Kapitel 30

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Jimin:

Ich hielt mich von Yoongi fern, seit wir vor drei Tagen eine Grenze überschritten hatten. Die meiste Zeit verbrachte ich in meinem Zimmer und las. Mittlerweile hatte ich sein Buch durchgelesen und brauchte eigentlich den nächsten Band, doch ich traute mich nicht zu fragen, obwohl er gesagt hatte, dass wir ‚Freunde' sein konnten.

   Heute hatte mir Kookie angerufen, weil er meine Hilfe bei irgendetwas brauchte, also schlich ich mich raus, nachdem ich sicher war, dass Yoongi nicht da war oder zumindest nirgendwo, wo ich ihm begegnen würde.

   „Hallo." Ich zwang mich zu einem Lächeln, doch Kookie schien, als würde er das ebenfalls tun, deshalb kniff ich sofort prüfend die Augen zusammen und fragte nach. „Was ist los und wieso genau sollte ich kommen?" Er schniefte und breitete die Arme aus, um mich zu umarmen.

   „Ich... ich... Tae...", versuchte er, irgendwie einen Satz zu bilden, doch wurde von immer stärkeren Schluchzern geschüttelt.

   „Warte. Wir setzen uns hin, holen dir Taschentücher und, nachdem du tief durchgeatmet hast, erklärst du es mir ganz in Ruhe.", beschloss ich und streichelte ihm beruhigend über den Rücken. Er nickte an meiner Schulter.

„Also du möchtest, dass ich dir helfe, dir etwas Heißes zum Anziehen auszusuchen, damit du Tae eifersüchtig machen kannst, weil ihr Streit habt?" Als Kookie nickt, vergrabe ich den Kopf in beiden Händen. „Ihr seid fast so schlimm wie Yoongi und ich. Wenn ihr euch doch liebt, warum seid ihr nicht zusammen?"

   „Er... er will nicht. Er sagt, dass das unserer Karriere schadet, falls es rauskommt." Kookie schnieft und bricht wieder in Tränen aus.

   „Vielleicht solltest du einfach mit ihm reden? Es fällt doch bestimmt nicht auf, dass ihr euch trefft oder gut versteht. Ihr seid ja sowieso befreundet.", schlage ich vor, doch er schüttelt den Kopf.

   „Nein, ich glaube, er will das trotzdem nicht. Also hoffe ich einfach, dass er sieht, was er verpasst hat. Weißt du, was das schlimmste ist?" Auf meinen ahnungslosen Blick hin fährt er fort. „Wir haben später noch ein Interview und müssen vor der Kamera so tun als wäre alles normal und wir würden uns richtig gut verstehen." Er sieht völlig fertig aus und ich ziehe ihn auf meine Schulter.

   „Kookie, was hältst du davon, wenn wir uns einfach ganz oft treffen? Ich und Yoongi kommen momentan auch nicht wirklich gut miteinander aus, da könnten wir beide Ablenkung gebrauchen. Außerdem können wir beide eifersüchtig machen. Vielleicht kommen sie dann endlich wieder zu Sinnen und machen den ersten Schritt."

   Nachdem Kookie für ihr Interview wegen des Comebacks losmusste, fuhr ich ziellos durch die Stadt. Heute hatte ich keine Therapie, doch es wurde langsam Zeit, meine Haare abzuschneiden. Schweren Herzens hielt ich vor einem Friseur und erklärte mein Problem.

   Ich bedeckte meinen Kopf mit einer Mütze und der Kapuze meines Hoodies, doppelt hält besser.

Anschließend landete ich beim Friedhof, da ich automatisch diesen Weg eingeschlagen hatte. Heute war es auch nicht möglich, dass Yoongi mich dabei entdeckte und sofort Fragen stellte, von denen er mir dann nicht erlaubte, sie auch an ihn zu richten.

   Vor einem schlichten grauen Stein blieb ich stehen. „Hey, Eomma.", flüsterte ich.

   „Ich vermisse dich immer noch. Obwohl es leichter werden sollte. Früher haben sie gesagt, dass ich weitermachen soll und die Zeit, in der es mir erlaubt ist zu Trauern, irgendwann vorbei ist. Aber es ist so schwer. Es ist so verdammt schwer." Meine Stimme brach. „Jeden Tag mache ich mir Vorwürfe, weil es meine Schuld ist. Du hättest mir etwas sagen können. Dass ich nichts dafürkann. Ich weiß, es wäre gelogen, doch vielleicht wäre es ein wenig leichter gewesen." Ich hockte mich hin und senkte den Kopf. Nasse Flecken von meinen Tränen bedeckten den staubigen Kies unter meinen Füßen. „Ich habe niemanden mehr. Alle, die ich treffe, lassen mich nicht an sich heran oder ich bin ihnen zu viel. Was soll ich denn tun? Ich bin eben zu viel. Zu viel Arbeit, zu viel Stress, zu kompliziert, um sich um mich zu kümmern. Vor allem bin ich zu wenig lebendig. Manchmal wünsche ich, ich wäre dir nachgekommen. Vielleicht ist es da besser, wo du bist. Vielleicht wäre ich dort gesund. Ich hoffe, es macht dich glücklich. Glücklicher als du mit mir warst." Ich wischte mir mit meinem Jackenärmel über die Wange. „Falls du die Macht dazu hast, dann bring bitte Yoongi dazu, mich zu mögen. Denn unerwiderte Liebe ist einfach scheiße."

Jungkook:

Wir saßen zu sechst auf den Stühlen vor der Kamera und ich hatte mir ein breites Lächeln ins Gesicht gepflastert. Die Fragen, die uns gestellt wurden, beantworteten größtenteils die anderen, denn ich konnte mich keine fünf Minuten lang konzentrieren. Die Lichter hier blendeten mich, die Schminke verklebte mein Gesicht und es war viel zu warm. Außerdem saß Tae direkt hinter mir und ich konnte seine Anwesenheit nicht ignorieren. Ich könnte mit geschlossenen Augen durch das ganze Studio hier rennen und wüsste trotzdem genau, wo er saß.

   Mittlerweile kam mir das vor wie ein Fluch, denn ich würde ihn am liebsten vergessen, seitdem er mir eindeutig gesagt hatte, dass er mich liebte, aber nicht seine Karriere für mich gefährden würde. Wenn er das höher stellte als mich, könnte unsere Beziehung sowieso nicht lange halten. Es gäbe immer etwas, was ihm wichtiger wäre und das würde ich meinem Herzen nicht antun.

   Auf Yoongi war ich jedoch fast genauso sauer wie auf Tae, weil er Jimin fast dasselbe antat. Ich verstand seine Gründe, zwar nur, weil wir dabei waren, als er das durchgemacht hatte, aber jeder Blinde mit Krückstock würde erkennen, wie wichtig ihm Jimin war.

   Ich wusste genau, dass unser Manager nicht zufrieden mit mir sein würde, da mein Lächeln mit ziemlicher Sicherheit aussah, als wäre ich gerade angeschossen worden. „Jungkook?" Scheiße. Ich sah auf. „Ja?"

   Namjoon presste seine Lippen aufeinander und Jin legte ihm unauffällig eine Hand auf den Rücken. Die zwei waren fast seit unserem Debüt zusammen und ich beneidete sie wie so oft darum. „Ob du dich freust, auf Tour zu gehen?"

   „Klar. Ich liebe es, so viele Städte zu sehen und euch alle zu treffen." Ich strahlte in die Kamera und formte mit meinen Fingern ein Herz. Hoffentlich würde man mir meine gute Laune abkaufen.

   Auf einmal spürte ich warmen Atem in meinem Nacken und sofort stellten sich dort meine Haare auf. „Freust du dich auch, mit mir in einem Bett zu schlafen?", fragte die tiefe Stimme hinter mir und strich mir mit ihrem Daumen über die Haut an meinem unteren Rücken, wo mein Shirt aus der Hose gerutscht war.

   Wütend schlug ich seine Hand weg und richtete meine Kleidung. Dachte er, er konnte sich alles erlauben und so tun, als hätte er gestern Abend nicht mein Herz gebrochen? Sicher nicht.

   Die restliche Zeit über hielt er sich fern von mir und verschwand auch kurz nachdem wir mit den Dreharbeiten fertig waren. Ein bisschen schmerzte es mich, da es wohl wirklich endgültig vorbei war, doch ich sagte mir, dass es besser war, dass er früh genug aufgehört hatte, mit mir zu spielen.

𝚒𝚏 𝚢𝚘𝚞 𝚋𝚎𝚕𝚒𝚎𝚟𝚎 / 𝚢𝚘𝚘𝚗𝚖𝚒𝚗Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt