16I Closer

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George's PoV

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Alles geschah so schnell.
Erst der Fakt, dass er hier überhaupt nach drei Tagen aus dem nichts auftauchte und über mich her fiel aber dann am Ende weinend auf meinem Bett saß.

Ich war definitiv überfordert mit der Situation.

Ich hatte ihn noch nie so erlebt.
Mehrmals fragte ich mich, ob das wirklich Clay war, der dort saß.

Ich hätte niemals gedacht, ihn jemals in so einer Verfassung zu erleben. Er spielte ständig den harten Typen, der keine Gefühle hatte - dabei hatte er ganz klar welche. Er war schließlich auch nur ein Mensch.

,,Clay?'' rief ich seinen Namen.

Er starrte auf den Boden und nuschelte Sachen vor sich hin.

,,Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist...''

Er vergrub sein Gesicht, vermutlich damit ich nicht sah, dass er weinte.

,,Ich bin ein Wrack George, dass war ich schon immer...''

In mir braute sich ein Gefühl zusammen, dass ich nicht beschreiben konnte.
Ihn so zu sehen, tat mir tatsächlich leid.

Ich fragte mich, warum er ausgerechnet zu mir kam. Ich war mir sicher, dass er nicht nur hier her kam, um über mich herzufallen.

War ich so etwas wie sein Anker? Jemand, der ihm halt gab?

Da ich noch immer nicht wusste, was ich sagen sollte, blieb ich einfach still. Ich zog ihn stattdessen in eine Umarmung.

Wenn ich eins über Clay mittlerweile wusste, dann das er nicht gerne über die Sachen sprach, die ihn belasteten.

Ich spürte, wie mein Shirt an meiner Schulter nass wurde.

Ich war echt mehr als nur überfordert. Diesen Clay kannte ich nicht und es machte mir ehrlich gesagt ein wenig Angst. Wiederrum empfand ich aber auch Mitleid und Sorge.

Es musste etwas geben, dass ihm wirklich zu schaffen machte.

,,Für sein Verhalten gibt es Gründe'' erinnerte ich mich an das, was Nick einmal zu mir sagte.

Als er sich plötzlich von meiner Schulter löste und mir mit seinen glasigen Augen in meine schaute, machte mein Herz einen Satz.

Wie konnte jemand, der weinte so wunderschön aussehen?

,,Du hast etwas besseres verdient, ich tu dir nicht gut'' sagte er plötzlich, während er mir noch immer in die Augen schaute.

Es fühlte sich an, als würde er in meine Seele schauen, so durchdringend war sein Blick.

,,Ich bin kein guter Mensch...'' sagte er nun.

Was war ich dann? Ich wollte ihn ausnutzen, verletzen und leiden sehen und er behauptete, dass er ein schlechter Mensch wäre? Ja, er hatte viele schlechte Sachen getan aber ich war kein Stück besser als er.

Ich wusste nicht, was in mich gefahren war aber, als er sich nach vorne lehnte und die letzten Zentimeter zwischen unseren Lippen schloss, fühlte ich etwas, dass ich ebenfalls nicht beschreiben konnte.

Es war anders.

Er löste sich, schaute mich noch einmal an und stand auf.

,,Ich sollte gehen'' murmelte er.

Er lief zur Türe.

,,Warte'' rief ich.

Er drehte sich um und schaute mich an.

,,Ich komme mit''

Ich stand auf, zog mir eine schwarze Strickjacke über mein weißes Shirt und meiner grauen Jogginghose und lief mit ihm aus dem Gebäude.

Während wir liefen, sagte zunächst niemand etwas.
Ich wusste auch nicht, ob ich etwas sagen sollte oder, ob es wieder falsch wäre.

,,Weißt du, ich war früher ein normaler Junge, wie jeder andere auch...'' fing er an zu reden.

Ich hörte ihm aufmerksam zu und blieb still.

,,Mein Vater - meine Eltern, haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin'' fuhr er fort.

Es hatte also etwas mit seinen Eltern zu tun.

,,Mein Charakter ist wie ein Schutzmechanismus. Er hält Menschen von mir fern.'' 

,,Aber du hältst dich nicht von ihnen fern'' wandte ich ein.

,,Bei Mädchen ging es mir nur um den Spaß, ich war nie auf etwas ernstes aus. Dementsprechend habe ich sie auch behandelt. Auch, weil mir ihre Gefühle egal waren. Aber du? Du bist etwas anderes'' entgegnete er.

,,Inwiefern bin ich etwas anderes?'' fragte ich ihn.

,,Du bist George'' sagte er.

,,Ja? Und du bist Clay?''

,,Du bist besonders'' sagte er nun.

Clay Gordon nannte mich besonders?
Es war eigentlich noch immer ungewohnt für mich, überhaupt mit ihm zu sprechen - überhaupt mit ihm hier zu sein und dennoch war ich es.

,,Was hat es mit deinen Eltern auf sich?'' fragte ich ihn nach einer Weile.

Er seufzte und starrte in den Nachthimmel, der sich aufstaute.

Er fing an mir zu erzählen, was er durch machen musste, was es mit seinen Eltern auf sich hatte und warum er so war, wie er war.

Ich hörte ihm durchgehend aufmerksam zu.
Mir fiel auf, dass es ihm nicht leicht fiel darüber zu sprechen. So dankbarer war ich, dass er sich mir öffnete.

Etwas veränderte sich an diesem Abend zwischen mir und Clay.

Mein ganzer Plan? Der wurde mit einem Schlag über Bord geworfen. Ich konnte mich selber nicht mehr dazu überwinden, ihn nach dem er sich mir anvertraute und ich nun seine Geschichte kannte, ihn so etwas an tun.

Ich wollte es ehrlich gesagt auch überhaupt nicht mehr.

Wie Nick einmal sagte, er war kein schlechter Mensch.
Andere Menschen - seine Eltern - machten ihn zu diesem Menschen.

Ich war mir sicher, dass es nur der Anfang seiner Fassade war, die er ständig aufrecht erhielt. Ich wollte sein ganzes Gesicht sehen - sein wahres - und nicht das, was er vorgab zu sein.






You're my weaknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt