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Hermines pov.:

Beherzt schlug ich das Buch zu. Der Knall war so laut, dass sich ein paar empörte Köpfe zu mir umdrehten, doch das konnte meine Euphorie nicht bremsen. Endlich hatte ich es geschafft; ich hatte das ganze Buch, welches wir zur Vorbereitung auf unsere Zaubertrankprüfung noch bekommen würden, auswendig gelernt. Ich hatte es mir etwas früher von Snape stibitzt, der ungewöhnlich gnädig mit meinem Wunsch umgegangen war. Nur zwei fiese Kommentare und ein belustigtes, schmallippiges Lächeln hatte ich über mich ergehen lassen müssen, doch mein Preis war dafür wertvoll genug. Ich war einfach dankbar, es so früh bekommen zu haben.
Seit mit Draco Schluss war, irrte ich wie ein Zombie mit an die Brust gepressten Büchern durch die Schule und hoffte auf Ablenkungen. Jetzt, wo die Prüfungen Monat für Monat näherrückten, wurde es besonders schlimm. Ich schlief nicht, aß nicht, weswegen ich schon gut drei Kilo abgenommen hatte, und lachte nicht. Das einzige, worauf ich sonst noch hinfieberte, war der Weihnachtsball. Einen ganzen Abend würde ich (hoffentlich) an nichts denken, das mit der Schule zu tun hatte. Und wer weiß, vielleicht würden meine Ablenkungsversuche bis in die Nacht hineinreichen... Ich sah jetzt schon vor mir, wie viele Toiletten auf der Höhe der großen Halle besetzt sein würden. Notgeile Zauberer und Hexen waren schon etwas witziges. Selten sah ich einen Unterschied zwischen dem Verhalten der Leute hier, und dem der Jugendlichen aus Mamas Highschool-Filmen, die wir immer zusammen auf der Couch bis spät in die Nacht hinein schauten.
Ich verließ die Bibliothek mit dem Buch vor der Brust und einem zufriedenen Grinsen im Gesicht. Heute war ein guter Tag.
Ah, doch nicht.
So schnell, wie ich konnte, huschte ich hinter eine Säule und presste mir die freie Hand auf den Mund. Wenn ich mich schon vor ihnen versteckte, dann richtig. Am Ende sahen sie, wie kindisch ich mich benahm, weil ich diverse Situationen einfach nicht aushielt.
,,Hmmm... Was ist mit Luna Lovegood?", hörte ich einen von ihnen fragen. Markie.
,,Willst du mich verarschen?", antwortete ein Anderer. ,,Ich suche jemand Interessantes und Geiles, und Luna ist nur eins von beidem."
,,Aber sie hat schöne Haare."
,,Naja, nur die Farbe recht passabel. Was ist mit dir, Draco?"
Die Schritte wurden immer lauter. Sie kamen näher. Zur Sicherheit zwängte ich mich noch weiter in das kleine Schlupfloch zwischen Säule und Wand hinein. Mein Kopf stieß hart gegen einen Kronleuchter, der wie aus dem Nichts aufzutauchen schien. Anstatt zu Fluchen biss ich auf meine Unterlippe, bis der dröhnende Schmerz an meinem Schädel nachließ.
,,Ich weiß nicht. Ich finde braune Haare irgendwie gut. Besonders wilde Locken."
,,Oh, wie aufregend und anders von dir." Theodore Nott, dessen haselnussbraunen Haarschopf ich in eben diesem Moment erkannte, schnaubte verächtlich.
Meine Finger begannen zu zittern. Redete er von mir?
Es war ihm durchaus zuzutrauen, innerhalb ein paar Wochen ein Mädchen zu finden, das ebenfalls braune, wilde Locken hatte.
Die Slytherins führten ihren Weg und ihr Gespräch fort, sodass ich bald unbesorgt hinter der Säule hervortreten, und selber weitergehen konnte.
Der Tag neigte sich dem Ende zu. Die Sonne warf ihre letzten, gelblich warmen Strahlen durch die alten Fenster hinein und durchflutete den Korridor mit Licht. Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus.
Ich würde das alles schon schaffen. Auch ohne Draco.
Vermutlich.

Dracos pov.:

Unauffällig ließ ich mich abermals nach hinten fallen. Aber nicht, um zu Blaise zu gelangen.
,,Warum so langsam, Malfoy?"
Na toll, es war ihnen aufgefallen. Wie auch nicht; sonst zog ich es vor, die Gruppe zu leiten. War ich einmal nicht dabei, übernahm das meistens Zabini.
,,Ich... Geht schonmal vor, ich komme nach. Ich habe meine Kräuterkunde-Bücher vergessen. Ich gehe sie nur schnell holen. Wir sehen uns beim Abendessen."
Nott sah mich eine Weile an, dann zuckte mit den Achseln und wandte mir seinen breiten Rücken zu.
Ich wartete noch kurz, dann drehte ich mich um und lief davon.
Immer schneller wurde ich; meine Schritte hallten von den Wänden ab.
Wenn ich mich nicht beeilte, war sie weg. Falls es sie überhaupt gewesen war. Aber wer sonst würde sich hinter einer Säule von mir verstecken?
Ich hatte keine Ahnung, was ich hier tat. Warum überhaupt der plötzliche Sinneswandel? Warum ging ich jetzt auf Jagd nach ihr, wenn ich ihr in den letzten Wochen ständig über den Weg gelaufen war? Gut, sie hatte sich immer weggeduckt wenn wir uns begegnet waren, aber irgendwann hätte ich sie schon erwischt.
Warum jetzt, wo es mir gar nicht garantiert wurde, dass es sich um Hermine handelte?
Ich kannte die Antwort.
Ich grinste, als ich ihre wehenden Locken schon von Weitem sah. Wusste sie, dass ich mit voller Absicht vorhin von ihren Haaren geredet hatte, weil ich wusste, dass sie sich da hinter der Säule verbarg? Vermutlich. Dumm war Hermine nicht gerade, wenn man bedachte, dass sie seit der ersten Klasse den besten Schnitt unserer Stufe hielt. Hätten die Gryffindors sie nicht in ihrem Haus, hätten sie wohl kaum so oft hintereinander den Hauspokal gewonnen.
Ich holte sie Stück für Stück ein, musste aber aufpassen, leise zu sein, damit sie mich nicht vorerst bemerkte. Hermine verlangsamte in genau diesem Moment ihre Schritte, sodass es mir ein leichtes war, sie an der Schulter zu packen, sie herumzudrehen und gegen die Wand zu pressen.

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