Der Tag danach

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Der Wind pfiff durch die Baumwipfel und zerzauste Efeusees Pelz. Es war der Morgen nach dem Mord an Höhlenflug und die Erinnerungen der silbergrauen Kriegerin an diesen einen Moment waren noch frisch. Efeusee hatte es bisher vermeiden können, mit Blumenfall oder Birkenfall sprechen zu müssen, denn sie wusste, dass die beiden nur unangenehme Fragen stellen würden. >>Das kann ich gerade am allerwenigsten gebrauchen<<, dachte sie, schob den Gedanken daran jedoch rasch beiseite, da sie die WindClan Grenze erreicht hatte. >>Wo ist er? <<, fragte sie sich und sah sich suchend um. Sie hatte sich mit Windpelz hier verabredet und ließ sich nun auf dem kalten Boden nieder, um zu warten >>Wo bleibt er nur? >>, dachte sie besorgt, >>Er ist doch sonst nie zu spät<<.
„Efeusee, bist du das?", erklang plötzlich eine Stimme hinter ihr. Efeusee seufzte. Die Stimme gehörte nicht zu ihrem Gefährten, sondern zu einer Katze, die sie jetzt absolut nicht gebrauchen konnte. Sie wandte den Kopf zu Birkenfall, der soeben aus dem Dickicht hinter ihr trat: „Wir...Wir müssen reden", miaute er unsicher. Gelassen sah Efeusee ihren Vater an, „Um was geht es?", fragte sie, obwohl sie wusste, weswegen Birkenfall zu ihr gekommen war. „Das müsstest du eigentlich wissen, Efeusee.", miaute dieser. Enttäuschung und Misstrauen schwangen in der Stimme des Katers mit, doch das ließ Efeusee völlig kalt: „Ich musste es tun.", miaute sie einfach >>Er darf nichts von dem Angriff wissen. Er wird sonst alles zunichte machen<<, dachte sie im Stillen. Birkenfall starrte sie an, „Aber warum? Warum war Höhlenflug ein Verräter? Was hat er dir getan?", flüsterte er. Efeusee seufzte, „Er kannte ein Geheimnis...", miaute sie vorsichtig, „Er wusste zu viel und wollte den Clans verraten, was der Wald der Finsternis plant." Birkenfall sah sie aufmerksam an, „Was hat der Wald der Finsternis denn vor?", fragte er neugierig, doch Efeusee schüttelte nur den Kopf und erhob sich auf die Pfoten: „Ich darf nichts verraten", miaute sie geheimnisvoll. Birkenfall senkte den Kopf, „Du vertraust mir nicht", stellte er traurig fest. Efeusee schüttelte den Kopf, „Doch! Natürlich vertraue ich dir, Birkenfall. Und glaube mir, du wirst erfahren worum es geht, sobald die Zeit reif ist." Birkenfall schnaubte verächtlich: „Sobald die Zeit reif ist", wiederholte er mit spöttischer Stimme, „Du klingst genau wie Tigerstern, wenn eine Clan Katze nach dem Zweck des unerbittlichen Trainings fragt". Enttäuscht sah er sie an, Efeusee erwiderte den Blick ihres Vaters ungerührt. Birkenfall seufzte, augenscheinlich hatte er aufgegeben und eingesehen, dass er heute nicht hinter Efeusees Geheimnis kommen würde. „Wir sehen uns im Lager", murmelte er. Efeusee nickte, „Bis später", antwortete sie und mühte sich, eine freundliche Mine aufzusetzen. Ein kleines Lächeln wurde auf dem Gesicht ihres Vaters sichtbar, „Egal was passiert, Efeusee. Ich werde immer auf dich aufpassen!", versprach er. Efeusee neigte den Kopf vor Birkenfall, „Danke.", miaute sie. Ihr Vater wandte sich von ihr ab und verschwand im Unterholz des Waldes. Efeusee verharrte noch für einen Moment mit gespitzten Ohren an derselben Stelle, doch nichts regte sich. Sie entspannte sich und glättete ihr gesträubtes Fell wieder, während sie sich erneut nach Windpelz umsah. Dann endlich entdeckte sie den WindClan Kater, der über das Moor in ihre Richtung gelaufen kam. Ein leises Schnurren entwich ihrer Kehle, während sie ein paar Schritte auf ihn zutappte. Als Windpelz atemlos bei ihr eintraf, sah sie ihn vorwurfsvoll an, „Wo warst du", miaute sie mit gespielter Entrüstung, „Ich warte schon seit Ewigkeiten hier. Noch ein paar Herzschläge länger und ich wäre hier festgefroren." Windpelz schnurrte belustigt, „Tut mir leid, aber ich konnte Bartpfote nicht loswerden. Dieser Schüler klebt wie eine Klette an meinem Pelz", miaute er. 

Efeusee schnurrte ebenfalls und rieb ihre Schnauze am Fell des WindClan Katers, der sich ebenfalls an sie schmiegte. Nach einigen Augenblicken lösten sich die beiden wieder voneinander: „Wie geht es dir?", fragte Windpelz, Besorgnis schwang in der Stimme ihres Gefährten mit. „Mir geht es gut, Windpelz", erwiderte Efeusee mit sanfter Stimme. Sie hatte sofort erraten, worüber der WindClan Kater mit ihr sprechen wollte: „Das was letzte Nacht geschehen ist, ist nun mal passiert. Daran kann niemand mehr etwas ändern." Windpelz nickte langsam, „War Höhlenflug die erste Katze, die du getötet hast?", fragte er. Efeusee nickte. „Ja, er war der erste". Miaute sie einfach, während sie Windpelz aufmerksam in die Augen sah. Der WindClan Kater nickte langsam, „Was hast du gefühlt?", flüsterte er leise. Efeusee wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie erinnerte sich an jenen Moment zurück, in dem Höhlenflug unter ihren Krallen sein Leben ausgehaucht hatte. „Ich wusste, dass ich keine Wahl gehabt habe.", antwortete sie schließlich. Windpelz nickte, als plötzlich ein lautes Heulen über das WindClan Territorium schallte. Windpelz fuhr herum und prüfte die Luft, „Ich rieche eine Patrouille flussabwärts", miaute er grimmig, „Es ist besser, wenn ich jetzt gehe." Efeusee schmiegte sich ein letztes Mal an den Pelz ihres Gefährten, dann trat sie zurück, während Windpelz sich, nach einem letzten Liebevollen Blick, den er ihr zuwarf, von ihr abwandte und über das Moor davonrannte. Efeusee sah ihm noch eine Weile hinterher, dann wandte sie sich von der WindClan Grenze ab und wollte sich wieder in Richtung Felsenkessel auf den Weg machen, als sie plötzlich etwas entdeckte. Misstrauisch schlich sie auf das dichte Unterholz zu, das sich am Flussufer in Richtung See befand. Während sie sich leise weiter dem Gebüsch nährte, entdeckte sie einige abgebrochene Zweige und verstreute Nadeln am harten Waldboden. Der strenge Geruch von Torfiger Erde stach ihr in die Nase, während sie angestrengt die Luft prüfte. Nach einer Weile stieg ihr schließlich doch ein Katzengeruch in die Nase, den sie aber wegen des Torfes nicht identifizieren konnte. Nur den Geruch einer DonnerClan Katze konnte Efeusee eindeutig feststellen. >>Hier war jemand<<, dachte sie. Leise knurrend blieb sie vor dem Gebüsch schließlich stehen. >>Wenn er oder sie mich mit Windpelz gesehen hat, wird der DonnerClan schneller Bescheid wissen, als ich zurück zum Lager laufen kann<<. Frustriert verfluchte sie ihre eigene Unachtsamkeit, während sie in Richtung Lager loslief. Ein unwohles Gefühl rumorte in ihrem Bauch, während sie weiterrannte. >>Was wenn der Fremde mich nicht nur mit Windpelz gesehen hat, sondern auch das Gespräch mit Birkenfall gehört hat? <<. Bei diesem Gedanken wurde ihr speiübel. Dann würde die Katze bescheid wissen, über das was sie nachts tat. Und über den Mord an Höhlenflug >>Wenn ich diese Katze nicht finde, dann ist alles verloren...<<


Atemlos erreichte Efeusee das DonnerClan Lager und kam kurz vor dem Dornentunnel schließlich rutschend zum Stehen. Keuchend versuchte sie ihren Atem wieder zu beruhigen und trat dann langsam ins Lager. Alles war so wie immer, die meisten Katzen gaben sich gerade gegenseitig die Zunge, während Efeusee langsam mit einer Maus, die sie unterwegs gefangen hatte, ins Lager. Während sie den Frischbeutehaufen ansteuerte, sah sie sich unauffällig im Lager. Als sie am Frischbeutehaufen angekommen war, hatte sie aber nichts auffälliges bemerkt, das den geheimnisvollen Beobachter hätte verraten können. >>Mist<<, dachte Efeusee und sah sich unschlüssig auf der Lichtung um >>Was mache ich denn jetzt? <<

Der Dunkle PfadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt