Der Anfang

26 1 0
                                    

Einige Zeit später fuhren die vier mit Kaibas Limousine und einem Chauffeur zu den Docks. Die zwei weiblichen Mitfahrer waren rundum zufrieden mit sich, während die beiden Männer vor sich hin grummelten. Sie waren absolut dagegen gewesen jemanden mitzunehmen und hatten sich auch bei ihren kleinen Brüdern durchsetzen können, bei ihren Schwestern allerdings hatten sie auf Granit gebissen. Diese hatten darauf bestanden mitzukommen und hatten die Jungs mit dem Argument, dass sie, sollten die Herren nicht gewinnen, sowieso dran glauben würden, da könnten sie auch in der ersten Reihe ihrem Untergang entgegensehen und so vielleicht doch noch helfen. Außerdem hatte sich Eva auf ihr Versprechen Yami gegenüber berufen, was ihm einen eisigen Blick von Kaiba eingebracht hatte. Yugi hatten sie nur davon abhalten können, als sie ihm sagten, dass jemand auf Mokuba aufpassen musste und Yami noch hinzufügte, dass Yugi, falls sie verlören, ihre letzte Hoffnung sein würde und er sich dann gegen Anubis würde stellen müssen. Jetzt allerdings herrschte schweigen zwischen den vieren, bis sie an der Stelle angekommen waren, an der Kaiba eine Anomalie im Ortungssystem festgestellt hatte, diese Stelle wurde nämlich nicht angezeigt.
Die Limousine hielt und die Jungs stiegen aus: „Ihr bleibt im Auto, da ist es sicherer.", befahl Kaiba. „Wir sind keine kleinen Kinder mehr und können sehr gut auf uns selbst aufpassen, außerdem beherrschen wir beide Selbstverteidigung. Und du hast doch selbst gesehen was ich kann.", meckerte Rikki, der es gar nicht gefiel im Auto sitzen zu sollen, während die Jungs sich in Gefahr begaben. „Nichts da, ihr bleibt sitzen. Vergiss nicht, dass Eva dich im Moment nicht unterstützen kann. Die darf ihren Fuß nämlich nicht belasten. Oder hast du das schon wieder vergessen.", erinnerte Yami sie und schloss die Tür bevor Rikki auch nur noch ein Wort sagen konnte. Verdattert starrte diese auf die geschlossene Autotür: „Das gibt's doch nicht, wer denken die, dass sie sind?" „Reg dich ab Rikki, Yami hat Recht, ich wäre momentan nur eine Last wenn uns jemand überfallen würde.", antwortete Eva müde und lehnte sich in den Sitz zurück. Auch Rikki spürte jetzt eine seltsame Müdigkeit, die sich langsam ihrer bemächtigte und es ihr schwer machte die Augen offen zu halten. Bevor sie Eva fragen konnte, was hier los war, war sie auch schon eingeschlafen. Eva bemerkte dies und sie hatte ebenfalls bemerkt, dass der Fahrer das Fenster zwischen ihnen und sich geschlossen hatte. Sie versuchte noch die Tür oder die Fenster irgendwie zu öffnen, als der Schlaf auch sie übermannte. Mit einem Grinsen im Gesicht startete der Fahrer den Motor und fuhr mit der Limousine davon.
Yami und Seto, welche sich schon ein gutes Stück vom Auto entfernt hatten, fuhren herum, als sie die Reifen eines Autos quietschen hörten. Fassungslos sahen sie der Limousine hinterher. „Im Auto sind sie sicherer, ja?", Yamis Stimme troff vor Sarkasmus. Kaiba beschloss sich den Kommentar zu überhören und sich lieber darauf zu konzentrierten die Mädchen zurück zu holen. So zückte er sein Smartphone und rief in der Firma an. Kurz darauf hatte sein Sekretär ihm den Standort des Autos durchgegeben und die Beiden hatten sich in aller Eile dorthin begeben. Sie erreichten ein Lagerhaus, welches sich in nichts von den anderen unterschied und auf das sie sonst nicht aufmerksam geworden wären. Sie öffneten die schwere Tür und betraten das Lagerhaus, die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss und im Lagerhaus wurde es stockfinster. Gerade als sie sich fragten, wie sie in dieser Dunkelheit ihre Schwestern finden sollten, fing Yamis Puzzle an zu leuchten. Auf der anderen Seite des Raumes reagierte etwas auf dieses Leuchten und es bildete sich ein großes, goldenes Portal. „Die Lichtshow ist immer noch so schlecht wie das letzte Mal. Der könnte sich wenigstens mehr Mühe geben, wenn ich schon extra herkomme.", meckerte Kaiba. Yami, welcher Kaibas Reaktion allem nicht-wissenschaftlichem gegenüber schon kannte, reagierte darauf nur noch mit einem resignierten Kopfschütteln und schritt auf die wirbelnde Fläche zu. „Komm jetzt Kaiba. Je länger die Mädchen in Anubis Gewalt sind umso größer ist die Gefahr, dass er ihnen etwas antut.", Yami drehte sich noch mal zu Kaiba um. Dieser wollte etwas erwidern, jedoch tauchte vor seinem inneren Auge auf einmal Rikki auf, wie sie am Morgen in seinen Armen gelegen hatte und er schluckte seinen, mit Sicherheit gehässigen, Kommentar hinunter. So näherte er sich argwöhnisch dem goldenen Rund und warf Yami noch einen Blick zu: „Und da sollen wir durch? Bist du sicher?" Yami sparte sich die Antwort und schritt durchs Portal. Verärgert, dass er ignoriert wurde folgte Kaiba ihm. Als sie die andere Seite des Portals erreichten standen sie vor einer großen, goldenen Tür, welche mit schwarzen Hieroglyphen überzogen war. Bevor Yami die Hieroglyphen lesen konnte hatte Kaiba schon die Tür geöffnet und ein starker Windstoß hatte sie erfasst. Nachdem die Beiden durch die Tür waren, schloss sie sich wieder.
Eva erwachte mit starken Kopfschmerzen, von denen sie nicht wusste woher sie kamen. Sie ignorierte sie aber erst mal, als ihr einfiel, dass sie und Rikki wohl betäubt worden waren und sie bemerkte, dass sie sich nicht mehr im Auto befand. So blickte sie sich erst mal um. Neben ihr lag Rikki, welche jetzt auch anfing sich zu regen. „Wo sind wir?", fragte Rikki, kaum dass sie sich aufgesetzt hatte. Eva sah Rikki genervt an: „Woher um alles in der Welt soll ich das wissen. Wenn Madame sich erinnern will: ich wurde auch im Auto betäubt und entführt." „Jaja, die Frage war blöd, ich weiß. Aber du brauchst nicht gleich so schnippisch zu werden. Ich glaube ja nicht, dass Yami diese Seite an dir besonders anziehend finden würde.", maulte Rikki zurück. „Wieso sollte es mich interessieren was Yami anziehend findet.", fauchte Eva. „Oh, hör doch auf so zu tun als ob er dir egal wäre. Mittlerweile weiß doch sogar der letzte Dorftrottel, dass du ihn liebst. Und ich kann ja nichts dafür, dass er in dir nicht mehr als eine gute Freundin sieht. Du solltest endlich mal aufhören ihm hinterher zu laufen, das ist doch peinlich." In Evas Gesicht zeichneten sich rote Flecken ab: „Tatsächlich und das sagt ausgerechnet diejenige, die meinem Bruder so schamlos hinterher steigt. So wie du ihn immer anschmachtest, würde es mich wundern, wenn er deiner bald überdrüssig ist." „Ach ja? Na ich habe wenigstens mehr Chancen bei deinem Bruder als du bei meinem. Und was heißt hier nachsteigen?", funkelte Rikki. „Na heute Nacht, was war das denn sonst wohl. Du bist ja wohl kaum zufällig in seinem Bett gelandet. Und was heißt hier ich hätte keine Chance bei Yami, das kannst du doch gar nicht wissen.", Eva entfernte sich von Rikki und setzte sich in die Ecke, die am weitesten von Rikki weg war, verschränkte die Arme und lehnte sich an die Wand. „Ich habe es doch schon mehrmals gesagt, das war ein Versehen, mehr nicht. Auch auf die Gefahr hin, dass Milady mal wieder alles besser weiß, ich kann sehr wohl einschätzen ob sich mein Bruder für jemanden interessiert oder nicht, schließlich lebe ich mit ihm zusammen.", Rikki fing an zu schreien, was Evas Kopfschmerzen nur noch verschlimmerte. „Sei still Rikki, ich hab Kopfschmerzen.", Eva war des Streitens müde. Es wurde ihr alles zu viel und sie wusste nicht wie viel sie noch ertragen konnte bevor sie zusammenbrach. Rikki war allerdings so sauer, dass sie keine Rücksicht auf ihre Freundin nehmen wollte: „Jetzt verursacht meine Stimme dir auch noch Kopfschmerzen. Wie willst du mich als nächstes beleidigen." „Halt die Schnauze Rikki, ich meins ernst. Wenn du nicht gleich den Mund hältst werd ich ihn dir stopfen.", fauchte Eva, legte den Kopf nach hinten und schloss die Augen. Rikki die wusste, dass Eva nie lehre Drohungen aussprach, hielt es für besser ruhig zu sein. Außerdem tat der Streit ihr jetzt schon leid. Sie wusste nicht, was da in sie gefahren war. Auch Eva tat ihr Ausbruch leid, aber sie hatte sich entschieden sich erst mal auf etwas Wichtigeres zu konzentrieren. Sie spürte, dass jemand Kontakt zu ihr aufnehmen wollte und dieser jemand ihr diese schrecklichen Kopfschmerzen verursachte. Nachdem sie sich, wie Seth ihr geraten hatte entspannte, konnte sie eine Stimme in ihrem Kopf hören. „Eva, hörst du mich? Hallo? EVA, ANTWORTE MIR!!!", je länger die Stimme rief umso lauter wurde sie. Der letzte Satz war so laut, dass sich Eva reflexartig die Ohren zuhielt, auch wenn sie wusste, dass es nichts bringen würde. „Ja ich höre dich, Seth. Was willst du? Du verursachst mir Kopfschmerzen.", fauchte sie in Gedanken. Seth ignorierte ihren letzten Satz und kam gleich zum Punkt: „Du musst unserem Pharao helfen, sonst wird er nicht überleben. Du musst..." „Sei still Seth, ich kann nichts für ihn tun, ich bin hier eingesperrt, falls es deiner brillanten Auffassungsgabe entgangen ist." Da der Priester jedoch nicht daran dachte ihrer Bitte nachzukommen, sperrte Eva ihn kurzerhand aus ihren Gedanken aus. Das hieß zwar wieder Kopfschmerzen für sie, allerdings hatte es den Vorteil, dass er ihr nicht mehr auf die Nerven gehen konnte. Das letzte was sie hörte war Seths immer leiser werdendes Gemecker: „Heute sind wir aber wieder besonders zickig. Ist ihre Hoheit mit dem falschen Fuß aufgestanden oder..."
Seto erwachte mit dem Gefühl von einem LKW überrollt worden zu sein. Er setzte sich auf und sah sich um, stellte jedoch fest, dass er entweder erblindet war oder er sich mal wieder in einem stockdunklen Raum befand. Er stand auf, drehte sich einmal im Kreis um zu sehen, ob es in irgendeiner Richtung etwas geben würde, das ihm einen Hinweis darauf geben würde wo er hingehen sollte. Da dies aber nicht der Fall war lief er einfach in irgendeine Richtung los. Als er nach einer viertel Stunde des Geradeauslaufens immer noch nichts sehen konnte, wurde er so langsam ungeduldig. Wer wagte es sich auf seine Kosten einen derart miesen Scherz zu erlauben? Er war immerhin kein irgendwer sondern ein Kaiba und er würde demjenigen schon zeigen was das hieß, wenn er ihn erst mal in die Finger bekommen würde. Da er diesen jedoch nicht ausfindig machen konnte, begnügte er sich damit weiter gerade auszugehen und den Fremden in Gedanken zu beschimpfen. Eine weitere viertel Stunde später wurde er langsam wirklich wütend. Dieses ständige geradeaus laufen ohne etwas zu sehen, nervte ihn ungemein. Außerdem hatte sich ihm in den letzten fünf Minuten die Frage aufgedrängt, wo eigentlich dieser vermeintliche „Pharao" rum trieb. Sie waren doch gemeinsam durch diese Tür gegangen. Er schob den Gedanken nach hinten als er einen Schrei hörte und schaute, dass er so schnell wie möglich dahin kam, denn er hatte Mokubas Stimme erkannt. Dieser Mistkerl wird doch wohl nicht..., dachte er wütend. Als er den Gang, der sich aus der Dunkelheit gebildet hatte, entlang hetzte. Der Gang lichtete sich nach einigen Minuten und Kaiba rannte durch eine Höhle weiter. Er stoppte erst, als sich die Höhle weitete und er an einem Lavasee zum stehen kam. Irgendetwas an der Szene kam ihm bekannt vor, er konnte sich nur nicht daran erinnern warum. Als er dann jedoch die Kreuze auf der anderen Seite des Sees sah, wusste er wieso er die Szene kannte. Es war eine fast exakte Nachbildung des von ihm programmierten Spiel. Nur war es diesmal nicht er, der an einem der Kreuze hing, sondern Eva und Mokuba hing an einem weiteren zu ihrer Linken. Sie waren wohl bewusstlos, denn ihre Köpfe hing schlaff herunter. Er wollte um den See herumgehen um sie da runter zu holen, als ihn eine Bewegung zu seiner Linken ablenkte. Er drehte den Kopf und erblickte eine schwarz gewandete Gestalt, welche einen leblosen Frauenkörper in den Armen trug. Dieser Anblick legte in ihm einen Schalter um und er sah nur noch rot. Er bewegte sich so schnell auf die Person zu, dass diese es nicht einmal mitbekam, entriss ihr ihre Last, welche er vorsichtig auf dem Boden ablegte und schleuderte den Vermummten ohne große Anstrengung mit einer fließenden Bewegung in den See. Dann wandte er sich Rikki zu, welche jedoch, anstatt zu sich zu kommen, langsam verblasste. Verwirrt blickte er sich um und bemerkte, dass der Raum es ihr gleichtat. Kurz darauf hatte er das Gefühl zu fallen und nach kurzem Fall hart auf dem Boden aufzukommen. Als er die Augen wieder öffnete, befand er sich in einem hell erleuchteten Raum, welcher mit Hieroglyphen bemalt war. Neben ihm lag Yami, welcher gequälte Laute von sich gab und dessen Gesicht schmerzverzerrt war.
Anubis schlug sich die Hände vors Gesicht. Das gab es doch nicht, nicht nur, dass dieser braunhaarige Idiot seine Illusion kalt gelassen hatte, er musste nebenbei auch noch einen seiner Untergebenen umbringen und damit die Illusion zerstören, die ihn so viel Mühe gekostet hatte. Wie konnte dieser nichtmagische Trottel nur wissen, wie er wieder aus der Illusion herauskommen würde, das gab es doch nicht. Bevor er noch in einen Tobsuchtanfall fallen konnte, wandte er sich lieber der Bronzeplatte zu, welche den Pharao zeigte. Zu Anubis Vergnügen hatte dieser wesentlich mehr Probleme mit der Illusion. So beobachtete er händereibend wie Yami sich mit der Illusion abmühte.
Als Yami erwachte war sein erster Gedanke, dass er sich wohl wieder in einem Albtraum befand, denn der Raum um ihn herum war, wie er es aus eben diesen schon gewohnt war, schwarz. Dann lichtete sich die Dunkelheit ein bisschen, so dass er Schemen um sich wahrnehmen konnte und bemerkte, dass er wohl auf einem Hügel saß. Er versuchte zu ertasten worauf er genau saß, konnte es jedoch nicht so richtig bestimmen. Er fühlte wie der Schreck in ihm aufstieg, als er etwas weiches ertastete und gleich darauf in etwas Haarähnliches griff. Ein Licht ging an und er zuckte zurück, als er sah, dass er auf einem Hügel bestehend aus Leichen, der Menschen, deren Leid er verursacht hatte, saß. Schockiert sprang er auf und trat einen Schritt zurück, er trat jedoch ins Leere und prallte unsanft auf dem Boden auf. Als er sich wieder aufrichtete, wurde der Raum so weit erhellt, dass er die einzelnen Personen ausmachen konnte, die dort vor ihm aufgetürmt lagen. Da waren seine ehemaligen Priester, welche im Kampf gegen Zork für ihn gestorben waren, gefolgt von Menschen, welche er getroffen hatte, als er noch mit Yugi den Körper geteilt hatte, wie zum Beispiel den Ishtars, den Kaibas und Ryo. Bevor er sich jedoch weiter damit beschäftigen konnte lenkte eine Bewegung am Rande seines Sichtfeldes seine Aufmerksamkeit auf sich. Er drehte sich dorthin um zu sehen, wer den Raum betreten hatte und erblickte Yugi. „Was machst du denn hier, Yugi? Wir müssen hier weg." Yugi streckte die Hand aus und sagte: „Komm, ich weiß wo der Ausgang ist." Yami ergriff Yugis Hand und ließ sich von ihm aus dem Zimmer ziehen. Gemeinsam liefen sie durch die Flure, welche wie ein Labyrinth wirkten bis sie eine Tür erreichten. Yugi stieß die Tür auf und beide traten in einen weiteren, dunklen Raum. Als Yami über die Schwelle trat erblickte er an der Stirnseite der Halle drei Schemen, welche wirkten als ob sie an etwas gekettet wären. Er wollte Yugi fragen wer das denn sei, bemerkte jedoch, dass dieser nicht mehr da stand wo er ihn noch vor kurzem gesehen hatte. So näherte er sich den dreien langsam, und als er näher kam konnte er sehen, dass es sich bei den Personen um Eva, Rikki und Yugi handelte, mit Ketten so an eine Stange über ihren Köpfen gebunden waren, dass sie mit nach oben gestreckten Armen mehrere Zentimeter über dem Boden hingen. „Yugi, Rikki, Eva. Was...?", sprachlos starrte Yami zu den drei Personen, welche ihm am nächsten standen und deren Tod er in den letzten Tagen immer wieder hatte durchleben müssen. Als die drei ihm ihre Köpfe zuwandten, erkannte er, dass etwas nicht stimmte. Alle drei hatten schwarzen Augen, welche ihn teilnahmslos ansahen und schwarze Schatten wabberten um sie herum. Angesichts Yamis Entsetzen grinsten die drei und Yugi antwortete: „Zwei sterben, einer überlebt. Es ist an dir zu wählen." Alle drei brachen in grausiges Gelächter aus, während Yami nicht fassen konnte, was da von ihm gefordert wurde. Er starrte die drei an: „Das kann ich nicht." „Du musst. Sonst werden wir drei sterben.", sagte Eva mit fremder Stimme. Yami bemerkte, dass sie nicht selber sprach, sondern von den Schatten besessen war, genau so wie Yugi und Rikki, es schien als wären ihre Seelen nicht mehr vorhanden. Da Yami nach fünf Minuten immer noch wie festgefroren da stand und es nicht so schien, als ob er in nächster Zeit auf irgendetwas reagieren würde, so schaltete sich Rikki ein: „Du musst wählen, du hast fünf Minuten Zeit. Wenn du bis dahin nicht gewählt hast werden wir drei sterben. Es liegt ganz bei dir." Die drei fingen wieder an zu lachen. Yami, welcher dies gehört hatte, versank in Gedanken. Vor seinem inneren Auge liefen noch mal alle Momente ab, die er mit den dreien verbracht hatte. Yugi, wie er die ganzen Jahre an seiner Seite war, seine Stütze, sein Halt, sein Bruder. Wie er auch in den dunkelsten Stunden nie an ihm gezweifelt hatte und immer an ihn geglaubt hatte. Rikki, welche sein Leben im Hause Muto komplett auf den Kopf gestellt hatte, als sie damals aufgetaucht war. Sie hatte Farbe ins Haus gebracht wie ein Wirbelsturm, seine Schwester. Auch wenn sie nicht blutsverwandt waren, so fühlte er sich den Beiden doch so verbunden, als wären sie es. Und Eva, die Frau die sein Leben komplett verändert hatte. Anfänglich noch kalt und abweisen, hatte er es jedoch schnell geschafft ihre harte Schale zu knacken und ihr wahres Selbst zu sehen, ihre zerbrechliche, zarte und dennoch leidenschaftliche Seiten. Einerseits die Eiskönigin persönlich, andererseits anschmiegsam, warm und gütig. Wie hätte er diese starke und dennoch beschützenswerte Frau bewusst in den Tod schicken können. Die Frau, die ihm näher stand als alle anderen seiner Freunde, seine beste Freundin. Er schloss die Augen um sich zu sammeln. Wie könnte er zwischen den dreien wählen? Gar nicht, flüsterte ihm seine innere Stimme zu. Aber er musste, musste zwischen den Menschen wählen die er am meisten liebte. Konnte er Yugi schon wieder opfern? Er hatte seinetwegen schon so oft leiden müssen. Könnte er Rikki, seine lebensfrohe, naive und unschuldige kleine Schwester opfern? Könnte er Eva umbringen, die in seinen Träumen schon so häufig gestorben war und es ihm jedes Mal das Herz zerrissen hatte? Er atmete tief durch, er musste wählen sonst würden alle drei sterben. Das konnte er nicht verantworten, er musste wählen und er hatte nicht mehr viel Zeit. Er rief sich sein Leben im diesseits noch mal ins Gedächtnis und wählte: „Ich wähle... Yugi." Er konnte nur noch hoffen, dass es für die beiden schnell gehen würde und sie nicht lange leiden würden. Er öffnete die Augen und sah, wie die Schatten aus Eva und Rikki entwichen, ihre Augen wieder ihre normale Farbe annahmen und sie wieder sie selbst wurden. Irgendwo hatte er doch gehofft, dass sie nur noch leere Hüllen wären. Dies schien jedoch nicht so zu sein und er erwartete, dass beide ihn voller Hass ansahen, hatte er sie doch gerade in den Tod geschickt. Jedoch hatte er sich auch da geirrt. Beide sahen ihn mit verständnisvollen Augen an. „Du hast richtig gewählt.", bestätigte Eva seine Wahl. Auch Rikki gab ihm Recht: „Wir verstehen dich, wir wissen wieso du ihn gewählt hast. Er ist der Einzige von uns der es wert ist zu leben." „Du musst an dem Hebel ziehen um deine Wahl zu bestätigen.", forderte Yugi. Yami, welcher den Hebel neben ihm bisher nicht bemerkt hatte, starrte diesen verstört an. Es kam ihm vor als würde die Zeit verlangsamt, als er die Hand nach dem Hebel ausstreckte. Seine Finger fühlten sich kalt und taub an, als er sie um den Hebel legte. Bevor er es sich doch noch anders überlegen konnte zog er einmal kräftig dran. Erst passierte gar nichts, dann gab es ein klickendes Geräusch und die Ketten der drei wurden gelöst, was dazu führte, dass diese auf den Boden krachten. Gleichzeitig fuhr ein Käfig, welcher, ihm vorher nicht aufgefallen war, herunter und verhinderte somit, dass Eva und Rikki weglaufen konnten. Es gab ein Geräusch als würde etwas einrasten und der Boden mit dem Käfig drauf fuhr nach unten. Langsam tauchte er in kochendes Wasser ein. Ungläubig starrte Yami hinunter, alles in ihm schrie danach den beiden zu helfen, sie zu retten. Ihr schmerzerfülltes Schreien drang in seine Ohren. Er fiel auf die Knie und wollte sich die Ohren zuhalten, den Blick abwenden, doch er konnte es nicht. Mit Grauen erfüllt musste er mit ansehen, wie die beiden Frauen langsam immer tiefer ins Wasser getaucht wurden. Plötzlich verstummte das Schreien, die Beiden waren nun komplett ins Wasser eingetaucht. Nach einiger Zeit wurde der Käfig wieder nach oben gezogen und Yami ertappte sich bei der irrationalen Hoffnung, dass sie vielleicht doch noch am Leben waren. Umso mehr traf es ihn, dass in dem Käfig nur noch zwei leblose Körper lagen. Er wandte sich Yugi zu, welcher auf ihn zu kam und stand auf. Er musste jetzt stark sein, für Yugi, für seinen Bruder, wenigstens ihn musste er retten, schützen. Er fiel ihm um den Hals und drückte ihn fest an sich. „Yugi, wir müssen weg von hier. Komm...", weiter kam er nicht, denn Yugi hatte seine Hände unverhofft um seinen Hals gelegt. „Yugi, was...?", er konnte den Satz nicht mehr beenden, denn Yugi drückte ihm erbarmungslos die Luft ab. „Es ist alles deine Schuld. Wenn es dich nicht geben würde, würden die beiden noch leben und ich hätte nicht das einzige Familienmitglied verloren, das ich außer Großvater noch hatte. Ohne dich hätte ich nicht kämpfen müssen. Ohne dich hätte Kaiba nicht all das Leid durchmachen müssen. Ohne dich hätten so viele Menschen ein erfüllteres, besseres und sichereres Leben gehabt. Ohne dich wäre alles besser gewesen. Ich wünschte du wärst nie in mein Leben getreten.", mit diesen Worten drückte er noch einmal fester zu. Yami spürte wie ihm die Luft ausging, seine Sicht verschwamm und schwarze Flecken begannen vor seinen Augen zu tanzen. Obwohl er wusste, dass Yugi Recht hatte und es besser wäre wenn er jetzt sterben würde, bevor er noch mehr Menschen ins Unglück stürzen würde, übernahm dennoch sein Überlebenswille. Er wollte sich wehren, um sich schlagen, jedoch war er schon zu schwach. Die schwarzen Flecke wurden immer größer und Yugis hasserfüllter Blick war das letzte was er sah, bevor ihn die vollständige Schwärze umfing.
Nach Luft schnappend wachte er auf und schaute in blaue Augen, die denen Evas zu ähnlich waren und im einen Stich versetzten. „Sieh einer an, das Dornröschen ist auch schon aufgewacht. Ausgeschlafen?", kam es zynisch von Kaiba, welcher sich schon umdrehte und sich der nächsten Tür zuwandte. Verwirrt schüttelte Yami den Kopf um ihn einigermaßen wieder klar zu bekommen und stand auf. Der Schock der Illusion steckte ihm noch zu sehr in den Knochen. Immer noch abwesend lief er hinter Kaiba her durch die Tür in einen anderen, durch Fackeln erleuchteten Raum. Die Tür fiel hinter den Beiden wieder zu und verschwand.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 06, 2021 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Schatten der Vergangenheit: Anubis RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt