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Flashback

Mit einem lauten Knall landeten die Drumsticks an der Wand. Ich war so ein Idiot. Mein Blick wanderte zur Wand, an der die Uhr hing. Ich wollte nicht gehen, sie wieder sehen. Seitdem sie auf meiner Schule war, lief ich ihr mehr über den Weg, als ich wollte. Ich wollte für sie da sein, sie aus der Situation herausholen, in die ich sie gesteckt hatte. Sie hatte wegen mir Schule gewechselt. Nicht, um auf meiner Schule zu sein, sondern um weg von den anderen zu sein. Mich zu sehen, schien das kleinere Übel zu sein. Aber für mich war es die Hölle. Es fühlte sich so falsch an, aber es war der beste Weg sie zu schützen, da war ich mir sicher. Ich stand vom Hocker am Schlagzeug auf und schnappte mir meine Tasche. Die ersten Stunden waren bereits um, Geschichte war mir egal, stattdessen spielte ich, um meine Emotionen abzulassen. Emotionen bräuchte ich außerhalb dieser vier Wände nicht.

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"Auch Mal hier?" Arvid fing mich am Eingang ab und lief neben mir die Flure entlang. Anstatt ihm zu antworten, lief ich schweigend mit ihm mit. Auf seine Kommentare hatte ich keine Lust, er konnte froh sein, dass ich überhaupt hier war. Wir liefen über den Innenhof in Richtung Gruppe, doch als wir näherkamen und ich Beth entdeckte, zog sich mein Herz zusammen. Sie saß auf einer Tischtennisplatte neben Leolas und erzählte mit den anderen. Sie trug eine kurze Jeans, ein weites Poloshirt, als sie lachte, überkam mich ein kribbelndes Gefühl. Nein, ich konnte sie nicht sehen. Nicht, ohne sie zu küssen, ihre Nähe zu spüren. Aber sie war nicht meins, dafür hatte ich gesorgt. Ich wusste nicht einmal, ob sie mich sehen wollte, schließlich war ich derjenige, der sie verletzt hat. Seitdem hatten wir kaum geredet, keiner von uns kontaktierte den anderen, auch, wenn ich sie so gerne angeschrieben hätte, ihre Stimme gehört hätte. Wollte sie es auch?

"Ich geh dann Mal." Ich sah meinen Bruder beim Laufen an und er verdrehte die Augen. "Mach das. Geh dir eine suchen, die du vögeln kannst, um Beth zu vergessen." Mit entwisch ein Schnaufen. "Das mache ich doch gar nicht. Ich brauche niemanden, um sie zu vergessen." Arvid lachte bitter auf. "Klar, weil du sie ja nie geliebt hast. Dann komm doch mit und beweis es uns." Keinesfalls. Kommentarlos drehte ich um und lief in die entgegengesetzte Richtung ins Gebäude. Natürlich wollte er sie vergessen. Je weniger er an ihr hing, desto leichter wäre es für sie und ihn. Doch der Rest musste ja nicht wissen, dass er sie tatsächlich noch liebt. Oder sie jemals geliebt hat. So wäre sie nur eine von vielen, die er um den Finger gewickelt hatte. Auch, wenn sie eigentlich viel mehr als das war, er wollte sie nicht so abstempeln wie die anderen, sie hatte das nicht verdient. Doch wenn sie für die Außenwelt auch nur eine von vielen wäre, würde ihr nicht nachgestellt werden, dass Liebe mit im Spiel war, dass sie gedacht hätte, dass sie etwas Besonderes wäre. Es wäre im Endeffekt leichter. Er wusste, dass sie die erste war, die sein Herz schneller schlagen ließ, er hoffte, sie wusste das auch.

Doch er müsste sie vergessen, was am besten ging, wenn er sie nicht sah. Je weniger wir beide zusammen gesehen werden, desto schneller hören die Gerüchte auf. Es war Glück im Unglück, dass diese Beziehung nicht hielt, dass die anderen sie nicht lange an meiner Seite sahen. Die Wochen waren schlimm genug für sie. Und mein typisches Verhaltensmuster würde dazu beitragen, dass keiner bemerkte, dass sie etwas Besonderes war. All das klang furchtbar dumm, doch es war das Beste, was mir eingefallen war, um sie von den Kommentaren zu erlösen. Aber Arvid hatte Recht. Den Kummer, die Wut in Sex zu ertränken war das, was ich seit Jahren machte. Es funktionierte, es war nichts zum Prahlen, auch wenn andere Jungs es cool fanden und unterstützten.

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Seit meine Schwester Anniara gestorben war, nahm das ganze seinen Lauf. Beth hatte es geschafft, meine Trauer zu heilen, sie war das Beste, was mir passiert ist. Und selbst das hatte ich falsch gemacht. Sie wurde als Schlampe abgestempelt, als eine von vielen. Auch, wenn sie es eigentlich nicht war. Sie hatte das unterbrochen, für sie hätte ich alles aufgegeben. Aber jetzt verfiel ich wieder in dieses Muster, diese Verhaltensweise und ich wollte nichts dagegen tun. Ich hatte nie mit ihr geschlafen, was ich auch nicht bereute, schließlich wollte ich nichts falsch machen bei ihr.

"Elias." Chrissi kam mir entgegen und grinste mich verführerisch an. Am liebsten würde ich umdrehen und gehen, aber wohin? Es waren andere Menschen im Flur, keiner meiner Freunde war in Sichtweite. Also atmete ich tief durch und setzte die Maske auf, die mich nun seit Jahren begleitete. Eine Maske, ohne die mich kaum jemand kannte.

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