachte Jimin weiter, aber es verwandelte sich ziemlich schnell in ein Schluchzen, woraufhin er fluchte.

„Fuck. Ich kann nicht einmal akzeptieren, dass ich am Arsch bin. So männlich." Seine Stimme brach etwa zur gleichen Zeit wie mein Herz. Schon wieder.

Irgendwann konnte ich es nicht mehr mit anhören und stand auf. Jimin kleisterte sich ein definitiv nicht überzeugendes Lächeln ins Gesicht, als würde er mir beweisen wollen, dass ich ruhig gehen konnte. Bestimmt dachte er, ich wäre aus diesem Grund aufgestanden. Ich jedoch lief zu seinem Bett und beobachtete ihn bei jedem Schritt, falls er mir irgendwelche Zeichen gab, dass ich damit aufhören sollte.

Ohne etwas zu sagen, legte ich mich zu ihm und drückte ihn fest an mich. Zu meiner Überraschung streckte er nach einer Schockminute seine Arme aus und legte sie auf meinen Rücken. Unsere Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt.

Jimin:

Ich war so verwirrt, dass ich sogar vergaß, traurig und wütend auf die Welt und auf mich zu sein. In Yoongis Augen konnte ich Schmerz sehen, der mindestens so groß war wie meiner. Und trotzdem war er hier und umarmte mich, damit ich mich weniger einsam fühlte.

„Danke." Ich lächelte unter Tränen. Yoongi antwortete mir nicht, er hätte auch gar keine Zeit gehabt, da genau in diesem Moment der Arzt von gestern das Zimmer betrat. Er blieb verwirrt vor uns stehen und klappte seinen Mund auf und zu. Mein Nachbar rollte mit den Augen und ich tat es ihm gleich, es war ja nicht so wäre er gerade hereingeplatzt als wir im Krankenhaus Sex hatten oder so.

„Es scheint nicht mehr wirklich so als würden Sie beide sich nicht gut kennen.", meinte er nur schmunzelnd und blätterte in etwas, was vermutlich meine Krankenakte war. Keiner von uns reagierte darauf, deshalb fing er gleich an, mir einen Vortrag zu halten.

„Herr Park, es war sehr unverantwortlich von Ihnen, einfach die Stadt zu verlassen. Wir müssen umgehend mit der Strahlentherapie beginnen, um Ihnen eine möglichst hohe Überlebenschance zu bieten. Mit jedem Tag, den wir warten, sinkt sie weiter. Und bei Leberkrebs ist sie sowieso noch einmal geringer. Sie haben das Glück, dass sie jung und – vom Krebs abgesehen – vollkommen gesund sind. Doch dieses Handeln war wirklich nicht verantwortbar. Haben Sie denn eine Wohnmöglichkeit in der Stadt? Dann müssten Sie nicht jedes Mal eine halbe Stunde fahren." Auf mein Kopfschütteln seufzte er tief. „Naja dann bleibt wohl keine Wahl. Jedenfalls sollten Sie jemanden finden, der Sie zur Therapie fährt, denn Sie wissen wahrscheinlich noch besser als ich, dass es Ihnen nach den Therapiestunden teilweise nicht besonders gut gehen wird."

Er blätterte weiter und erklärte noch unwichtiges Zeug von meiner Chemotherapie von vor drei Jahren, was ich alles noch nicht vergessen hatte, weshalb ich abschaltete und in Yoongis Augen versank, welcher aufmerksam dem Doktor lauschte. Ich realisierte nur am Rande, wie er seinen Mund bewegte, doch als mein Arzt auf einmal in die Hände klatschte zuckte ich zusammen und wurde wieder zurück in die brutale Realität geholt. Yoongi sah aus als wäre er gerade einem Dämon begegnet, so kalkweiß war er im Gesicht und er starrte immer wieder nervös von mir zu meinem Arzt, dessen Name ich nicht einmal wusste.

Was hatte ich hier gerade verpasst?

„Na das ist doch eine gute Lösung. Ich muss jetzt auch weiter. Herr Park, bitte füllen Sie dieses Formular aus und melden sich an der Rezeption unten für Ihre Therapie. Ich wünsche Ihnen viel Glück.", sagte er auf einmal und zwinkerte Yoongi zu. Hallo???

„Was ist eine gute Lösung?" Ich richtete mich auf und spürte, wie mir alles wehtat, doch ich war damit beschäftigt, misstrauisch auf Yoongis Antwort zu warten.

Dieser kletterte verlegen aus meinem Bett und mied meinen Blick. „Ähm... es... es kann sein, dass ich..., dass ich angeboten habe, dich in meiner Wohnung wohnen zu lassen? Wenn ich wieder nach Hause fahre?" Er formulierte das wie eine Frage und fuhr sich nervös durch die Haare.

„Wieso machst du das? Ich meine, ich war nie besonders nett zu dir, wir kennen uns gar nicht, du bist wegen deiner Arbeit beschäftigt – und jetzt streite es nicht ab, ich habe dich auch gegoogelt – und hast eindeutig andere Probleme als in deiner Freizeit die Krankenschwester zu spielen." Er schnaubte.

„Ja, ich habe tatsächlich anderes zu tun. Und ich habe nie gesagt, dass ich ab jetzt mein ganzes Leben nach dir ausrichten werde. Park Jimin, du wirkst nicht so, als hättest du viele Menschen, die sich momentan um dich kümmern. Wenn du mir nicht glaubst, dass ich das aus Nettigkeit tue – ich will auch nicht dein bester Freund oder sowas werden -, dann sieh es einfach als Wohngemeinschaft. Meinetwegen zahl mir Miete, falls du dich dadurch besser fühlst." Er hob herausfordernd sein Kinn, um größer zu wirken. Ich würde Geld darauf verwetten, dass er das öfter tat, immerhin waren wir beide nicht gerade groß. „Außerdem hat niemand gesagt, dass du das tun musst. Du kannst gerne in den Bergen wohnen bleiben." Jetzt betrachtete er seine Fingernägel und lächelte arrogant. Dieses miese Arschloch wusste genau, dass es mich in der Hand hatte.

Ich hatte keinen blassen Schimmer, warum ich darauf einging, warum ich überhaupt diese verdammte Therapie machen wollte. Ehrlich gesagt hatte ich sowieso keine Hoffnung mehr und selbst wenn ich es dieses Mal schaffen würde, könnte er immer wieder zurückkommen. Das war er ja bereits.

„Meinetwegen. Okay. Ich fahre morgen mit dir in die Stadt. Und wir teilen uns nur eine Wohnung. Das war's.", stellte ich überraschend bestimmt klar. Yoongi nickte knapp und deutete dann auf das Formular auf dem Tisch.

Während ich es ausfüllte, zitterte meine Hand und ich dachte die ganze Zeit daran, wie ich es überleben sollte – wortwörtlich -, mit ihm zusammen zu wohnen. 


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𝚒𝚏 𝚢𝚘𝚞 𝚋𝚎𝚕𝚒𝚎𝚟𝚎 / 𝚢𝚘𝚘𝚗𝚖𝚒𝚗Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt