Dumbledore stand auf. Einen Moment lang sah er mit angewidertem Gesicht auf Barty Crouch hinunter, bevor er den Zauberstab hob. Aus dessen Spitze flogen ein Haufen Seile hervor, die sich sofort um Barty Crouch schlangen, um diesen zu fesseln.
Als Nächstes wandte er sich an Professor McGonagall. „Minerva, würden Sie bitte Crouch bewachen, während ich Harry nach oben bringe?"
„Natürlich", meinte sofort Professor McGonagall. Ihr schien ein wenig übel zu sein, als hätte sie gerade gesehen, wie sich jemand erbrach. Doch als sie den Zauberstab herauszog und ihn auf Barty Crouch richtete, war ihre Hand vollkommen ruhig.
„Severus", sagte Dumbledore zu Snape gewandt, „weisen Sie bitte Madam Pomfrey an, nach oben zu kommen. Wir müssen Alastor Moody in den Krankenflügel schaffen. Dann gehen Sie hinunter aufs Gelände, suchen Cornelius Fudge und bringen ihn ebenfalls hoch in dieses Büro. Zweifellos wird er Crouch persönlich verhören wollen. Sagen Sie ihm, er kann mich in einer halben Stunde im Krankenflügelfinden, falls er mich braucht."
Snape nickte stumm und rauschte wortlos hinaus.
„Harry? Patricia?", fragte Dumbledore freundlich.
Der Hogwartschampion versuchte aufzustehen, doch kam dabei ziemlich ins Wanken. Sofort eilte ich an seine Seite, nur um ihm als Stütze zu dienen. Als Nächstes sah ich fragend zu Frédéric und Sue herüber.
„Wir gehen in den Krankenflügel, Molly beruhigen. Damit sie weiß, dass ihr bald kommt und sich keine Sorgen macht", erklärte mein Adoptiv-Onkel. Seine Tochter machte den Mund auf, sehr wahrscheinlich, um laut und deutlich zu protestieren, doch ihr Vater ließ es einfach nicht zu. Er schob sie aus den Raum und damit war die Sache gegessen. Jedenfalls für mich.
Harry und ich folgten angeführt von Dumbledore den beiden wesentlich langsamer nach draußen. Ein humpelnder Harry brauchte wirklich lange für den Weg. Erst als wir ein Stück vom Klassenraum entfernt waren, wandte sich der Schulleiter noch einmal an uns.
„Ich möchte, dass ihr zunächst einmal mit in mein Büro kommt", flüsterte er. „Sirius erwartet uns dort."
Harry und ich nickten. Zwar hatte mir damit der Schulleiter keine neue Information mitgeteilt, doch ob Harrys Hirn alles aufgenommen hatte, was in Moodys Büro besprochen worden war, wollte ich wirklich nicht beurteilen. Momentan schien er vom Kopf her noch langsamer zu sein als sonst.
Wir liefen eine Weile schweigend durch die Gänge von Hogwarts, bevor Harry erneut das Wort erhob.
„Professor", murmelte er, „wo sind Mr und Mrs Diggory?"
„Sie sind bei Professor Sprout", erklärte Dumbledore mit leicht zitternder Stimme. „Sie ist die Leiterin von Cedrics Haus und sie kannte ihn am besten."
Wir erreichten den steinernen Wasserspeier, welcher noch immer Dumbledores Büro bewachte. Dann ging es weiter die Wendeltreppe hoch bis vor die Eichentür, welche von Dumbledore geöffnet wurde.
Drinnen stand Sirius. Sein Gesicht wirkte kreidebleich. Kaum hatte Dumbledore die Tür geöffnet, kam mein leiblicher Vater auch schon durch den Raum. „Harry, Patricia, wie geht es euch? Ich wusste es – ich wusste, so etwas würde – was ist geschehen?"
Mir wurde kurz mit zitternden Händen über die Wange gestrichen, bevor er mir Harry abnahm. Dieser wurde vorsichtig auf einen Stuhl vor den Schreibtisch platziert. Kaum war das geschehen, nahm er auch schon den anderen ein.
„Was ist geschehen?", fragte mein Vater jetzt noch drängender. Dumbledore fing an, die Ereignisse des heutigen Tages zu schildern, während ich unruhig anfing, im Büro auf und ab zu laufen. Jetzt wo ich nichts mehr zu tun hatte, hallten die Worte in meinem Kopf wieder, der dunkle Lord wolle mich und meine Magie für sich haben. Was glaubte der denn? Dass man mich mit einem Imperius-Fluch kontrollieren konnte? Oder setzte er auf meinen richtigen Fluch? Ein gefühlsarmes Monster würde aus mir werden. Das würde ihm sicher vom Prinzip her gefallen, auch wenn ich mir sehr sicher war, dass ich unter anderen ihn dann hassen würde. Oder hielt er mich einfach für böse? Leicht beeinflussbar?
„Patricia, komm her", kam es in einem ungewöhnlichen Befehlston am Ende von Dumbledores Erzählung von meinem Vater. Ich sah unsicher zu ihm herüber. Obwohl der Ton so gebieterisch gewesen war, hatte sich ein sehr liebes allerdings auch sehr besorgtes Lächeln auf seinem Gesicht breitgemacht. Gleichzeitig hielt er mir auffordernd seine Hand hin.
„Komm her, mein kleiner Welpe", kam es jetzt in einem sehr sanften Ton. Dieses Mal setzte ich mich ohne Zögern in Bewegung. Kaum war ich in Sirius Reichweite, griff er schon nach meinem Arm und zog mich bestimmt auf seinen Schoß.
„Sag mir, was dich beschäftigt", forderte mich mein leiblicher Vater auf, kaum saß ich auf seinen Schoß.
„Der dunkle Lord glaubt, er könnte mich für seine Seite gewinnen", klagte ich über den unverschämten Wunsch meines Gegners.
„Nun, Patricia, du und Voldemort haben eine sehr ähnliche Kindheit erlebt. Ihr seid beide im Heim aufgewachsen. Er sieht sich selbst in dir. Daher glaubt er, er könne dich davon überzeugen, sich auf seine Seite zu stellen", erklärte Dumbledore ganz ruhig, als wäre es das normalste auf der Welt.
„Ich bin nicht wie er", protestierte ich sofort. Es gab keine Ähnlichkeit zwischen mir und der Hades Nymphe. Nicht einmal eine Klitzekleine.
„Ich stimme dir zu, Patricia. Das bist du nicht. Doch das Ganze zu erörtern, würde für heute zu weit gehen. Du und Harry, ihr solltet gleich in den Krankenflügel gehen, um euch dort auszuruhen und wieder zu Kräften zu kommen. Doch vorher muss ich wissen, was geschehen ist, nachdem du den Portschlüssel im Irrgarten berührt hast, Harry."
„Können wir das nicht auf morgen verschieben, Dumbledore?", fragte Sirius schroff, welcher mittlerweile wieder eine Hand auf Harrys Schulter platziert hatte, während die andere mich festhielt. „Lass ihn die Nacht darüber schlafen. Lass ihn ausruhen."
Dumbledore schien sich nicht wirklich für die Worte meines Vaters zu interessieren. Stattdessen beugte sich der Schulleiter zu dem Champion vor, welcher nur sehr widerwillig den Kopf hob.
„Wenn ich glaubte, ich könnte dir helfen", erklärte Dumbledore sanft, „indem ich dich in einen Zauberschlaf versetze und es dir erlaube, den Zeitpunkt zu verschieben, an dem du daran denken musst, was heute Abend geschehen ist – dann würde ich es tun. Aber ich weiß, es hilft nicht. Den Schmerz für eine Weile zu betäuben, heißt nur, dass er noch schlimmer ist, wenn du ihn schließlich doch spürst. Du hast mehr Tapferkeit bewiesen, als ich je von dir hätte erwarten können. Ich bitte dich, deinen Mut noch einmal zu beweisen. Ich bitte dich, uns zu schildern, was geschehen ist."
Fawkes, welcher sich während Dumbledores Erzählung von den Vorkommnissen des heutigen Abends zu Harry gesellt hatte, gab einen leisen tremolierenden Ton von sich, welcher in mir das Gefühl auslöste, alles würde eines Tages gut werden. Auch der Champion wirkte danach um einiges hoffnungsvoller und begann tatsächlich zu sprechen.
Am Anfang berichtete er noch sehr zögerlich, wie er auf dem Friedhof mit Cedric ankam und dieser dann ermordet wurde. Doch je länger er redete, desto selbstsicherer wirkte er. Nach den ersten zögerlichen Worten schienen sie aus ihn herauszusprudeln, fast als könne er jetzt nicht mehr aufhören.
Immer mal wieder machte Sirius Anstalten etwas zu dem erzählten zu sagen, doch eine kurze Handbewegung von Dumbledore ließ ihn immer wieder verstummen. Als Harry jedoch berichtete, wie Wurmschwanz ihm den Arm mit dem Dolch aufgeritzt hatte, stieß mein Vater allerdings doch einen entsetzten Schrei aus. Dumbledore sprang von seinem Platz auf, weshalb Harry zusammenzuckte. Der Schulleiter kam um den Schreibtisch geeilt.
„Harry, bitte, strecke deinen Arm aus", wurde der Champion gebeten. Genau das tat er auch, weshalb alle anwesenden den aufgeschlitzten Arm von Harry sehen konnten.
„Er sagte, der Schutz, den – den meine Mutter mir hinterlassen hat – er würde ihn nun auch besitzen. Und er hatte Recht – er konnte mich anfassen, ohne sich zu verletzen, er hat mein Gesicht berührt."
Für einen kurzen Augenblick blitzte Triumph in Dumbledores Agen auf, weshalb sich in mir mal wieder das Misstrauen breitmachte. Warum freuten sich so viele Erwachsene über die Rückkehr des dunklen Lords? Daran war doch nichts gut. Bei Sirius konnte ich noch halbwegs verstehen, dass er nun hoffte, endlich freigesprochen zu werden. Auch dass er im Hinterkopf hatte, das laut der Prophezeiung es noch nicht vorbei war, hatte ihn mit Sicherheit belastet. Doch welche Gründe hatte Dumbledore?
Genauso schnell, wie man den Triumph in Dumbledores Augen hatte aufflackern sehen, verschwand er auch wieder. Stattdessen wirkte Dumbledore ziemlich alt und müde als er zu seinem Schreibtischstuhl zurückkehrte.
„Nun denn", meinte der Schulleiter und setzte sich. „Voldemort hat dieses eigentümliche Hindernis überwunden. Fahr bitte fort, Harry."
Der Gryffindor tat wie ihm geheißen. Er erzählte weiter. Von Voldemorts Rede an die Todesser, bei der ich mit der Kriegsnymphenfamilie dazugestoßen war. Dann wie Voldemort angriff und ich dazwischen gegangen war. An dieser Stelle sah Sirius mich ziemlich besorgt an. Er betrachtete mich aufs genauste und hob schließlich mein Arm hoch, weshalb man eine riesige Schürfwunde erkennen konnte. Vermutlich hatte ich sie bei meiner Rutschaktion unter den goldenen Käfig her zugezogen. Bisher hatte ich sie allerdings noch nicht bemerkt. Vermutlich hielt das Adrenalin und die Magie in meinem Körper den Schmerz von mir fern.
„Mir ist nichts passiert, was man mit einem einfach Heilzauber nicht wieder hinkriegen könnte. Ares richtete mich oft schlimmer zu", stellte ich trocken fest. Mein Vater gab ein unzufriedenes Grummeln von sich, was ich allerdings geflissentlich ignorierte. Währenddessen erzählte Harry weiter. Von der Verbindung der Zauberstäbe, den goldenen Lichtstrahl, welcher zu dem Käfig wurde und meiner Hilfsaktion. An dieser Stelle schien die Trauer ihm die Kehle zuzuschnüren, weshalb er verstummte.
„Die Zauberstäbe verbanden sich miteinander?", fragte Sirius zu Dumbledore, wessen Gesichtszüge ganz starr wirkten, blickend. „Warum?"
„Priori Incantatem", murmelte der Schulleiter.
„Der Fluchumkehr-Effekt?", hinterfragte Sirius die Aussage scharf.
„Genau", meinte Dumbledore. „Harrys und Voldemorts Zauberstäbe sind im Kern gleich. Jeder enthält eine Feder vom Schweif desselben Phönix. Von diesem Phönix, um es klar zu sagen", fügte er noch hinzu und deute auf Fawkes, welcher gemütlich auf Harrys Schoß kauerte.
Ich sah mit gerunzelter Stirn zu Fawkes herüber. Wenn bei Voldemort und Harry aufgrund des gleichen Kerns dieser Käfig entstanden war, dann hieß das auch, Kira und ich konnten das gleiche. Schließlich hatten unsere beiden Stäbe einen Kern aus dem Haar von Acheron. Ob sie es wohl irgendwann mal mit mir ausprobieren würde?
„Die Feder meines Zauberstabs stammt von Fawkes?", fragte Harry verblüfft.
„Ja. Sobald du vor vier Jahren den Laden verlassen hast, schrieb mir Mr Ollivander, du hättest den zweiten Zauberstab gekauft."
„Und was geschieht, wenn ein Zauberstab auf seinen Bruder trifft?", fragte Sirius. „Gegeneinander wirken sie nicht wie sonst", sagte Dumbledore. „Wenn die Besitzer jedoch ihre Zauberstäbe zwingen, gegeneinander zu kämpfen ... dann kommt es zu einer sehr seltenen Erscheinung. Einer der Zauberstäbe zwingt den anderen, die Flüche, die er ausgeübt hat, noch einmal gleichsam auszuspeien – und zwar in umgekehrter Reihenfolge. Den letzten Fluch zuerst ...und dann die anderen, die ihm vorausgingen ..."
Der Schulleiter sah fragend Harry an, weshalb der Gryffindor nickte.
„Das heißt", fuhr Dumbledore langsam und mit unverwandtem Blick auf Harry fort, „Cedric muss in irgendeiner Gestalt wieder erschienen sein."
„Oh ja, und danach kam Bertha Jorkins, ein alter Mann, und als letztes Harrys Eltern", stellte ich fest, weshalb mich mein Vater verstört ansah.
„James ist wieder ins Leben zurückgekehrt?", fragte er mich ungläubig.
„Nein, Ares erste Lektion für mich war, was tot ist, bleibt auch tot. Ich habe mir große Mühe gegeben, das Gegenteil zu beweisen, um meine Eltern zurückholen zu können, doch schlussendlich musste ich einsehen. Tot bleibt tot", erklärte ich. Dabei hatte ich mir wirklich sehr viel Mühe gegeben, eine Möglichkeit zu finden, Tote wieder zum Leben zu erwecken. Auch wenn es mit Sicherheit sehr viel aufsehen erregt hätte, wären Mama und Papa wieder durch die Kleinstadt spaziert.
„Alles, was geschehen konnte, war eine Art Echo des Vergangenen. Schatten der Personen müssen aus dem Zauberstab ausgetreten sein ... stimmt das, Harry?"
„Sie haben zu uns gesprochen", wisperte Harry zitternd. „Die ... die Geister oder was sie waren, haben gesprochen."
„Sie hatten den tollen Tipp, wir sollten es vermeiden, umgebracht zu werden", fügte ich noch hinzu.
„Ein Echo", stellte Dumbledore fest, „das die Gestalt und das Wesen von Voldemorts früheren Opfern in sich barg. Die letzten Morde des Zauberstabs. In umgekehrter Reihenfolge. Natürlich wären noch mehr erschienen, wenn du die Verbindung gehalten hättest. Nun gut, diese Echos, diese Schatten ... was taten sie?"
Harry begann erneut zu erzählen. Immer mal wieder streute ich noch weitere Details ein, doch die meiste Zeit ließ ich den Gryffindor sprechen. Je mehr wir redeten, desto trauriger wurde Sirius. Mein Vater starrte erst traurig die Tischplatte an, doch als Harry mehr über seine Eltern erzählte, rollte ihm eine Träne über die Wange und er verbarg das Gesicht in den Händen. Automatisch kuschelte ich mich richtig an ihn, um ihm möglichst gut Trost zu schenken. Er sollte nicht unter den Tod von Harrys Vaters leiden. Oder seiner Art Auferstehung. Wie auch immer man es sehen wollte.
„Ich muss es noch einmal wiederholen", sagte Dumbledore am Ende der Erzählung. Fawkes, welcher während des Ende unseres Berichts über den Ausflug auf den Friedhof mit seinen Tränen Harrys Bein geheilt hatte, stieg wieder in die Luft und ließ sich auf seine Stange neben der Tür nieder.
„Du hast heute Abend mehr Tapferkeit bewiesen, als ich je von dir hätte erwarten können, Harry. Du hast die gleiche Tapferkeit bewiesen wie jene, die im Kampf gegen Voldemort auf dem Höhepunkt seiner Macht gestorben sind. Du hast die Last eines erwachsenen Zauberers geschultert und bewiesen, dass du sie tragen kannst – und nun hast du uns auch alles gegeben, was wir zu Recht von dir erwarten konnten. Wir gehen jetzt zusammen in den Krankenflügel. Ich möchte nicht, dass du heute Nacht in den Schlafsaal gehst. Ein Schlaftrunk, ein wenig Ruhe ... Sirius, würdest du gerne bei ihm bleiben?"
Sirius nickte bestimmt. Er stupste mir leicht in den Rücken, als Zeichen. Ich solle wieder aufstehen. Kaum hatte ich das gemacht, stand er selbst ebenfalls auf und verwandelte sich wieder in den großen schwarzen Wuschelhund, welchen ich so gerne am See gekrault hatte.
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Hexagramm - Hundewache
FanfictionDreizehn Nymphen, zerstreut in der Welt. Zwei verschollen - die von Hades und die von Zeus - und eine Suchende. Erneut hat Patricia Hogwarts den Rücken zugekehrt, um ihre noch immer verschollene Schwester zu finden und damit die olympischen Nymphen...