(8 Jahre)
L starrte andächtig das Stück Schokoladenkuchen vor sich an, während die anderen Kinder sich bereits gierig über ihren Nachtisch hermachten. Wie konnten sie diese Süßigkeit für so selbstverständlich halten? Seit zwei Jahren war er nun hier, und immer noch war er so unendlich dankbar für jede Mahlzeit, die er vorgesetzt bekam. Im Waisenhaus hatte er, wenn überhaupt, nur einige Reste abbekommen, da die anderen Kinder es irgendwie amüsant fanden, Lawliets Portion unter sich aufzuteilen. Dabei liebte das Schwarzhaarige Süßes über alles!
„Hey Lawli, was hat Schwester Wyler dir übers Teilen gesagt?“
„Hey Ellie, willst du mir nicht etwas abgeben?“
„Na was ist, Zombie, hör auf so gierig zu sein!“Der Schwarzhaarige zuckte zusammen, als er sich diese schrecklichen Erinnerungen wieder ist Gedächtnis rief. Er war so erleichtert, sich nicht mehr um seine nächste Mahlzeit sorgen zu müssen!Genüsslich schob er sich eine Gabel Kuchen in den Mund. Wenigstens schlugen ihn die anderen hier nicht! Vielleicht mochten sie ihn nicht besonders, hielten ihn für einen Angeber oder einen Sonderling, aber bis auf gelegentliche Beschimpfungen ließen sie ihn in Ruhe. Vielleicht waren sie auch neidisch, dass sein Geburtstag immer besonders gefeiert wurde und mehr als die Hälfte der Anderen ihren eigenen nicht kannten. Aber L konnte schließlich nichts dafür, dass dieser Tag mit Halloween zusammenfiel und deshalb ohnehin eine kleine Feier stattfand.
Wenn sie nur wüssten, dass der Junge, für den sie nichts als Verachtung übrig hatten, in wenigen Jahren der berühmteste Privatdetektiv der Welt werden würde…Lawliet machte sich wenig aus der Meinung anderer, aber er sehnte sich doch nur nach einem Mindestmaß an Wertschätzung, war das wirklich zu viel verlangt? War es undankbar? Falsch?
Aber immerhin hatte er sogar Freunde, oder zumindest etwas Ähnliches. A und Akane verurteilten ihn nicht aufgrund seines fragwürdigen Aussehens, was aber höchstwahrscheinlich daran lag, dass Akane ihn gar nicht sehen konnte und A noch ein unschuldiges naives Kleinkind war. Aber immerhin besser als sich ständig verprügelt und ausgehungert durch den Tag zu quälen. Alles war besser.
Und Lawliet genoss seine neue Bildung. Klar wurde viel von den Kindern verlangt, aber das junge Genie wollte so viel wie möglich lernen. Seit einem Jahr durfte er sogar manchmal der Polizei bei ihren Fällen helfen, aber Watari bestand darauf, dass er zuerst seine Grundausbildung abschloss. Endlich wurde er ordentlich gefördert.
Trotz all dieser neuen Privilegien tat es dem Achtjährigen weh, dass die Kinder in seinem Alter ihn bestenfalls ignorierten. Er wurde nie gefragt, ob er mit nach draußen spielen gehen wollte. Vielleicht sollte er selbst fragen? Ja, vielleicht müsste er einfach den ersten Schritt machen, es würde ihm schließlich keiner hinterherlaufen! Ein Funken Selbstvertrauen keimte in dem Jungen auf und er ballte entschlossen die Hände zu Fäusten.
Selbstsicher stand er nach Beendigung seiner Mahlzeit auf und ging möglichst zielstrebig zu einer Gruppe Kinder hinüber. Er erkannte Jane und Emely, zwei Mädchen die etwas in Lawliets Alter waren, sowie Jacob und Billy, beide etwas älter als der Schwarzhaarige. Ls Selbstvertrauen bröckelte leicht, aber er schlurfte weiter auf die vier Waisen zu. Diese warfen ihm einen kurzen Blick zu, als wäre er etwas, das sie nach dem Essen wieder hervorgewürgt hatten.
„Hallo…“, begann Lawliet zaghaft und schaute dann etwas unsicher in die Runde.
„Was willst du?“, fragte Jacob sofort. Er war einer der Ältesten und ziemlich kräftig. Seine hellblonden Haare standen in alle Richtungen ab und er hatte stechend grüne Augen.
„Also…ich wollte fragen ob…ich vielleicht mitspielen könnte?“ Hoffnungsvoll schaute er die Kinder aus seinen rabenschwarzen Augen an und als diese nichts sagten, wurde er langsam verlegen.
„Nur wenn es euch nichts ausmacht.“, fügte er noch schnell hinzu und sein Herz sank, als Billy ihm entgegenspuckte:
„Wieso? Hat Wammy genug von dir? Sind dir die Bücher ausgegangen?“ L blinzelte verwirrt. Wovon redeten sie da bitte? Und warum schrie Bill ihn so an?
„Ich weiß nicht, was ihr meint…“, begann er und bereute bereits, herübergekommen zu sein.
„Soso, dafür, dass du so klug bist, benimmst du dich ganz schön begriffsstutzig!“, fuhr Jacob ihn an. Dann fingen alle vier schadenfroh an zu lachen und L konnte das Blut ihn seinen Ohren rauschen hören. Tränen stiegen in seinen Augen hoch, aber er kämpfe sie entschlossen zurück.„Warum lacht ihr mich aus? Darf ich nun mitspielen oder nicht?“, murmelte er kläglich. Die vier tauschten vielsagende Blicke.
„Okaaay.“, sagte Jane dann gedehnt. „Wir spielen verstecken. Du musst uns suchen! Zähl bis hundert und komm dann, es ist aber nur im Garten erlaubt, sich zu verstecken!“L grinste bis über beide Ohren und sein Herzschlag beschleunigte sich rasend. Sie hatten wirklich ja gesagt! Er durfte mitspielen! Das kleine Genie verdrängte ihre anfänglichen beleidigenden Worte und freute sich einfach nur. Überglücklich nickte er mit dem Kopf und seine zerzausten Haare flatterten wie wild. Blitzschnell raste er in den Garten und stellte sich voller Vorfreude mit dem Kopf zur Hausmauer, wobei er leise anfing zu zählen.
Als er bei hundert angelangt war, rief er so laut er konnte:
„Versteckt oder nicht! Ich fang jetzt an zu suchen!“ Und er suchte…und suchte…und suchte…und suchte. Als er beinahe jeden Stein in dem riesigen Garten umgedreht hatte und bereits zwei oder drei Stunden vergangen waren, ließ er sich erschöpft gegen einen alten Baum fallen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es wurde langsam dunkel…
„Hallo? Ich gebe auf…ihr habt gewonnen! Ihr könnt jetzt rauskommen…“, rief er niedergeschlagen, erhielt aber nur eisiges Schweigen als Antwort.Verwirrt tappte er über den Rasen und erblickte einige andere Kinder, die auf der großen Wiese vor dem Waisenhaus mit einem ledernen Ball spielten.
„Habt ihr Jane und…“ Der Schwarzhaarige wurde abrupt unterbrochen, als der Ball direkt auf ihn zuflog. Instinktiv sprang er hoch und schloss seine Arme und das runde Leder. Triumphierend umklammerte er den Ball und schaute auf, wobei er jedoch nur in fünf wütende Gesichter starrte.„Das war mein Pass!“, keifte ein älterer Junge verärgert. „Verzieh dich nach drinnen zu deinen Büchern du Freak!“ Ls Herz blieb vor Schreck beinahe stehen und er ließ den Ball geschockt fallen. So schnell er konnte stolperte er ins Haus zurück und presste sich dort ängstlich gegen die Türe, in der Erwartung sie würden ihm nachlaufen und ihn zusammenschlagen. Zu seiner großen Erleichterung, hatten die Waisen ihn aber offenbar schon vergessen und spielten lachend weiter.
L legte den Daumen an die Lippe und dachte angestrengt nach, wo er noch suchen könnte, als er plötzlich ein Kichern ganz in der Nähe wahrnahm. Auf Zehenspitzen schlich er in die Richtung, um dem Geräusch auf den Grund zu gehen. Vor dem Aufenthaltsraum blieb er stehen und lauschte angestrengt durch einen Spalt in der Tür.
„Glaubt ihr, er sucht uns immer noch?“, gluckste Jane gerade.
„Habt ihr seinen Blick gesehen? Versteckt oder nicht…“, äffte Billy L gehässig nach.
„Ja…als ob man mit ihm richtig spielen könnte…gruseliger Typ!“, kam es giftig von Emely.L spürte, wie ihm schon wieder die Tränen in die Augen stiegen. Den Rest konnte er sich selbst zusammenreimen, und dafür musste man kein Jahrhundertgenie sein…Da bemerkten die anderen den Schwarzhaarigen im Türrahmen und von Emely kam ein betretenes:
„Oh oh…“, aber L hatte sich schon wortlos umgedreht und war langsam und mit gesenktem Kopf davongeschlurft.„Es tut mir leid…, ich hatte nicht die Absicht euch zu belästigen, ich werde nicht mehr fragen…“, murmelte er geknickt, während die vier Anderen ihm etwas verdattert hinterhersahen, aber nichts unternahmen, um den Schwarzhaarigen zu trösten. Die Tränen strömten nun ungehindert über sein blasses Gesicht und er fragte sich, wie um alles in der Welt er so naiv hatte sein können. Als ob jemand mit IHM spielen wollte! Er fühlte sich so…gedemütigt. Und L hasste dieses Gefühl!
Auf seinem Zimmer legte er sich aufs Bett und rollte sich, wie immer, wenn er sich einsam fühlte, zu einer Kugel zusammen und legte einen Finger an die farblosen Lippen. Es verwirrte ihn. Niemand hatte ihn verletzt, er blutete nicht und keiner hatte ihn geschlagen…aber wieso tat das dann so verdammt weh?!
...
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L's Geschichte (Death Note)
FanfictionIn dieser Geschichte geht es um die Vergangenheit von "L. Lawliet". Ich hoffe es gefällt euch.