𝐴𝑢𝑓 𝑀𝑖𝑐ℎ 𝑊𝑎𝑟𝑡𝑒𝑛 𝐷𝑖𝑒 𝑆𝑡𝑒𝑟𝑛𝑒 ✔︎

24: Punkte.

Da wir vorgestern damit verbracht hatten über Jakobs Vergangenheit zu reden und der gestrige Tag auch in das Wasser fiel, da wir bis vier Uhr nachmittags geschlafen und dann geknutscht hatten, warfen wir die Pläne weg, immerhin stand heute Bondi Beach auf der Tagesordnung. Allerdings waren wir gestern die ganze Nacht dort gelegen, weshalb wir beschlossen das Opernhaus zu besichtigen, ohne Das gesehen zu haben, konnte man Sydney schließlich nicht verlassen.

Allerdings merken wir beide, dass man mit mir nur schleppend vorankommen würde. Meine Füße sind schwer wie Blei, aber nicht, weil wir schon so viel gelaufen sind, sondern weil meine Atmung es schwer macht auch nur einen Schritt zu gehen, ohne die komplette Anstrengung zu spüren.

Immer wieder wirft Jakob mir einen besorgten Blick von der Seite zu, fragt mich nach jedem Schritt, ob ich noch kann. Mit einem lauten Seufzer lasse ich mich auf die Bank einer Bushaltestelle fallen, die voll mit schwarzen Kritzeleien und abgewetzten Aufklebern ist, und wische mir mit einer schnellen Handbewegung den Schweiß von der Stirn. „Der nächste Bus zum Opernhaus kommt in drei Minuten" Jakob setzt sich neben mich. Zu gern hätte ich meinen Kopf an seine Schulter gelehnt, aber wir stinken, schwitzen und überhaupt trägt die heiße Luft nicht gerade zu einer besseren Atmung bei.

Ich sauge tief die Luft ein, halte sie für ein paar Sekunden in mir, bevor ich sie laut ausstoße und daran denke, wie oft ich das schon getan habe. Ich war vier, als Dr. Götz mir beibrachte, wie man effektiv atmet, damals hielt ich das für Stuss, aber da konnte ich auch noch normal atmen und wusste nicht, wie schlimm das ganze ein paar Jahre später werden würde.

Ich ziehe mein Handy aus meiner hinteren Hosentasche, als es vibriert und schalte es an, um die Nachricht zu lesen. Habe gelesen, dass es da echte Haifischzähne gibt! Bring mir so einen mit. Ich lache kurz und scheibe zurück: Klar, ich geh mal schnell mit einem Hai kämpfen, bin gleich wieder da.

Jo, bis gleich

Mein Bruder ist und bleibt ein Idiot.

„Hey, Lou?" Ertönt Jakobs Stimme leise neben mir und ich drehe meinen Kopf in seine Richtung. „Danke." Sagt er und fügt ein „Dafür, dass du mich nicht verurteilst." Hinzu, als ich ihn mit schief gelegtem Kopf ansehe. Dann lächle ich. „Ich habe das alles zu lange verdrängt, alles verschwommen gesehen, was meiner Vergangenheit angehört, dabei hätte ich es jemandem erzählen müssen, um besser damit klarzukommen. Ich schätze ich werde es nie vergessen können, es ist immer noch ziemlich verschwommen, aber es hat gut getan zu reden."

Lächelnd drücke ich ihm einen Kuss auf die Wange. „Du sollst es nicht vergessen und weißt du, vielleicht sehen wir manchmal alles so verschwommen, weil wir die Realität nicht klarsehen wollen. Aber ich bin froh, dass du mir davon erzählt hast, danke." Glücklich küsst er mich auf die Schläfe und wir warten auf den Bus.

Mein Handy vibriert über der langweiligen, durchsichtigen Hülle, die die Abdrücke meiner verschwitzten Finger zeichnet und über meine Hand gleitet.

Und? Hast du einen Zahn?

***

„Jakob?! Bist du es wirklich?!"

Eine schrille, weibliche Stimme tönt laut durch den Bus, in dem wir sitzen, mein Kopf dreht sich nach hinten, um herauszufinden, woher die Stimme kam. Der Bus ist stark überfüllt, auf jeden der Sitze, die von abgenutztem, blauen Stoff überzogen sind, quetschen sich ungefähr drei Menschen, auch der Mittelgang ist überbelegt und bietet den Aussteigern kaum Platz, um zur Tür zu kommen. Kurz gesagt ist es unmöglich die Stimme einer Person zuzuordnen, es gibt mindestens fünf Mädchen in diesem Bus, die diese Stimme tragen könnten.

Als ich zu Jakob schaue, sehe ich, dass er die Augen zusammenkneift und still den Kopf schüttelt. Kleine Fältchen bilden sich um sein Sehorgan und auch die Stirn ist gerunzelt und faltig, wie bei einem alten Opa, der versucht die Zeitung zu lesen. Dann dreht er meinen Kopf wieder nach vorne und sagt: „Lass das."