22 Beth

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"Erde an Beth?" Sie zuckte zusammen, ihr Herz setzte einen Schlag aus und sie sah von ihrem Handy auf. "Was schaust du dir denn immer wieder so gedankenverloren an?" Kenneth sah sie misstrauisch an und deutete auf ihr Handy. Sie schluckte schwer und machte es aus. "Nichts." Eine unfassbar schlechte Lüge. Noch schlechter wurde sie, da ihre Stimme zitterte und brach. "Beth." Kenneth seufzte und sah ihr in die Augen. Ihr Magen drehte sich herum, sie hatte heute noch nichts gegessen, sie hatte kaum Kraft, um wach zu bleiben. Mit zittrigen Händen schob sie ihr Handy über die Kücheninsel zu ihm, vorsichtig griff er danach. Er sah sie besorgt an, sie hatte eine Vorahnung, dass sie fertig aussah. Als er es anschaltete blickte sie weg, sie betrachtete die Holzmaserung der Platte, als hätte sie sie noch nie gesehen. Sie wollte nicht hören, was er sagte, sie wollte nicht sehen, wie er reagierte.

"Von wann ist das?" Sie ließ ihren Blick nicht von der Platte ab. "Heute Nacht." Sie schloss die Augen und schluckte schwer. "Okay, das- ach du heilige-" Sie nickte sanft und verkniff sich einen Blick zu ihm. "Aber an sich ist das doch gut, oder? Ich mein, jetzt weißt du definitiv, dass er dich irgendwie wohl mag." "Ich weiß nicht, Kenneth." Sie blickte zu ihm hoch und rieb sich die Augen. "Gestern war es generell etwas seltsam und dann das? Ja, das könnte eigentlich etwas Gutes sein, aber naja, ich weiß nicht so Recht." Sie bekam ihr Handy wieder zurückgeschoben, doch er ließ es an, sodass sie die Nachrichten wieder sah. Sie hatten sich in ihr Gehirn gebrannt, sie wurde sie nicht mehr los.

"Was hast du gefühlt, als du sie gelesen hast?" Sie sah auf den Bildschirm und schluckte schwer. "Ich-" "Beth, beantworte einfach die Frage. Reines wiedergeben deiner Gefühle." Sie seufzte und legte den Kopf auf den Tisch. Wie konnte sie das bloß beschreiben? "Einmal alles, um ehrlich zu sein. Ich habe geweint, mein Herz hat sich zusammengezogen, es tat weh- aber ich war auch glücklich, verwirrt, sauer, ein wenig wütend." Er nickte vorsichtig und kratzte sich am Hinterkopf. "Okay, Gefühlschaos. Verständlich bei solchen Nachrichten. Hast du den Anruf angenommen?"
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich wurde dadurch wach, aber da hatte er wieder aufgelegt." Ihr Blick schweifte erneut über die Buchstaben. Immer wieder las sie die Nachrichten, vor Hoffnung oder Sorge, dass sie sich verlesen hatte.

Mitten in der Nacht hatte ihr Telefon geklingelt und sie geweckt. Es war Elias, der sie angerufen hatte, der ihr, bevor sie antworten konnte und fragen konnte, ob alles in Ordnung war, schrieb, dass er sie nicht anrufen wollte. Also hatte sie ihr Handy wieder weggelegt und wollte weiterschlafen. Aber keine fünf Minuten später schrieb er ihr. Bis jetzt hatte sie noch nicht darauf geantwortet, sie wusste nicht wie. Kenneth griff nach ihrem Handy und zog es erneut aus ihrem Sichtfeld. "Und seitdem hat er auch nicht mehr geschrieben?" Sie nickte. "Nicht einmal, dass er betrunken war und das nicht wollte." Kenneth lachte leise auf.

"Warum sollte er dich auch anlügen Beth?" Sie schluckte schwer. War es die Wahrheit? Sie zog eine Augenbraue in die Höhe, weshalb Kenneth die Augen verdrehte. Er räusperte sich und sah auf die Nachrichten:


»Scheiße.«
»Nein, ich wollte.«
»Ich wollte dich anrufen und deine Stimme hören, dich lachen hören.«
»Ich will dich hier bei mir.«
»Ich weiß, wir sind nicht in unserer besten Phase.«
»Aber ich vermisse dich.«

"Beth, er meint es so. Sechs einzelne Nachrichten. Nacheinander." Ihre Augen wurden feucht, sie biss sich auf die Unterlippe und nickte. "Und du?" "Ich brauche noch Zeit.", ihre Stimme zitterte, sie war so leise, dass sie nicht wusste, ob er sie verstanden hatte. Aber er nickte vorsichtig. "Die wird er dir geben." "Ich weiß nicht einmal, ob er morgen kommt, ich weiß nicht, ob ich will, dass er kommt." Kenneth seufzte. "Warum?" "Weil ich nicht weiß, wie ich reagieren würde, wenn ich ihn sehe." Er nickte verständnisvoll, sagte jedoch nichts mehr. Sie beide wussten, dass dieses Gespräch sonst kein Ende nehmen würde. "Na gut. Lass uns Mal Nora abholen." Er sah auf seine Armbanduhr und drückte sich von Tisch ab. Beth fing an zu Grinsen, darauf hatte sie sich schon so lange gefreut.

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"Na sieh Mal einer an!" Mit vollen Koffern schlenderte Nora durch die Menge auf uns zu und grinste uns mit einem breiten Lächeln an. Kenneth stand neben Beth und konnte sich das Grinsen nicht mehr verkneifen. Die beiden hatten sich schon lange nicht mehr gesehen, noch länger als Beth und sie. Auch Beth fing an zu Grinsen, ließ jedoch Kenneth den Vorrang, bei dem sie Tränen in den Augen entdeckte. Sanft schob sie ihn ein Stück nach vorne und er lief die letzten Meter auf Nora zu, bis er sie endlich wieder in seinen Armen hielt. Mit einem zufriedenen Lächeln beobachtete Beth die beiden, wie sie sich in den Armen lagen und küssten. Es war, als würde ein Stein ihr Herz zerdrücken, während sie ihnen zusah. Ein wenig Neid empfand sie schon, wenn sie die beiden so glücklich zusammen sah. Das Strahlen in ihren Augen, wenn sie sich sahen, das Lächeln, all das hätte sie auch gerne- sie würde auch gerne so angeschaut werden wie Kenneth Nora ansah. Doch die beiden lösten sich voneinander und Nora stürmte auf Beth zu und fiel ihr um den Hals. "Du bist hier!" Die beiden drückten sich lange, Nora lachte leise und nickte. "Sogar einen Tag früher als geplant."

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"Also, wie machen wir's?" Nora schnallte sich an, Kenneth musste ihr den Beifahrersitz überlassen und auf die Rückbank rutschen. "Meine Mum hat eine Nachtschicht, das heißt ich würde erst heim und dann komme ich zu dir oder ihr zu mir?" Sie sah Beth an, welche ausparkte und die Straße entlangfuhr. "Wie du magst, ich habe Zeit." "Ich auch." Nora drehte sich zu Kenneth und lächelte ihn an. "Ihr zwei könnt auch gerne erst einmal etwas Zeit zu zweit-" Nora ließ ihre beste Freundin nicht einmal zu Ende aussprechen. "Nix da, Beth. Wir drei, wie immer." Sie nickte ab, sie hatte keine Chance gegen Nora. "Und dein Geburtstag? Wer kommt, was gibt's noch zu tun?" Beth seufzte. "Muss ich denn schon wieder Geburtstag haben?" Die beiden wussten, dass sie es hasste. Doch in einer kleinen Runde zu feiern, würde sie schaffen. "Die üblichen. Wir können morgen einkaufen gehen und vorbereiten." Nora nickte zufrieden und lehnte sich zurück. "Habe ich noch etwas verpasst die Letzten ein zwei Tage?" Nora sah zwischen den beiden hin und her. Sowohl Kenneth als auch Beth schwiegen peinlich berührt, Beth konzentrierte sich auf die Straße und hoffte, dass sie noch ein wenig Zeit hätte, bevor sie Nora einweihen müsste. Doch Nora seufzte auf und fing an zu Lachen. "Thema Elias also." Kenneth hielt inne und blickte Beth durch den Rückspiegel an. Nora schielte zu Beth und seufzte laut. "Ich verstehe."

Ein wenig Liebe    ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt