(1 Woche später)
„Watari?“„Was gibt es?“ Der Erfinder saß ruhig an seinem Schreibtisch und las, während L im Türrahmen lehnte und nachdenklich an seinem Daumennagel knabberte.
„Ich dachte mir, dass ich vielleicht einmal mit den Kindern reden sollte…“ begann er.
„Das sage ich dir seit Jahren, Ryuzaki.“ kam die vorwurfsvolle Antwort. L verdrehte die Augen, stieß sich von der Wand ab und kauerte sich in den mit roten Stoff bezogenen Stuhl Watari gegenüber.
„Nicht als Ryuzaki, als L!“Quillish hob überrascht denn Kopf.
„Wie meinst du das?“ erkundigte er sich neugierig.
„Viele dieser Kinder haben sich einzig und allein darauf spezialisiert, meine Nachfolge anzutreten. Es wäre nur fair, ihnen zu zeigen, dass ich ihre Mühen zu schätzen weiß.“ erklärte der junge Detektiv. Watari schien kurz zu überlegen.
„Das ist eine ausgezeichnete Idee.“ meinte der dann und lächelte zufrieden.…
Mello stand an die Wand gelehnt in dem hellen Raum und starrte seit fast zwei Stunden wie hypnotisiert auf den weißen Bildschirm, auf dem sich nur ein einziger schwarzer Buchstabe abzeichnete. L. Roger und Madigan hatten alle Kinder, die momentan als Detektive oder Ähnliches ausgebildet wurden, in einem kleinen Raum versammelt und ihnen erklärt, dass sie mit L reden durften! Nervös knabberte er an seiner Tafel Schokolade herum und fragte sich, ob Ryuzaki in diesem Moment einige Türen weiter in das kleine Mikrophon sprach und ihnen erklärte, wie er bei den meisten seiner Fälle vorging. Fast war er versucht, seine Theorie zu überprüfen, entschied sich dann aber doch, zu bleiben um Ls Erläuterungen mitzuverfolgen.
Mello wunderte sich wirklich, dass sonst noch niemand Ryuzakis Doppelleben bemerkt hatte, aber Kinder waren nun einmal naive kleine Optimisten, die alles glaubten, was man ihnen erzählte. Nicht so M. Der blonde Junge war nie leichtgläubig gewesen, hatte schon immer alles hinterfragt und sich nie von zurückweisenden Antworten abschmettern lassen. Ob L wusste, dass er seine Identität kannte? Vielleicht würde ihn das als geeigneten Nachfolger hervorheben, wenn er es wüsste, vielleicht würde er aber auch einen Haufen Ärger bekommen…wäre ja nichts Neues.
Near, der sich ebenfalls der kleinen Gruppe angeschlossen hatte, hockte ungerührt in einer Ecke und musterte das fast fertig gestellte Puzzle vor seinen Füßen, während Mello versuchte, sich davon abzuhalten, ihm eine reinzuhauen. Wie konnte dieser Schafskopf es wagen, Ls Unterricht komplett zu ignorieren?! Dieser undankbare Egoist…wie oft kam es denn schon vor, dass der Meisterdetektiv mit ihnen sprach? Und alles was diesen sozial inkompetenten Klugscheißer interessierte, war ein dämliches Kinderspielzeug...
Momentan stritten sich zwei Kinder darum, wer L als nächstes eine Frage stellen durfte und ein kleines braunhaariges Mädchen mit rosa Pulli und leuchtenden braunen Augen setzte sich schließlich durch. Mello glaubte sich daran zu erinnern, dass sie Elisa hieß.
„Gibt es irgendetwas, indem du nicht gut bist? Oder etwas, wovor du Angst hast?“ fragte sie mit vor Aufregung zitternder Stimme. Mello unterdrückte den hartnäckigen Drang, die Augen zu verdrehen. Wie kam dieses Kind dazu, mit solcher Begeisterung über L zu sprechen, wo sie Ryuzaki noch nicht einmal einen zweiten Blick gönnte! Und diese Frage erst! Als hätte L vor irgendetwas Angst…einfach nur lächerlich. Der blonde Junge hinter ihr, Mike, schien das genauso zu sehen und warf empört ein:
„Was?! So ein Blödsinn, er hat vor gar nichts Angst!“ Mello rechnete fest mit einer Bestätigung seitens L, aber dieser antwortete zu seiner großen Überraschung:
„Hm…ich schätze, ich habe Angst vor Monstern.“Nun ließ sich sogar der unantastbare Near sich zu einem flüchtigen Blick in Richtung Monitor herab. Mello riss die Augen auf und beobachtete gespannt die Reaktion der Anderen.
„Ja! Ich auch!“ rief Elisa ganz begeistert und Mike gab ihr einen mahnenden Klaps gegen die Schulter.
„Red nicht solchen Unsinn! L ist nicht wie du!“ Nein, L war wirklich nicht wie sie.
„Es gibt viele Arten von Monstern auf dieser Welt…“ fuhr L mit seiner Erklärung fort. „Monster, die Ärger verursachen, ohne sich dabei zu zeigen…“ Mello blinzelte. War das eine Anspielung auf seine zahlreichen Streiche…? Nein, das konnte gar nicht sein…„Monster, die Kinder entführen, Monster, die unsere Träume verschlingen, Monster, die Blut trinken…und Monster die nichts als Lügen erzählen.“ Nun riss Near wieder denn Kopf hoch und kniff konzentriert die Augen zusammen. Anscheinend analysierte er Ls Worte genau. Dieser sprach monoton weiter:„Lügende Monster sind ein echtes Ärgernis: sie sind viel gerissener als andere. Sie verhalten sich wie Menschen, obwohl sie niemals deren Seele verstehen werden. Sie essen, obwohl sie noch nie Hunger verspürt haben. Sie lernen, obwohl sie keinerlei Interesse an Wissenschaften haben und sie streben nach Freundschaften, trotz der Tatsache, dass sie nicht wissen, wie man liebt.“
Die Kinder verfolgten die Rede mit großen kugelrunden Augen und die angespannte und faszinierte Stimmung war beinahe greifbar. L war ihr größtes Vorbild, sie alle wollten so sein wie er. Nicht so Mello. Mello wollte der Detektiv L sein, aber so wie Ryuzaki würde er niemals werden. Verschlossen vor allen, versteckt vor der Welt und bestimmt unendlich einsam.
„Sollte ich eines Tages solche Monster treffen, würden sie mich höchstwahrscheinlich auffressen…aber die eigentliche Wahrheit ist, dass ich eines dieser Monster bin.“*
Die Kinder waren still und beobachteten den Bildschirm, der zuerst leicht flackerte und dann schwarz wurde. L…ein Monster? Mello erkannte, wie Madigan dem Laptop einen besorgten Blick zuwarf, der wohl eher der Person hinter der monotonen computerverzerrten Stimme galt. Ryuzaki hielt sich also keineswegs für unfehlbar, er hatte die gleichen Ängste wie jeder andere Mensch auch, egal wie gefühlslos er sich gab. Mello fragte sich, ob das auch für Near galt.
…
„War das wirklich nötig?“ fragte Roger mit leicht verärgertem Unterton.
„Ich weiß wirklich nicht, was du meinst.“ erwiderte L gelassen und stapelte hochkonzentriert Zuckerwürfel auf dem dunklen Holz des Schreibtisches in Rogers Büro. Zumindest, bis dieser die quadratischen Süßigkeiten mit einer einzigen Handbewegung vom Tisch fegte. L kommentierte das nur mit einem kurzen deprimierten Blick in Richtung der angerichteten Sauerei.„Monster, die Blut trinken? Was sollte das?! Deine Aufgabe war es, sie zu motivieren!“
„Meine Aufgabe war es, ihre Fragen ehrlich zu beantworten, und das was du unter Motivation verstehst, hat A in den Tod getrieben. Ich werde nicht beschönigen, was es bedeutet, L zu sein. Diese Kinder sollen nicht ihr Leben lang auf etwas hinarbeiten, wenn sie nicht alle Facetten dieser Verantwortung verstehen! Ich werde nicht zulassen, dass sie ihre Kindheit für ein Ziel aufgeben, dass sie vielleicht nicht erreichen wollen.“„L zu sein ist eine Ehre! Du solltest das Vertrauen, dass die Welt in dich hat, zu schätzen wissen!“
„Wirklich, Roger? Wenn die Welt mir so wohlgesinnt ist, wieso bildet ihr dann jetzt schon einen Nachfolger für mich aus? Sicher nicht, weil ihr damit rechnet, dass ich friedlich als alter Mann sterben werde…“
Roger war still. Endlich. Ohne eine weitere Äußerung abzugeben, verschwand L aus dem Raum und begab sich auf sein Zimmer. Natürlich wartete Madigan schon auf ihn.„Ryuzaki?“ Der Angesprochene seufzte schwer und richtete seinen rabenschwarzen Blick auf die Betreuerin.
„Was gibt’s?“ brummte er und ließ sich auf seinem Schreibtischstuhl nieder.
„Denkst du so schlecht über dich selbst? Du bist kein Lügner, Ryuzaki…“ L fiel ihr kühl ins Wort:
„Mein Name ist eine Lüge, meine Identität ist eine Lüge und so ziemlich alles was ich täglich von mir gebe, solange ich unter Menschen bin, die mich nicht kennen, ebenfalls. Ich lebe nur noch, weil ich lüge, Evelyn.“
„Aber das ist doch nicht schlecht! Wenn du die Wahrheit über dich erzählst, könnte man dich umbringen!“ warf sie besorgt ein.
„Ich weiß.“ meinte er scharf. „Aber das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich ein Lügner bin.“
„Deine Melancholie kann einen wirklich ziemlich pessimistisch stimmen, weißt du das?“ L schüttelte unwirsch den Kopf und setzte sich etwas aufrechter hin.
„Schon klar, ich reiß mich zusammen.“ meinte er fest und sah seine Betreuerin kurz dankbar an. „Danke, Evelyn.“
„Aber wofür denn, Liebling?“ erkundigte sie sich überrascht.
„Ich denke, du weißt, was ich meine.“ antwortete L nur und wandte sich dann wieder schweigend dem Bildschirm seines Laptops zu.…
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L's Geschichte (Death Note)
ФанфикIn dieser Geschichte geht es um die Vergangenheit von "L. Lawliet". Ich hoffe es gefällt euch.