Kapitel 30. Eine Erfahrung für sich

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Das erste, das L registrierte als er aufwachte, war ein schreckliches Pochen in seinem Schädel sowie ein unangenehm trockenes Gefühl im Mund. Aus unerfindlichen Gründe trug er nichts als graue Boxershorts. Stöhnend wollte er sich aufsetzten, aber die daraus resultierenden Schmerzen waren zu heftig. Es fühlte sich an, als würde ein Presslufthammer die Innenseiten seines Kopfes bearbeiten.Stattdessen sah er sich mit leicht angehobenem Kopf in dem vollkommen dunklen Zimmer um und versuchte angestrengt, irgendetwas zu erkennen. Die Umrisse der Möbel zeichneten sich schwach vom Rest des Raumes ab, aber L brauchte trotzdem einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen und herauszufinden, wo genau er sich befand.

Langsam gewöhnten sich seine rabenschwarzen Augen an die Dunkelheit. Sorgfältig sortierte er jedes kleine Detail, an das er sich noch erinnern konnte und plötzlich wurde ihm furchtbar schlecht. Es fühlte sich an, als hätte er jede Menge Zeug in seinem Magen, das da eindeutig nicht hingehörte und er schlug keuchend die Hand vor den Mund.Nun sprang er doch noch taumelnd auf und schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich ins Badezimmer zu retten, bevor er würgend über der Toilette zusammenbrach und seinen gesamten Mageninhalt in die Kloschüssel erbrach. Immer noch keuchend griff er nach etwas Toilettenpapier und wischte sich angeekelt über den Mund. Fluchend rappelte er sich auf und stolperte beinahe gegen die weiß-geflieste Wand, als er endlich den Lichtschalter ausmachte und mit einer zitternden Hand betätigte.

Das gleißende Licht versetzte ihm einen weiteren Stich und er massierte stöhnend seine pochenden Schläfen. Was zur Hölle?! Wieso fühlte er sich so verdammt beschissen? Schnaufend hängte er seinen Kopf unter die Wasserleitung und spülte sich gründlich den Mund aus, wobei er auch gleich gefühlte zehn Liter Wasser trank. Danach musste er sich beinahe schon wieder übergeben, riss sich aber zusammen und behielt die lebensnotwendige Flüssigkeit in seinem Bauch.

Mit müden Glieder schleppte er sich zum Bett und ließ sich mit dem Gesicht voran darauf fallen, worauf ein ungesundes Quietschen seitens des Möbelstücks die Stille in der Suite durchbrach.
Stille…wo zum Teufel war Watari? Und warum konnte L sich nicht an gestern Abend erinnern? Hatte er sich betrunken? Unmöglich! Er würde doch niemals…scheiße.
Wütend auf sich selbst schlug der junge Detektiv mit der Faust auf das Bettlaken und fluchte erneut. Was, wenn er irgendetwas Wichtiges ausgeplaudert hatte? Watari würde ihn umbringen! Außerdem hatte er mutwillig etwa eine Million seiner kostbaren Gehirnzellen unwiderruflich abgetötet!

Von Selbstvorwürfen geplagt lag der zerzauste Jugendliche noch eine Weile lang auf dem völlig zerwühlten Bett und krabbelte schließlich in Richtung Wohnzimmer. Auf dem Couchtisch befand sich ein kleiner Zettel in dem mit der unverkenntlichen feinsäuberlichen Handschrift seines Adoptivvaters geschrieben stand:

Ryuzaki,
Ich werde noch eine Weile an der Feier teilnehmen,
Wenn du deinen Rausch ausgeschlafen hast und ich noch nicht da bin,
kannst du eine Weile fernsehen.
Bitte mach nichts kaputt und lass die Finger vom Alkohol in der Minibar!

Mit freundlichen Grüßen,
Wammy

PS: Falls es dich interessiert, deine Tanzpartnerin von gestern wird noch zwei Tage hier im Hotel verbringen, du könntest sie später einmal besuchen wenn du willst. Zimmer 304

Lawliet starrte den Zettel noch einige Minuten perplex an und fixierte das Wort ‚Tanzpartnerin‘ mit schmalen Augen. War das ein schlechter Scherz? Wenn ja, dann fand er den Witz kein bisschen komisch! Er konnte noch nicht einmal besonders gut tanzen, nur ein paar Schritte, die er von Linda gelernt hatte.

 eine Zunge fühlte sich verdammt pelzig an und sein Kopf schien immer schwerer zu werden. Mit müden Augenlidern schleppte er sich zur Couch und ließ sich ächzend auf das Möbelstück fallen. Seine tauben Finger griffen nach dem nahe liegenden Laptop und der junge Detektiv öffnete das Gerät. Er positionierte sich möglichst bequem und mit dem Laptop auf dem Schoß auf dem Sofa, während er ein wenig über Alkoholvergiftungen recherchierte.

Nach zirka zwanzig Minuten fühlte er sich immer noch, als hätte ihn ein mittelgroßer Doppeldeckerbus angefahren, aber die Kopfschmerzen waren etwas zurückgegangen. Lawliet hatte sich offenbar wirklich betrunken…er war so ein Idiot. Immer noch völlig fertig klappte er den Laptop wieder zu und las zum dritten Mal Wataris Notiz.
Zimmer 304…
Nachdenklich warf er einen flüchtigen Blick auf die Uhr.

4:20

Watari muss sich ja ganz schön gut unterhalten, wenn er immer noch nicht zurück ist. L stellte sich erst einmal eine Weile unter die Dusche und sein Körper sammelte langsam wieder etwas Energie. Seufzend suchte er sich einige Klamotten aus dem begehbaren Kleiderschrank. Das erste was ihm in die Hände fiel, waren einer der L-Pullover und eine schwarze Hose, welche er eilig überstreifte und dann zum Telefon griff.
„Ja?“ meldete sich eine müde Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Hallo? Hier ist Ryuzaki aus Zimmer 307. Ich würde gerne etwas bestellen…“
Dann würde er es sich eben etwas gemütlich machen…

…Watari stolperte unsicher auf sein Zimmer zu. Es war mittlerweile fünf Uhr morgens, aber der alte Engländer hatte sich prächtig amüsiert. Dennoch machte er sich Sorgen um Ryuzaki, der völlig betrunken und komplett alleine in der Suite vor sich hinvegetieren musste. Mit tauben Fingern fummelte er an dem Zimmerschlüssel herum, bis er es schließlich fertigbrachte, die Tür aufzuschließen.

„Hallo? Ryu…“ Er brach mitten im Satz ab und erstarrte. Fast das gesamte Zimmer war von Dessert-, Kuchen- und anderen Süßigkeitenverpackungen gefüllt. Beinahe jeder Quadratzentimeter Boden war bedeckt und inmitten der Verwüstung hockte L und sah sich seelenruhig einen Krimi an, wobei immer wieder kleine Zuckerwürfel ihren Weg in seinen Mund fanden.
„RYUZAKI!“ zischte der Erfinder und brachte alle seine Selbstbeherrschung auf, um den jungen Detektiv nicht auf der Stelle zu erschlagen.
„Ah, Quillish. Du bist zurück.“ stellte der Schwarzhaarige mit vollem Mund fest und deutete dann strahlend auf den Bildschirm. „Die Filme hier sind echt gut!“

Wammy atmete tief durch und ging dann langsam auf seinen Schützling zu, bevor er sich drohend vor ihm aufbaute und den Blick auf den Fernseher versperrte. L sah ihn nur mit großen rabenschwarzen Augen direkt an und wartete. Watari erkannte einen Funken Belustigung in seinem Blick und seine Faust zuckte leicht.
„Ryuzaki. Ich bin müde und werde jetzt schlafen. Wenn ich aufwache, ist hier alles sauber, und es ist mir völlig egal, wie du das bewerkstelligst. Sollte das nicht der Fall sein, wirst du den nächsten Monat hier keine einzige Süßigkeit zu Gesicht bekommen.“ erklärte er ruhig und Ls Gesicht fiel in sich zusammen. Wortlos drehte der Erfinder sich um und marschierte auf sein Schlafzimmer zu.

L blieb noch eine Weile auf der Couch sitzen, bevor er sich sicher war das Watari schlief und rief dann kurzerhand eine Putzfirma an, die sich um das Problem kümmern würde. Danach legte er sich entspannt auf die Couch und begann einen weniger anspruchsvollen Fall zu bearbeiten.

L's Geschichte (Death Note) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt