In Ls Kopf arbeitete es und er massierte seine pochenden Schläfen. Vor ihm lagen drei Bilder, jedes einzelne zeigte einen kleinen blutverschmierten Körper und der Schwarzhaarige musste erneut ein Würgen unterdrücken. Er musste sich anstrengen. Er durfte Watari nicht enttäuschen.Er musste das Rätsel lösen und den schrecklichem Menschen fassen, der diesen Kindern, die kaum älter waren als L selbst, das angetan hatte.Und das würde er auch tun!Angestrengt ging er noch einmal jedes einzelne Detail durch und versuchte, einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Taten zu erkennen. Drei Kinder, zwei Mädchen und ein Junge. Alle zwischen acht und neun Jahre alt. Der Schwarzhaarige kam zu dem Schluss, dass der Mörder entweder gar kein Motiv hatte und nur aus einer Art kranken Lust agierte, oder dass er sich an den Eltern der Kinder rächen wollte, wofür es allerdings auch keinen plausiblen Grund gab.
Resigniert ließ er den schmerzenden Kopf auf die Fotos sinken und dachte intensiv nach. Irgendwann fühlte sein Schädel sich an, als müsste er jeden Moment explodieren, ans Aufgeben dachte der Junge jedoch nicht im Geringsten. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und lief in Wataris Zimmer, damit er um etwas Kaffee bitten konnte, um noch länger wachbleiben zu können. Watari war jedoch nirgends zu sehen. L sah sich in seinem Büro um und entdeckte plötzlich einen bunt bemalten Bilderrahmen mit der Aufschrift:
Für den besten Opa der Welt, von Mary
Neugierig schlich er auf das Bild zu und nahm es zögernd hoch. Als der Schwarzhaarige sich das eingerahmte Foto genauer besah, riss er vor Schreck die Augen auf und ließ den Rahmen fallen, worauf das Glas, dass das Foto vor Verschmutzung schütze, in tausend kleine Scherben zersprang.Das Puzzle setzte sich ganz von selbst in seinem gestressten Gehirn zusammen und schlagartig erkannte er die Verbindung zwischen den Kindern, doch dann wurde er plötzlich herumgerissen und starrte verängstigt in zwei wütend zusammengekniffene Augen.
„Was hast du hier zu suchen?“, fauchte Watari den verschreckten Jungen an, der sich sofort duckte und anfing, das zerbrochene Glas mit seinen bloßen Händen wieder aufzusammeln, ungeachtet der Tatsache, dass er sich die blassen vernarbten Handflächen dabei aufschnitt.
„Tut mir leid, das wollte ich ni…“
„DAS WAR DAS EINZIGE WAS ICH NOCH VON IHR HATTE!“, brüllte der Erfinder, der offenbar gar nicht registrierte, das das Foto selbst ja noch vollkommen unbeschädigt war und nur das Glas daran hatte glauben müssen. Watari war eindeutig nicht er selbst und der Junge hatte mörderische Angst. Warum schrie sein Papa ihn so an?Der Kleinere begann zu zittern und seine Lippen bebten. Er schluchzte auf und fing leise an zu weinen, dann spürte er einen brennenden Schmerz an seiner rechten Wange und die Tränen versiegten augenblicklich. Stattdessen schaute er nur geschockt seinen Adoptivvater an, der ihn soeben tatsächlich geohrfeigt hatte. Dieser schien beinahe ebenso überrascht und setzte an:
„L, es tut mir…“Bevor er zu Ende sprechen konnte, hatte L sich das Foto von Mary geschnappt und war mit fest zusammengekniffenen Augen, um die sturzbachartigen Tränen zurückzuhalten, aus dem Zimmer gerannt.
Watari blieb entsetzt zurück und starrte nur durchdringend den blutigen Scherbenhaufen vor seinen Füßen an. Ein einziger schrecklicher Gedanke drängte sich in sein Bewusstsein.
„Habe ich ihn gerade wirklich geschlagen…?“…
Lawliet rannte blitzschnell in sein Zimmer und schloss die Türe hinter sich ab. Für ihn ergab das alles einen Sinn. Er hatte nicht schnell genug gearbeitet und dann auch noch den hübschen Bilderrahmen ruiniert, natürlich hatte Watari ihn deshalb geschlagen. Was hätte er auch sonst tun sollen?
Nachdenklich schaute L auf die kleinen Splitter in seinen Handflächen und fing an, sie vorsichtig mit den Zähnen herauszuziehen. Das brannte, aber der Schwarzhaarige ignorierte seine Schmerzen, er musste sich immerhin auf seinen Fall konzentrieren. Wenn er den Mörder von Wataris Enkelin fand, würde der ihn sicher wieder liebhaben, also besah er sich das Foto von Mary genauer und setzte sich anschließend an seinen Laptop, um die restlichen Informationen herauszufiltern. Denn dieses Foto zeigte nicht nur Mary sondern auch die anderen zwei Opfer, und drei weitere Kinder. Die Verbindung war gefunden, jetzt musste L nur noch den Sinn dieser Entdeckung erfassen…
…
Watari stand vor Ls Zimmertüre und überlegte fieberhaft, was er dem Schwarzhaarigen sagen sollte. Er schämte sich unglaublich für seinen Wutausbruch, immerhin hatte L ihn sicher nur in seinem Büro gesucht, weil er etwas brauchte oder den Erfinder etwas Wichtiges hatte fragten wollen. Und was tat Quillish? Er schlug ein ohnehin schon traumatisiertes Kind, das gerade im Begriff war sich zu entschuldigen und die Scherben mit bloßen Händen aufzusammeln!
Er war so ein erbärmlicher Versager, was diesen Jungen anbelangte. Lawliet hatte fünf Stunden pausenlos auf die drei schrecklichen Bilder gestarrt, kein Wunder das er etwas von der Rolle war! Und jetzt hatte er sich seit zwei Stunden nicht mehr gerührt sondern sich nur in seinem Zimmer eingesperrt, das arme Kind!
Sein schlechtes Gewissen brachte den betagten Engländer beinahe um und er fasste sich endlich ein Herz und klopfte an die verschlossene Holztüre. Keine Reaktion. Panik erfasste den Erfinder und er klopfte erneut, diesmal lauter. Immer noch erhielt er keine Antwort. Als er schließlich kurz davor war, die Tür einzutreten, krächzte eine Stimme von drinnen:
„Ich bin noch nicht fertig!“, dann war es wieder still. Verwirrt fragte Watari:
„Womit bist du noch nicht fertig, L?“ Stille.
„Verdammt L! Es tut mir leid ich wollte dich nicht schlagen es ist nur…“, plötzlich öffnete sich die Türe und der schwarzhaarige Junge stand mit müdem Gesichtsausdruck vor ihm.Seine Wange war geschwollen und etwas getrocknetes Blut klebte an seinen dürren Armen, aber seine riesigen schwarzen Augen strahlten freudig und er zog Watari auf seinen geliebten Laptop zu. Dann drehte er das Gerät zu dem Erfinder um und deutete auf den Bildschirm.
„Das ist die Mörderin. Ich habe alle meine Gedankengänge aufgeschrieben…ich glaube ich sollte jetzt etwas…“, dann verdrehten sich Ls Augen nach oben und der Siebenjährige kippte ohne ein weiteres Wort bewusstlos von den Strapazen des Tages auf sein Bett.(2 Tage später)
Watari schritt ruhelos vor dem Raum auf und ab. Mittlerweile war er es leid, ständig vor verschlossenen Türen zu warten und er kam sich reichlich nutzlos vor. Als man ihn endlich ins Zimmer ließ, fühlte er sich, als hätte er Stunden auf dem leeren Flur verbracht.
„Sie haben sie.“, klärte ihn ein älterer Herr in einer Polizeiuniform auf.
„Offenbar hatte sie recht mit ihrer Vermutung. Das ist sehr beeindruckend Mr…“
„Nennen Sie mich einfach Wammy. Aber diesen Erfolg haben Sie nicht mir zu verdanken…“, fügte er geheimnisvoll hinzu. Wer außer L hätte darauf kommen können? Stolz erfüllte den alten Mann und er dachte daran, wie hart sein Junge gearbeitet hatte, nur um ihn glücklich zu machen, obwohl er doch so ungerecht zu ihm gewesen war. Er würde sich ihm gegenüber bessern, das schwor der alte Erfinder sich.Er hatte als einziger durchschaut, dass die Morde an den Kindern nur dem Zweck dienten, um Zeugen auszulöschen. Denn die Kinder aus der Nachmittagsbetreuung hatten ihre Lehrerin dabei belauscht, wie diese mit einem Komplizen das Verschwinden einer Leiche plante. Zwar hatten die Kinder sie nicht ganz verstanden, aber offenbar wollte die Lehrerin auf Nummer sicher gehen.
„Soso…“, murmelte der Polizist mit einem unverhohlen neugierigen Lächeln.
„Hätte besagte Person vielleicht Interesse an einer Karriere bei der Polizei?“ Watari lächelte nachsichtig.
„Vielleicht sobald er volljährig ist.“ Dem Polizisten klappte die Kinnlade nach unten und er stotterte.
„Sie…Sie meinen doch nicht…?“ Doch dann schob sich eine kleine gebückte Gestalt ins Zimmer und blickte die beiden Erwachsenen mit großen dunklen Augen an.
„Hallo…“, meinte er zögernd und streckte dem verdutzten Beamten eine verbundene Hand hin.
„Ich bin L.“...
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L's Geschichte (Death Note)
FanfictionIn dieser Geschichte geht es um die Vergangenheit von "L. Lawliet". Ich hoffe es gefällt euch.