28 Beth

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"Du musst nicht." Nora legte ihren Arm um sie und sah zu ihr. "Das wird alles wieder. Das war bestimmt das Revier, das eben bei Arvid angerufen hat." Beth schüttelte den Kopf. Ihre Augen waren geschwollen, rot unterlaufen. Die halbe Nacht saßen sie nun bei Nora auf der Couch und versuchten Beth zu trösten. Ihr auszureden, dass es nicht ihre Schuld sei. Vor einigen Minuten hatte Arvids Handy geklingelt, es war das Revier. Sie hatten Elias mitgenommen, Phil war im Krankenhaus. "Er hat es verdient." Nora sah verwirrt zu Beth, die immerhin ihr Kleid gegen eine Leggings und einen Pullover getauscht hatte. "Phil?" "Nein. Elias." Nora runzelte die Stirn und sah sie schief an.

"Er hat es verdient, am besten sollten wir ihn dalassen." Kenneth sah aus der Ferne zu ihr, er saß am Esstisch und wackelte ungeduldig mit dem Fuß. "Er ist krank. Aggressiv." "Er will dich beschützen." Nora wusste, dass es trotzdem übertrieben war. "Da hätte ein verbaler Eingriff gereicht. Oder ein Schlag. Aber doch nicht sowas." Beth griff nach einem weiteren Tuch und wischte sich die Tränen weg. Kenneth stand auf und lief zu den beiden. "Das war arg, ich weiß. Das kann man nicht romantisieren oder so. Er hat überreagiert, aber er hatte Angst, dass dir etwas passiert." Kenneth setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm. "Beth, was willst du jetzt tun?" Ihr Blick war starr auf das Fenster gerichtet, die Sonne ging bald wieder auf. "Wegen dem Kuss?" Die Frage war eher an sich selbst gerichtet, Kenneth sah sie fragend an, hielt sich jedoch zurück. Das hatte er nicht gemeint, aber gut, jetzt wusste er auch davon. "Ich weiß es nicht." Ihre Stimme brach, sie versuchte konzentriert zu atmen und die Kontrolle über ihre Tränendrüse zu erlangen.

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Arvid schloss die Tür hinter sich und sah die drei an. Er selbst hatte einen kleinen Kratzer an der Stirn, doch dieser war nichts im Gegensatz zu Phils und Elias Gesicht. Er klopfte sein Handy nervös gegen seine Handfläche und sah zu Boden. "Wir können ihn holen." Vorsichtig sah er wieder auf, Beth rutschte das Herz in die Hose, doch sie gab ihr bestes nicht erneut zu weinen. Kenneth sah ihn verwirrt an. "Der Arsch kann froh sein, dass er so viel Promille hatte." Kenneth nickte verständlich und sah zu Nora.
"Das ist mir jetzt superpeinlich", Arvid sah zu Beth und kratzte sich verlegen am Hinterkopf, "aber keiner von uns könnte schon wieder fahren. Nur du." Arvid sah zu Beth, welche schluckte. Sie hatte am wenigsten getrunken. Genauer genommen bloß einen Becher. Und da sie seit mehreren Stunden warteten, war sie vermutlich wieder nüchtern. Doch sie wollte ihn nicht holen, sie konnte ihn nicht sehen.

"Du musst nicht, wir können ihn auch dalassen, verdient hätte er es." Arvid hatte Recht damit. Doch auch wenn alle zustimmten, solche schlechten Freunde wollten sie insgeheim alle nicht sein. "Ich mach's. Ist gut." Nora sah sie gequält an. "Beth du musst nicht, wirklich." Sie zuckte mit den Schultern. Ihr kamen erneut die Tränen hoch. "Ich weiß, aber ich bin kein schlechter Mensch." Sie legte die Decke weg, in der sie sich eingekuschelt hatte und stand vorsichtig auf. "Lass uns bitte jetzt los, bevor ich es mir anders überlege." Arvid nickte hastig und zog sich seine Schuhe an. Auch Nora und Kenneth standen auf und liefen Richtung Haustür. "Bist du dir sicher?" Kenneth sah sie besorgt an, doch sie nickte.


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"Sie sind der Bruder?" Ein älterer Herr sah die beiden erwartungsvoll an, Arvid nickte. "Sie sind wahrscheinlich Beth." Verwirrt blickte sie den Mann an, der sie musterte. Langsam nickte sie und er seufzte. "Miss.." "Ross." "Miss Ross, es tut mir leid, aber wir müssten ihnen ein paar Fragen stellen. Er hatte mehrmals behauptet, er wollte sie schützen. Auch Zeugen waren dieser Meinung." Beth schnürte es die Luft ab, doch was blieb ihr anderes übrig.

"Ihr Name?" "Elizabeth Harper Ross." "Ihr Alter?" "23." "Wo waren Sie zum Zeitpunkt des Geschehens?" "Ich stand direkt daneben." Sie schluckte schwer, er sollte aufhören. "Können Sie mir schildern, wie es dazu kam?" Können ja, wollen nein. Sie sah an dem Mann vorbei, doch egal wohin sie sah, die Bilder ließen nicht von ihr ab. "Der junge Mann- Phil hatte mit mir erzählt. Erst war es ein normales Gespräch, bis er mir näherkam und Körperkontakt suchte. Ich- Ich habe ihn aufgefordert es zu lassen, was Elias aus der Entfernung wohl mitbekommen hatte. Als ich ihn erneut auffordern wollte, war er plötzlich da und hat ihn von mir gerissen." Sie wackelte nervös mit dem Fuß und sah auf den Tisch. "Sie sagen zusammengefasst also, dass Sie belästigt wurden und er Ihnen helfen wollte?" Zögerlich nickte sie, der Mann machte sich Notizen. "Wollten Sie, dass er eingreift?" "Ich wollte es alleine klären." "In welcher Beziehung stehen Sie zu ihm?" Sie schluckte schwer, in ihr zog sich alles zusammen. Genau, in welcher Beziehung stehst du zu ihm? "Miss?" Sie seufzte und sah zu dem Mann auf. "Wir sind- wir sind Freunde." In ihren Augen sammelten sich erneut die Tränen. "Entschuldigen Sie falls diese Frage zu weit geht, aber sind Sie wirklich nur Freunde?" Eine Träne kullerte über ihre Wange. "Exfreunde, die sich lieben, aber sich keine Beziehung zutrauen. Wieso erzähl ich das, tut mir leid." Sie lachte über sich selbst und wischte die Träne weg.

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