8

5.3K 97 3
                                    

Völlig egal, was ich erwartet hatte, das war es nicht. Ich hatte mir ein altes, zauberhaftes, vornehmes Herrenhaus vorgestellt, mit einem gigantischen Balkon und einer niedlichen Küche, doch nichts der Gleichen war der Fall. Der Balkon war riesig und weiß, genau wie das Haus, und statt einer Küche war eine lange Bar an der Seite des Fußes der Treppe aufgestellt. Das ganze Haus sah aus wie eine helle Villa, die durch ihre Inneneinrichtung einen asiatischen Touch abbekommen hatte. Es beschrieb tatsächlich Chos Charakter ziemlich gut.
Ginny wackelte neben mir nervös mit ihren Schultern. Sie hatte sich endgültig für das schwarze Kleid entschieden und dazu eine silberne Tasche, silberne Schuhe und sogar eine silberne Schleife angezogen.
Nach langem hin und her hatte sie mir ein rotes, sehr seidenes Glanz-Teil in die Hand gedrückt, in dem ich mich nun fast ein wenig unwohl fühlte, in Anbetracht der Tatsache, dass alle Augen auf mich gerichtet waren. Unsicher zupfte ich am Saum des Kleides herum, bis Ginny mir auf die Finger schlug.
,,Fass das nicht an! Du siehst toll aus. Super sogar." Sie blickte langsam an mir herunter. ,,Wäre ich ein Junge, wüsste ich, wen ich wählen würde. Also, komm   jetzt." Hoffentlich dachte er genauso.
Ich wandte mich wieder den Treppenstufen zu und stolperte sie mehr oder weniger hinunter. Das Szenario erinnerte mich an den Tanz, zu dem ich in unserem vierten Jahr aufgetakelt erschienen war und alle Blicke auf mich gezogen hatte. Nur mit dem klitzekleinen Unterschied, dass ich dort noch gewusst hatte, wie man eine Treppe hinunter lief. Eigentlich war ich Aufmerksamkeit gewöhnt, nicht unbedingt immer im guten Sinne. Wenn man immer die besten Noten, die schnellsten Antworten und die fehlerfreisten Ergebnisse hatte, musste man mit vielen Neidern rechen. Wie in meinem Fall. Dazu war ich nicht hässlich geblieben; an meinen buschigen Locken und meinem schmalen Gesicht hatte ich inzwischen viel Gefallen gefunden. Warum war ich überhaupt so nervös? Es gab niemanden, den ich zu beeindrucken suchte. Niemanden. Vielleicht glaubte ich es, wenn ich es mir oft genug einredete.
,,Hermine! Ginny! Ich freue mich so, dass ihr gekommen seid!" Cho rauschte auf uns zu, in einem langen, trägerlosen, weißen Kleid, das toll mit ihren schwarzen Haaren harmonierte. Sie sah aus wie ein asiatischer Engel. Sie strahlte mich an, gab mir eine kurze, aber herzliche Umarmung und musterte uns beide dann blitzschnell von Kopf bis Fuß. Ginny knabberte auf ihrer Unterlippe herum. Schnell stieß ich ihr in die Seite und sie straffte ihre Schultern. Richtig so. Es gab keinen Grund, sich von Cho einschüchtern zu lassen. Auch dann nicht, wenn sie mal wieder perfekt aussah. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und hörte Chos Gefasel nur halbherzig zu.
,,Jedenfalls ist es toll, dass ihr es doch noch geschafft habt! Ich dachte für einen Moment, wir wären zu wenige Mädchen. Wir müssen einen guten Ausgleich haben wegen... Partyspielen und so."
Hinten bei einer Sitzinsel entdeckte ich einen dunklen, lockigen Haarschopf, den ich als Blaise identifizierte. Mein Herz schlug schneller. Dann musste Draco auch hier irgendwo sein.
,,Ginny, ich liebe deine Schleife! Übrigens, falls du Harry suchst: er müsste entweder dahinten oder in meinem Zimmer sein. Es ist ganz oben. Hermine, dein Kleid ist fantastisch!", machte Cho ungerührt weiter.
,,Wieso oben?", nuschelte Ginny enttäuscht. Ich erkannte sie kaum wieder. Sie wirkte so... energielos. Chos makellose Erscheinung half da natürlich nicht weiter.
,,Ach, ich hab ihm das Haus gezeigt, und ihn kurz dort gelassen, um etwas zu trinken zu holen. Das war echt niedlich: er hat ständig mein Haar zur Seite gestrichen!"
,,Das hat er bei mir auch immer gemacht..."
Es fiel mir wahnsinnig schwer, mit meiner Wut auf Cho und meinem Mitleid für Ginny zu balancieren. ,,Geh einfach mal hoch", riet ich hier. ,,Er wartet dort bestimmt auf dich." Ich zwinkerte ihr zu, doch sie zuckte nur mit den Schultern und lief hinüber zur Wendeltreppe.
Cho lächelte breit und wandte sich um, um zur Küche zu gelangen. Mein Blick blieb noch lange auf ihr ruhen. Zwischen Harry und ihr war schon lange Schluss; sie hatte sogar schon zwei weitere Typen gedatet. Die beide Harry ziemlich ähnlich sahen, wie mir inzwischen auffiel. Tom Clausy und Wesley Bourt hatten beide schwarze Haare und eine Brille. Falls sie noch nicht über Harry hinweg war, musste Ginny ihn unbedingt beschützen.
Wer wusste schon, zu welchen Psycho-Spielchen Cho fähig war.

unconditional affairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt