Wiedersehen

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Der kalte Wind der letzten Tage hatte nachgelassen und so war der Aufbruch für die kleine Gruppe finsterer Krieger deutlich angenehmer als die Ankunft an ihrem provisorischen Lagerplatz. Efeusee war nun nach ihrer überstandenen Geburt endlich bereit den Weg zu der Streunerbande anzutreten, die Dunkelschweifs Mutter in ihrer Gewalt hatten. Auch Wind, der Sohn der silbergrauen Kriegerin war ein gutes Stück gewachsen und hatte mittlerweile sogar seine Augen geöffnet, die ähnlich wie die seines Vaters Windpelz einen bernsteinfarbenen Ton aufwiesen.
Wie vereinbart hatte auch Blumenfall sich ihnen angeschlossen, während Dunkelschweif wie vereinbart, wenn auch etwas verspätet, wieder zu der Gruppe dazugestoßen war.
Nun waren sie also vollzählig. Efeusee, ihr Sohn Wind, die beiden Ex-SchattenClan Krieger Tigerherz und Rotweide und eben Blumenfall und Dunkelschweif.
>>Wir sind die Gruppe, die den Clans das Leben zur Hölle machen wird!<<, hatte Efeusee gedacht, als sie am frühen Morgen von ihrem Lagerplatz aufgebrochen waren und den Weg eingeschlagen hatten, den Dunkelschweif vor einigen Tagen in die entgegengesetzte Richtung genommen hatte. Das Ziel der Gruppe war ein ungefähr eine Tagesreise entfernter Zweibeinerort, an dem Dunkelschweif dem Anführer der Streuner zum ersten Mal begegnet war und an dem er seine Mutter zum letzten Mal gesehen hatte.
Nun war es bereits Sonnenhoch am selben Tag und weil Efeusee Wind tragen und zudem noch säugen musste, hatte die Gruppe sich auf einer Wiese im Schatten eines großen, einsamen Baumes niedergelassen und legte eine Pause ein. Die beiden SChattenClan Krieger waren kurz nach ihrem Halt dann zur Jagd aufgebrochen und würden nebenbei auch die Augen nach den Streunern offenhalten, was Efeusee ungemein beruhigte. Denn je näher sie dem Territorium dieser Streuner kamen, desto mehr befürchtete sie einen Angriff aus dem Hinterhalt, der nicht nur sie und ihre Freunde, sondern vor allem ihren Sohn in Gefahr bringen würde.
Tief in Gedanken versunken bemerkte Efeusee Blumenfall erst, als die ehemalige DonnerClan Kätzin sich neben ihr im Schatten niederließ und sie abwartend und nachdenklich ansah.
„Wie bist du entkommen?", fragte sie nach einem Moment des Schweigens. Efeusee warf ihr einen kurzen, überraschten Blick zu. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Blumenfall sich nach ihrer Flucht erkundigen würde, denn seitdem sie zur Gruppe gestoßen war, war die ehemalige DonnerClan Kriegerin den anderen gegenüber eher abweisend gewesen. Sie hatte kaum ein Wort gesprochen, war oft nachdenklich und in sich gekehrt gewesen und hatte oft Löcher in die Luft gestarrt. Efeusee vermutete, dass Blumenfall genau wie sie selbst oft an die Ereignisse des Kampfes denken musste und deswegen so verhielt. Sie hatte sich schließlich in den ersten Monden nach der großen Schlacht genauso verhalten, gerade in dem Zweibeinernest, in dem sie eingesperrt war. Efeusee wusste nicht, was Blumenfall erlebt hatte, doch sie war immerhin genauso verraten worden, wie sie selbst und das allein war schon Grund genug für ihre Wut und ihre misstrauische Haltung.
„Zweibeiner haben mich verletzt im Wald gefunden.", beantwortete sie die Frage von der ehemaligen DonnerClan Kriegerin wahrheitsgemäß, „Ich war nach der letzten Schlacht schwer verletzt... Dem Tode nahe. Eigentlich..." Sie schluckte und unterbrach sich kurz, dachte an ihre qualvollen Schmerzen zurück, als sie im alten Zweibeinernest gelegen hatte, an die Wunden, die der Verräter Löwenglut ihr zugefügt hatte. Efeusee blickte Blumenfall kurz durchdringend in die Augen, während diese sie fragend anblickte. „Eigentlich war ich schon tot", flüsterte sie, „und auf dem Weg in den Wald der Finsternis. Die Zweibeiner haben mich geheilt und dann eingesperrt, aber Tigerherz und Rotweide haben mich zum Glück da rausgeholt" fuhr sie also mit ihrer Erzählung fort und sah Blumenfall an, die sie interessiert musterte, „Und Wind?", fragte sie nach einer kurzen Pause, „Tigerherz hat mir vorhin erzählt, dass er Winpelz' Sohn ist." Efeusee seufzte bei diesen Worten und musste schweren Herzens erneut an ihren verstorbenen Gefährten denken. Sie konnte den Moment seines Todes einfach nicht ertragen, weil er so wehtat. Es tat so schrecklich weh, ohne ihn zu sein und das jeden einzelnen Tag. „Das stimmt", miaute Efeusee leise, „Ich war...ich war schon trächtig, als ich gekämpft habe. Denke ich. Zwei meiner Jungen sind tot geboren worden." Efeusee unterbrach sich und kniff die Lippen zusammen. Der Schmerz stach ihr tief ins Herz und sie musste sich die Tränen verkneifen, während sie Blumenfalls Blick erwiderte. Einen Hauch von Mitgefühl konnte sie im Blick ihrer Freundin erkennen, aber auch Zorn war darin vorhanden, dann sah ihre ehemalige Clan Gefährtin weg. „Wenn ich denjenigen erwische, der das getan hat, werde ich ihn umbringen", fauchte sie leise, was EFeusee mit einem zustimmenden Nicken kommentierte, „Löwenglut war derjenige, der mich fast umgebracht hat,", beantwortete sie Blumenfalls Frage, woraufhin ihr die ehemalige DonnerClan Kriegerin einen kurzen Blick zuwarf, „Tut mir Leid.", hörte Efeusee sie murmeln. Daraufhin kniff die silbergraue die Lippen zusammen und starrte trübsinnig ins Leere.
„Hast du noch was von den Anführern im Wald gehört?", wollte Blumenfall auf einmal wissen und riss damit Efeusee aus ihren bitteren Erinnerungen. Der plötzliche Themenwechsel überraschte sie für einen kurzen Moment, dann erinnerte sie sich wieder an ihre Begegnung mit Ahornschatten, kurz nachdem sie im Zweibeinernest aufgewacht war und ihr Gespräch damals. „Ich hatte eine Begegnung mit Ahornschatten", erzählte die Silbergraue also, „Alles was sie sagte, war, dass der Wald der Finsternis noch längst nicht aufgegeben hat und dass die Anführer bereits Rachepläne haben." Blumenfall sah sie interessiert an, „Und was sie planen haben sie nicht verraten?", fragte sie neugierig und sah Efeusee erwartungsvoll an. Efeusee schüttelte als Antwort nur den Kopf, „Ich weiß es nicht.", miaute sie, „Jetzt da Tigerstern, Habichtfrost und Braunstern tot sind, müssen sie sich etwas einfallen lassen." Blumenfall nickte zustimmend, „Aber die anderen Anführer haben überlebt, nicht wahr?", fragte sie mit drängender Stimme.

Efeusee zuckte mit den Schultern, „Ich weiß es nicht Blumenfall.", seufzte sie, „Wir können im Moment nichts anderes tun als abwarten. Sie werden früher oder später wieder mit uns Kontakt aufnehmen, aber im Moment müssen sie sich von ihrer Niederlage erholen."
Blumenfall sah die Silbergraue an, in ihrem Blick brannte der Zorn und die Verachtung, den die ehemalige DonnerClan Kriegerin nur zu gut kannte. „Wollen wir hoffen, dass sie sich schnell erholen. Ich habe nämlich keine Lust, noch länger auf meine Rache zu warten."
Und da konnte Efeusee nichts anderes tun, als ihrer Clan Gefährtin zuzustimmen.
>>Wann Silberhabicht wohl wieder mit mir Kontakt aufnehmen wird?<< fragte sie sich. >>Ob er überhaupt noch...nein nein natürlich hat er überlebt!<< Sie verdrängte vehement den Gedanken, dass ihr Mentor vielleicht ebenfalls sein Leben gelassen haben könnte. >>Ich könnte es nicht ertragen noch mehr meiner Freunde an diesen Clan Katzen zu verlieren. Das muss aufhören!<< dachte Efeusee und starrte gedankenverloren nach oben in den Himmel.
Dann hörte sie Pfotenschritte. Efeusee senkte den Kopf und entdeckte Tigerherz und Rotweide, die in zügigem Tempo auf die beiden zugelaufen kamen. Neugierig beobachtete Efeusee ihre beiden Clan Gefährten, die ein paar Herzschläge später vor dem Baum stehenblieben. Tigerherz war derjenige, der zuerst sprach: „Wir haben die Streuner gefunden.", berichtete er, „Rotweide hat sie gewittert. Offensichtlich sind sie weitergezogen und haben ihr Lager nicht unweit von hier aufgeschlagen." Efeusee musste lächeln. Das war wirklich eine gute Nachricht, nicht nur weil Dunkelschweif sein Ziel früher erreichte, sondern auch weil sie und Wind somit früher am Ziel sein würden.
Dunkelschweif, der etwas weiter weg von den anderen im Schatten gelegen und gedöst hatte, öffnete bei Tigerherz Worten ein Auge und gähnte dann herzhaft, bevor er schließlich aufstand und seine Gliedern schüttelte, „Worauf warten wir noch. Wir sollten sofort los.", miaute er und machte zwei Schritt in die Richtung, aus der die beiden SchattenClan Krieger gekommen waren. Dann blieb er stehen, weil Tigerherz den Kopf schüttelte, „Wir sollten nichts überstürzen", warnte er, „Wir sollten unseren Feind erst kennenlernen, sonst könnte es brenzlig werden." Der schwarze Kater starrte Tigerherz daraufhin entgeistert an, während seine Schwanzspitze hin und her peitschte: „Meine Mutter ist die Gefangene dieser Streuner. Je länger wir warten, desto größer ist die Gefahr für sie!", miaute er mit drängender Stimme. Tigerherz seufzte, „Das verstehe ich Dunkelschweif, aber wenn wir jetzt überstürzt aufbrechen, bringen wir sie in noch größere Gefahr, als sie es ohnehin schon ist. Wenn die Streuner ihr etwas tun wollten, dann hätten sie das längst getan."
Efeusee musste kurz über Tigerherz Worte nachdenken, während Dunkelschweif die Augen zusammenkniff und ebenfalls scharf nachdachte. „Warte...", miaute der schwarze Kater schließlich, „Woher weißt du, dass sie unverletzt ist? Hast du sie gesehen?" Hoffnung leuchtete im Blick des Jungkaters auf, doch Tigerherz schüttelte nur den Kopf, „Leider nicht", miaute er, „Damit will ich sagen, dass ich glaube, die Streuner hätten deine Mutter sofort getötet, wenn sie nicht irgendeinen Nutzen für sie hätte. Und du sagtest ja, dass sie gefangen genommen wurde." Efeusee nickte langsam. Die Vermutung des dunklen Tigerkaters klang einleuchtend, was Dunkelschweif wohl genauso sah, denn er nickte Tigerherz dankbar zu, „Ich denke, du hast Recht", seufzte er, „Trotzdem sollten wir bald aufbrechen." Tigerherz nickte, „Morgen", versprach er, „Morgen holen wir sie da raus!"

In dieser Nacht konnte Efeusee kaum schlafen. Der Gedanke an die Streuner und Dunkelschweifs Mutter geisterte ununterbrochen in ihrem Kopf umher, während sie immer und immer wieder überlegte, was diese Streuner wohl mit der Kätzin vorhatten. Sie war sich mittlerweile ziemlich sicher, dass es zu einem Konflikt kommen würde, doch sie konnte nicht sagen, warum sie so dachte. Kurz schloss Efeusee die Augen und seufzte leise, versuchte ihre Gedanken zu ordnen.
Und dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Sie spürte plötzlich einen heftigen Schlag gegen ihre Flanke und fiel zur Seite um, während sie den heißen Atem eines fremden Katers im Genick spürte. Entsetzt riss sie die Augen auf, knurrte und versuchte ihren Gegner abzuwerfen, doch der Fremde blieb, wo er war. >>Was soll das, wer ist das?<< schoss es ihr durch den Kopf. Hatten die Streuner sie etwa gefunden?
„Habe ich dir nicht beigebracht", hörte sie auf einmal eine sanfte und ihr allzu bekannte Stimme, „Dass du immer wachsam sein sollst?" Sofort hörte Efeusee auf sich zu wehren, und musste glücklich lächeln, während der Fremde seine Pfoten wegnahm und sie losließ. Wie vom Blitz getroffen sprang Efeusee auf. Sie ignorierte dabei die Tatsache, dass sie sich auf einmal im Wald der Finsternis befand und auch den Nebel, der sich um ihre Pfoten kräuselte. Sie starrte nur den Kater vor ihr an, der sie amüsiert anstarrte, „Silberhabicht!", rief sie erfreut und begrüßte ihren Mentor erleichtert. Er war am Leben.
Der silberne Anführer trat zurück und lächelte seine ehemalige Schülerin gewohnt warmherzig an, „Es ist schön dich zu sehen, Efeusee. Es freut mich, dass du den Kampf übelebt hast," miaute er. Die Silbergraue nickte, „Geht mir genauso. Ich freue mich so sehr dich zu sehen!", miaute Efeusee glücklich, „Ich dachte schon, die Clan Katzen hätten..." „Mich getötet?", wurde sie von Silberhabicht unterbrochen. Ihr Mentor schnaubte verächtlich, „Dazu sind diese Hauskätzchenfeiglinge viel zu dämlich!" Efeusee lachte, als sie plötzlich sah, wie Silberhabichts Blick wieder ernst wurde, „Der Wald der Finsternis erholt sich von der Niederlage.", berichtete er, „Viele unserer Krieger sind gefallen, einschließlich Habichtfrost, Tigerstern und Braunstern. Die anderem Anführer haben alle überlebt, trotzdem ist die Stimmung angespannt." Efeusee hörte gespannt zu, während ihr Mentor weitersprach, „Wir wissen noch nicht, wie wir als nächstes vorgehen, aber wir werden nicht aufgeben. Die Clans haben vielleicht eine Schlacht gewonnen, den Krieg werden sie aber verlieren!" Silberhabicht schwieg kurz und sah dann zu Efeusee, „Ich habe gesehen, dass du Mutter geworden bist. Wie geht es dem kleinen?", fragte er dann. Bei diesen Worten musste Efeusee lächeln, „Er entwickelt sich prächtig", miaute sie stolz, „Er ist genauso entschlossen, wie sein Vater." Die Traurigkeit stach ihr wieder ins Herz, als sie an WInpelz dachte, doch als sie den Stolz in Silberhabichts Blick erkannte, verschwand dieses Gefühl wieder. „Ich kann dir durchaus eine gute Nachricht überbringen.", miaute der silberne grinsend, „Stachelkralle hat ihn vor ein paar Tagen gefunden und du wirst ihn bald wiedersehen." Efeusee klappte die Kinnlade herunter, Freudentränen traten ihr in die Augen, „Danke", flüsterte sie, „Danke"
Der silberne nickte nur. „Viel Glück bei eurem Vorhaben. Ich werde dich beobachten" antwortete er. Efeusee lächelte glücklich, während die Bäume des Waldes um sie herum verblassten und sie sich kurze Zeit später in ihrem Nest wiederfand.
Silberhabicht lebte. Und sie würde Windpelz bald wiedersehen. Dann stieß ihr plötzlich jemand eine Pfote in die Flanke und riss Efeusee aus ihrer rosaroten Blase der Glückseligkeit. Vor ihr stand Tigerherz und holte Efeusee mit seinem ernsten Blick zurück in die Wirklichkeit.
„Es geht los!", miaute der Tigerkater grimmig, „Mach dich bereit"

Der Dunkle PfadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt