21 Elias

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"Es ist halb vier in der Nacht, was hast du angestellt?" Seine Lippe schmerzte, so sehr kaute er auf ihr herum, während er ungeduldig durch sein Zimmer lief. "Es ist erst halb drei hier bei- Adalia, ich habe es verhauen. Ich war zu schnell, ich glaube ich habe es vermasselt-" "Du bist betrunken. Ich habe das Gefühl, ich rieche deine Fahne durch das Handy." Ihm entwich ein Seufzer, er sah aus dem Fenster über dem Bett. Das Licht des Mondes schien in sein Zimmer hinein, mehr Licht brannte nicht. Er schloss die Augen und atmete tief ein, tief aus. "Beruhige dich erst einmal und setz dich." Seine Schwester klang verschlafen, was um die Uhrzeit auch Sinn ergab. "Also. Was hast du angestellt?" Wie befohlen setzte er sich auf die Bettkante und ließ sich der Länge nach auf das Bett fallen.

"Wenn sie jetzt nicht verstanden hat, was ich für sie empfinde, dann weiß ich auch nicht mehr." Seine Schwester lachte spöttisch auf. "Weil du es ja auch so oft probiert hast. Du weißt schon, dass sie deine Gedanken nicht lesen kann?" Er seufzte, der Alkohol war zu viel. Er hatte mächtig zu viel getrunken. "Sie hat es beendet." "Was beendet?" "Ja den Moment. Ich- also ich- beinahe habe ich mich versprochen und wollte näher, aber sie hat abgeblockt." "Elias, kannst du bitte ordentlich, chronologisch erklären was passiert ist? Ich kann dir nicht folgen, vor allem wenn du so lallst." Er schloss die Augen, alles begann sich zu drehen. Auf einmal hörte er wieder ihr Lachen, er sah sie lächeln. Die Tränen in seinen Augen sammelten sich, er müsste stark bleiben.

"Sie hat den Job hier bekommen, überlegt aber noch, ob sie ihn annimmt. Wir haben da ein wenig drüber gequatscht- ich war mit Leo bei Tarjei übrigens- und dann habe ich sie über den Typen in Norwegen etwas ausgefragt. Wusstest du das? Was ne Frage." Er fing an zu lachen. "Natürlich wusstest du Bescheid. Aber verstehst du das? Wie in aller Welt kann man Beth betrügen oder langweilig finden? Ich könnte einen ganzen Roman über sie schreiben -nein, hunderte- und wäre trotzdem noch nicht fertig. Wie blind kann man sein?" Adalia blieb still, vermutlich hörte sie ihm zu und sagte erst etwas, wenn er sich fertig ausgekotzt hat. "Und dann hat sie mich gefragt und ich Trottel habe natürlich ihre Frage, ob ich nach der Liebe Ausschau halte, bejaht. Danach konnte ich einfach nicht mehr von ihr absehen. Ihre Reaktion war merkwürdig. Aber naja. Als wir gegangen sind hat sie sowas wie »trink nicht zu viel« gesagt, als würde sie sich um mich sorgen. Dann habe ich gesagt, dass ich ihr schreibe, woraufhin sie irgendwas Kompliziertes gesagt hat und-" "Was genau?"

Er hielt inne, seine Gedanken spielten verrückt, er bekam keine Ordnung in seinen Kopf. "Sie hatte gefragt, ob ich dann so betrunken bin, dass ich sie vermisse und ihr deshalb schreibe oder ob ich sie so vermisse, dass ich mich betrinke und ihr schreibe. Und ich habe natürlich geantwortet, dass ich ihr schreibe, damit sie sieht, dass ich sie liebe." Er hielt inne. "Also nein. Nicht so." Er hielt sich den Kopf, er musste brechen, ihm wurde immer schlechter. "Damit sie sieht, dass sie mir auch im betrunkenen Zustand am wichtigsten ist. Und jetzt muss ich aufhören zu denken, sonst muss ich Kotzen." Er hörte seine Schwester zustimmen. "Dann war der Moment so komisch und ich hätte sie gerne geküsst, aber sie hat abgeblockt. In der Bar war's dann natürlich sehr Alkohol lastig, ich musste alles für mich behalten, ich kann ja ihrem Bruder schlecht davon erzählen." "Tarjei weiß es doch, Elias." Er schnappte nach Luft, ihm wurde noch schlechter. "Tarjei ist nicht dumm, außerdem hofft er darauf, dass ihr das endlich Mal klärt." Elias setzte sich vorsichtig aufrecht hin, die Welt hörte auf sich so schnell zu drehen.

"Adalia, ich bin zu betrunken, um zu denken. Aber in der Bar bin ich zu einem Entschluss gekommen, den ich für logisch empfinde. Ich will deine Seite hören. Was ist deine Analyse von all dem?" Er hörte sie seufzen, dann etwas klappern. "Das ist klar. Du liebst sie, sie liebt dich. Ob sie es sich mittlerweile eingestanden hat oder es noch verdrängt weiß ich nicht, aber sie tut es. Du warst zu schnell, sie kämpft noch gegen sich selbst an, sie will dich und trotzdem auch nicht. Du musst dich gedulden, ein wenig mehr Zeit und sie wird nicht abblocken, glaube mir. Aber sie muss sehen, dass es tausende Partys geben kann, die du ohne Frau verbringen kannst, dass du diese dämliche Maske abziehst und dich zeigst, wie du bist. Ich weiß, dass du das vorhast, aber das dauert, bis sie es bemerkt und darauf bauen kann. Vertrauen entsteht nicht innerhalb von einer Sekunde." Seine Hände zitterten, kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Sie hatte Recht.

"Aber ich habe sie bedrängt, ich war zu stürmisch. Ich sollte es erstmal lassen." Sein Blick fokussierte sich auf einen Punkt, den er nicht mehr loslassen wollte. Sonst würde sich alles erneut drehen. "Zeig ihr, dass du sie willst, ohne sie zu bedrängen. Du weißt, wie du das schaffst, du bist -wohl oder übel- unfassbar gut darin, Mädchen um den Finger zu wickeln. Außer Beth, denn bei Beth meinst du es ernst und verhaust es deshalb immer wieder. Jedes Mal, Stück für Stück ein wenig mehr, lass ihr ihren Freiraum, aber zeig ihr, dass du sie willst. Dann wird sie sich einen Schritt auf dich zumachen."

"Und was, wenn sie nicht will? Wenn wir falsch liegen und sie nicht das empfindet, was wir hoffen?" Er schluckte schwer, die Frage brannte auf seiner Zunge, er war sich eigentlich immer sicher, wer was für ihn empfand. Doch dieses Selbstbewusstsein setzte sie außer Kraft. "Dann würde sie dir das zeigen. Dann müsstest du sie gehen lassen."
Er nickte schwach und seufzte leise. Sein Magen wirbelte herum, er wollte das nicht hören, doch genau das hatte er befürchtet zu hören. Er versuchte kontrolliert ein und auszuatmen, doch es klappte nicht. Der Geschmack der Übelkeit machte sich breit, ahnend stand er langsam auf und stützte sich an der Wand ab, in der anderen Hand hielt er sein Telefon. "Elias?" Er hörte Adalia und murmelte etwas vor sich hin. Er riss seine Zimmertür auf und stolperte den Flur zum Bad entlang, dass glücklicher Weise nicht weit entfernt war.

"Weißt du, ich habe ihr sogar geschrieben, als ich auf dem Heimweg war. Aber ich glaube, dass das keine gute Idee war." Er drückte die Badtür hinter sich zu uns setzte sich neben sie Toilette. "Es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe, Adi." Sie lachte leise auf. "Kein Problem. Mach dir keinen so großen Kopf über das Ganze. Sei du selbst, dann wird alles funktionieren, vertraue mir." Er nickte und legte sein Handy neben sich auf den Boden. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, ihm wurde immer schlechter. "Ich lass dich Mal in Ruhe brechen. Kotz doch wenn möglich bitte den Großkotz auch aus dir heraus, ja? Morgen sieht die Welt wieder besser aus." Er stöhnte ein leises ja aus und schnappte nach Luft, bevor er sie auflegen hörte und den Kopf über die Schüssel hielt.

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