(12 Jahre)
„Hast DU das gemalt?“ fragte L verblüfft, während er die Skizze begutachtete. Linda nickte stolz und lächelte.
„Das bist du auf einer riesigen Erdbeere.“ erklärte sie. Wammy’s beherbergte ausschließlich sehr begabte Kinder, aber eher, was Intelligenz betraf. Linda war zwar außergewöhnlich klug, reichte jedoch nicht einmal annähernd an A, B oder gar L heran. Aber das blonde Mädchen hatte ihre Begabung gefunden…Sie war eine leidenschaftliche Zeichnerin und konnte schon mit ihren sechs Jahren besser malen, als alle ihre ‚Brüder‘ zusammen. Wammy hatte daher kurzerhand beschlossen, sie auf diesem Gebiet speziell zu fördern.
L allerdings hockte nur in seinem Zimmer und löste Fall für Fall, lernte Fremdsprachen und sogar Klavier. Wie eine Maschine. Manchmal ging er noch nach draußen, um allein zu spielen oder sich mit der mittlerweile erwachsenen Akane zu unterhalten, aber das Grundstück verließ er nie.Einmal wollte Watari das Zimmer seines Schützlings, das dieser sich immer noch, mehr oder weniger freiwillig, mit B teilte, betreten, fand aber nur eine verschlossene Tür vor. Er fragte sich wieder einmal, ob es richtig gewesen war, das junge Genie komplett von der Außenwelt zu isolieren, aber der Erfinder könnte es nicht ertragen, seinen geliebten Schützling zu verlieren. Viel zu sehr war ihm der kleine Zuckermagnet ans Herz gewachsen.
Als der Junge endlich nach einigen Stunden die Tür öffnete, lächelte er zufrieden und hielt Watari seinen Laptop unter die Nase. Auf dem reinweißen Bildschirm war nur ein großes schwarzes L in kalligraphischer Schrift abgebildet.
„Was ist das?“ fragte der Engländer verwirrt.
„Das bin ich.“ erklärte Lawliet und grinste zufrieden.…
Ls neues Synonym wurde schneller bekannt, als Watari lieb war. Nun existierte der Meisterdetektiv unter dem Decknamen offiziell und arbeitete mehr als einmal direkt über den Computer mit der Polizei zusammen. Die Zahl seiner Bewunderer stieg von Fall zu Fall, aber auch immer mehr Menschen wollten den mysteriösen Meisterdetektiv tot sehen. Der Erfinder war besorgter denn je und versuchte Lawliet zu überreden, vorsichtiger zu sein und die brenzligen Fälle was Bandenkriege oder Drogendelikte betraf, den erfahreneren Detektiven überlassen. L schlug jedoch alle Warnungen in den Wind und schien völlig fixiert auf die Vorstellung einer ‚gerechten Welt‘ zu sein.
Unermüdlich hockte er vor seinem Laptop und sortierte Akten oder studierte Fotos von Mordopfern, während er unendliche Berge an Coffein und Süßigkeiten konsumierte. Gelegentlich ließ er sich im Aufenthaltsraum blicken und spielte einen Tennisball gegen die Wand, um seine Gedanken zu ordnen, oder er spielte Schach mit Beyond und A. Watari wunderte sich wirklich, woher das Kind seine Motivation nahm.
Wenigstens hatte er seine Minderwertigkeitskomplexe einigermaßen überwunden und schien ein gesundes Ego zu entwickeln. Watari lernte Eigenschaften an ihm kennen, die ihm bisher noch völlig verborgen geblieben waren. Offenbar war der junge Detektiv sehr ehrgeizig, stur und es machte ihn komplett fertig, zu verlieren.Manchmal arbeitete er tagelang an einem Fall, ohne zu schlafen und suchte nur selten das Badezimmer auf. Seine ohnehin schon sehr ausgeprägten Augenringe verdunkelten sich zunehmend und er lächelte nur noch selten.Wammy stellte betrübt fest, dass er kaum noch etwas Kindliches an sich hatte, sondern mehr und mehr wie ein Zombie mit gekrümmtem Rücken durch die Gegend stapfte. Sogar Linda erreichte ihn kaum noch, wenn sie mit ihm sprach. Er schien sich stets in einer eigenen Welt zu befinden, in der es so etwas wie soziale Kontakte oder physische Nähe nicht gab. L Lawliet war gestorben und zu einem fälle-lösenden Roboter verkommen, der nur noch seine Arbeit im Kopf hatte. Und Watari fragte sich täglich, was er falsch gemacht hatte…
…
„Roger…ich glaube du hattest recht.“
„Du hast fünf Jahre gebraucht um das einzusehen.“
„Ich weiß.“ antwortete der Erfinder geknickt und ließ sich Roger gegenüber auf einem der hübschen alten Stühle in seinem Büro nieder.
„Was erwartest du von mir, Watari?“ fragte Roger kühl.
„Einen Rat?“
„Wenn du meine Meinung hören willst, unternimm was mit ihm. Fahrt in den Vergnügungspark oder so, mach mit ihm, was normale Väter mit ihren Söhnen unternehmen.“
„Hm.“ Der Erfinder überlegte. Das war tatsächlich eine gute Idee. Der angehende Teenager könnte etwas Abwechslung gebrauchen. Vielleicht hatte er nur kein Interesse am Leben in der Außenwelt, weil er es nie kennengelernt hatte.
„Danke, Roger.“ Roger seufzte.
„Nimm A und B auch mit, sonst werde ich hier noch wahnsinnig.“…
Lawliet hockte mit angezogenen Knien und an die Lippe gelegtem Daumen auf seiner Matratze und überflog gedankenverloren einige Dokumente, als die Tür plötzlich aufgerissen wurde und B mit angsterfülltem Gesicht hereinstürmte.
„FEUER! ES BRENNT!“ kreischte der Rotäugige und L fiel vor Schreck fast aus dem Bett. Blitzschnell war er wieder auf den Beinen und packte Beyond etwas grob an der Schulter.
„WAS?! Wo?“ schrie er ihn panisch an.Doch dann brach der Siebenjährige in schallendes Gelächter aus und wischte sich die Lachtränen aus den roten Augen, während L ihn nur finster ansah.
„Idiot.“ murmelte der Ältere und wollte sich schon wieder auf sein Bett hocken, als B ihn an der Hand packte und aus dem Zimmer zerrte.
„B! Was soll das?“ knurrte er und wollte sich losreißen, wurde aber von A unterbrochen, der ebenso aufgeregt wie Beyond aussah und nervös auf und ab sprang. Eine gewisse Ähnlichkeit zu einem Känguru auf Drogen war vorhanden.Schließlich kam auch Watari selig lächelnd um die Ecke, gefolgt von einer geradezu strahlenden Linda und einer sichtlich gelangweilten Akane.
„Watari, du solltest den Kindern keine Drogen geben.“ bemerkte L mit einem kurzen Blick in Richtung der beiden beinahe hyperventilierenden Genies.
„Du redest, als wärst du selbst kein Kind mehr.“ murmelte sein Betreuer gedankenverloren.
„Wir fahren in den Vergnügungspark!“ kreischte A plötzlich los und drehte eine Runde um den verdutzten Lawliet, der ihn mit ungläubigem Blick anstarrte.
„Vergnügungspark? Wieso?“ fragte er verwirrt.
„Erstens, L, weil du übermorgen Geburtstag hast, und zweitens zum Vergnügen.“ klärte Watari ihn auf.
„Ich kann nicht, ich muss…“ wollte der Schwarzhaarige widersprechen, aber Akane fiel ihm scharf ins Wort:
„Halt den Mund, L! Wenn du älter bist kannst du immer noch dein Leben mit Arbeit vergeuden! Es hilft niemandem, wenn du dich schon mit deinen zwölf Jahren so verausgabst!“L dachte kurz darüber nach, dann nickte er. Irgendwie hörte sich das ganze so…verlockend an, im Vergleich zu einem weiteren Tag vor seinem Laptop. „Seht es als Belohnung für die begabtesten Kinder hier. Wir fahren in einer halben Stunde los. L, zieh dir was Ordentliches an.“ befahl der alte Erfinder ruhig und marschierte dann ohne ein weiteres Wort davon.
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L's Geschichte (Death Note)
FanficIn dieser Geschichte geht es um die Vergangenheit von "L. Lawliet". Ich hoffe es gefällt euch.