Kapitel 21. Akane Teil 2

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„Naja ich will nicht zu lange um den heißen Brei herumreden. Lawli, ich weiß was du jetzt denkst, vielleicht hast auch gar nicht du das hier gefunden, aber du wirst es früher oder später hören. Jedenfalls ist mir klar, was dein verdammtes Superhirn sich zusammengereimt hat, und nein, ich hab mich nicht umgebracht.“

L spürte, wie eine unglaubliche Erleichterung durch seine Glieder strömte und es Linda offenbar ähnlich ging.

„Ja ja, tut mir leid, ich weiß ich bin feige, aber dramatische Abschiedsszenen waren noch nie so mein Ding, und ich will nicht, dass ihr mich am Ende auch noch überzeugt, zu bleiben. Falls ihr mich überhaupt haben wollt.
Aber darüber will ich nicht reden. Ich will euch nur kurz erklären, dass ihr mich nicht suchen oder verfolgen sollt. Ich will mein eigenes Leben leben, und ich bin nicht so hilflos, wie man es vermuten könnte.
Lawlipop, das bisschen Geld von deinem Konto zahl ich dir irgendwann zurück, versprochen. Ich bezweifle ohnehin, dass es dir überhaupt fehlt, aber mein schlechtes Gewissen ist nicht zu leugnen. Ach ja, und du solltest dich mehr um deine Haare kümmern, wenn du nicht willst, dass sich irgendein Tier da oben einnistet und dir deinen Schlaukopf anknabbert.

Da ich sicher bin, dass du das hier als erstes hören wirst, fang ich auch gleich mal an, mich bei dir zu bedanken.
Du bist vielleicht ein ziemlicher Besserwisser mit der sozialen Kompetenz eines Toastbrots und dem Taktgefühl einer Teigtasche, aber ich hab dich wirklich ins Herz geschlossen. Versuch dich nicht durch deine Arbeit in Gefahr zu bringen oder aus dem Fenster zu fallen, und wenn du mich irgendwie aufspürst lass mir eine Nachricht zukommen. Wir könnten zusammen Kuchen essen gehen.
Und du solltest wieder einmal zu dem Waisenhaus gehen und dieser alten Schachtel Wyler von mir in den Arsch treten. Ich würde gern ihr Gesicht sehen. Machst du das für mich? Gut.Und such dir eine Freundin, wenn Linda schon an A vergeben ist.Werd glücklich.  Möglicherweise laufen wir uns mal wieder über den Weg. Bis dahin. Sayōnara.“

L zitterte und umfasste das Diktiergerät so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Warum ist sie bloß weggegangen? Warum genau SIE.

„Wie ich dich kenne hast du sicher Linda geweckt, um mit ihr nach mir zu suchen. Folglich wird sie jetzt neben dir sitzen und mir ebenfalls zuhören. Linda, ich kann dir gar nicht sagen wie dankbar ich dir bin. Ohne deine Hilfe wäre mein Alltag eine Katastrophe gewesen.Wie kann ein Mensch so geduldig sein? Aber egal, kann ja nicht jeder so verkorkst sein wie ich oder Lawli. Sorry, ich meine natürlich Ryuzaki.
Eigentlich müsste ich mich bei euch allen bedanken, vor allem Wammy, der mich immerhin hier her geholt hat. Also danke. Scheiße, ich komm mir vor wie in so einer schnulzigen Liebesromanze. Gibt’s das Wort? Egal.
A, sag Linda endlich das du sie magst, dass seh´ sogar ich. Kinder hin oder her, ihr seid für einander bestimmt.
Und richtet Beyond bitte aus er soll genauso verrückt und motiviert für’s Leben bleiben wie er ist. Ich hab mich hier wirklich wohl gefühlt mit euch, macht das Beste draus…“

Linda lächelte schwach und sogar Ls Mundwinkel zuckten kaum merklich nach oben.„So, mehr hab ich nicht zu sagen. Adiós.“Im Raum wurde es totenstill, nur Beyonds leises Schnarchen hallte von den Wänden wieder. Ein einziger Gedanke drängte sich in Lawliets Bewusstsein und schmerzlich wurde ihm bewusst, dass seine Schwester nicht mehr zurückkommen würde. Sie war weg. Vielleicht für immer.

Watari starrte nachdenklich das Diktiergerät auf seinem Schreibtisch an. Seltsam. Es war fast ausgeschlossen, dass Akane sich ohne Hilfe aus dem Staub gemacht hatte, aber der alte Erfinder konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wer ihr denn geholfen haben könnte. Aber immerhin war die junge Frau schon längst erwachsen und konnte eigentlich hingehen, wohin auch immer sie wollte.

Ein schrilles Klingeln riss ihn ziemlich gewaltsam aus seinen Überlegungen und der Weißhaarige griff überrascht nach dem Hörer des Telefons.
„Roger? Was gibt es?“ meldete er sich.
„Ja, da ist eine Frau die dich gerne sprechen würde…“ kam es sofort von seinem Freund.
„Name?“ erkundigte er sich stirnrunzelnd. So früh am Morgen hatten sie selten Gäste.
„Hat sie noch nicht erwähnt.“ erklärte Roger vom anderen Ende der Leitung.
„Schick sie bitte in mein Büro. Vielen Dank, Roger.“ wies er ihn an.

Er legte auf und Neugier über die Identität der Besucherin ergriff ihn. Vielleicht wollte die Frau ja ein Kind adoptieren? Das käme ihm sogar sehr gelegen, denn es war sehr schwierig, vertrauenswürdiges Personal aufzutreiben und die momentanen Betreuer waren mit der Anzahl an jungen Genies bereits ziemlich ausgelastet. Ein leises Klopfen ertönte und Watari sah auf. Eine schmal gebaute Frau, die Wammy auf zirka dreißig schätzte, schob sich vorsichtig in den hellen Raum und sah sich interessiert um. Sie trug ein hübsches hellblaues Kleid das knapp über ihre Knie reichte und eine kunstvolle Hochsteckfrisur, die beinahe jedes der hellbraunen Haare perfekt an Ort und Stelle hielt. Ihre schmalen Augen waren von dichten Wimpern und vereinzelten Lachfältchen umrahmt und sie hatte eine sehr sympathische Ausstrahlung.

„Was kann ich für Sie tun?“ fragte Watari und lächelte die unerwartete Besucherin freundlich an.
„Ich würde mich gerne um eine Stelle bewerben, da ich vor kurzem meinen Beruf als Lebensmittelverkäuferin unter sehr unglücklichen Umständen verloren habe. Genauer gesagt habe ich wegen der unpraktisch weiten Fahrstrecke gekündigt, da ich mir zurzeit keinen Umzug leisten kann.“ antwortete die Frau und trat zögernd etwas näher. 
Watari bot ihr einen Stuhl an, nicht ohne ihr vorher den beigen Mantel abzunehmen, wie es sich eben für einen wahren Gentleman gehört. Die Fremde bedankte sich höflich und setzte sich mit übereinander geschlagenen Beinen gegenüber von Watari in den bequemen Sessel.
„Darf ich erst einmal um Ihren Namen bitten?“ fragte er und kramte in einer der Schreibtischschubladen nach einem geeigneten Formular und reichte es der Braunhaarigen.
„Wenn Sie das bitte ausfüllen würden…“
„Gerne. Ich heiße Madigan. Evelyn Madigan.“
„Freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Nennen Sie mich einfach Wammy.“

L saß deprimiert in der Küche des Waisenhauses und umklammerte seine immer noch viel zu dünnen Beine mit beiden Armen, wobei er immer wieder von aussichtslosen Selbstvorwürfen geplagt wurde. Wie konnte Akane ihn genau jetzt verlassen? Wo er sich ihr doch gerade erst anvertraut hatte? Vertraut hatte…Ein leises Quietschen ertönte und L warf einen desinteressierten Blick in Richtung Tür, als plötzlich eine Frau im blauen Kleid den Raum betrat und offenbar gerade eine Tasse zur Spüle trug. Die Blicke der beiden begegneten sich und es schien ihm, als würde die Zeit stehen bleiben. 

Braune Augen trafen seinen nachtschwarzen Blick und die jähe Spannung war beinahe greifbar. Für einen kurzen Moment, der beiden wie eine Ewigkeit vorkam, sagte niemand etwas. Dann zerschellte die Tasse mit einem lauten Klirren auf den hellgrauen Fliesen und Madigan schloss ihr verloren geglaubtes Lieblingskind stürmisch in die Arme. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis Lawliet die Umarmung ebenso innig erwiderte und sie sollten sich für geraume Zeit nicht mehr loslassen…

L's Geschichte (Death Note) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt