Kapitel 1

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Ein Erdbeershake stand vor mir. Eine Brötchentüte lag auf dem Tisch zwischen Marlon und mir. Sie war gefüllt mit irgendwelchem zuckerhaltigen Gebäck. Schweineohren, Berliner und Apfeltaschen, Hauptsache viele Kalorien. Mein Sorgeberechtigter hatte sich mittlerweile seiner Zeitung zugewandt. Über den Rand sah er mir dabei zu, wie ich mein Frühstück verspeiste.
„Was wollen wir heute machen?", fragte mich Marlon, während ich mich über die Apfeltasche hermachte.
„Gehen wir ins Metropolitan Museum of Art? Oh, bitte, gehen wir hin?" Ich sah meinen Begleiter flehend an. Wenn ich schon hier in Amerika unterwegs war, wollte ich auch zu dem Kunstmuseum hier.
„Natürlich gehen wir dahin. Warum frage ich überhaupt, wo du hinwillst? Es war eigentlich klar, dass du da hinwillst. Heute Abend gehen wir mit meiner Kontaktperson essen. Damit wir deine kleine Natasha bald wiederfinden." Die Zeitung wurde auf den Tisch gelegt. Er schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln.
„Sie ist nicht der magischen Welt."
„Zum Glück habe ich, anders als Dumbledore, auch in der Muggelwelt ganz viele Kontakte. Ganz Amerika einmal zu durchsuchen wird zwar dauern, aber wenn sie wirklich von PIRA hierher gebracht wurde, dann werden wir eine Spur von ihr finden."
„Und wenn sie nicht hier ist? Vielleicht sind die Pläne doch nicht von dem Haus gewesen, indem man sie festgehalten hat." Ich schob meine restliche Apfeltasche nervös über meinen Teller. Niemand konnte mir garantieren, dass meine kleine Schwester wirklich dort jemals war. Vielleicht war es ja ein anderes Haus von PIRA gewesen, welches durch einen Blitzeinschlag abgebrannt war.
„Patricia, natürlich ist es das richtige Haus. Was glaubst du, wie viele Häuser pro Jahr durch einen Blitzeinschlag abfackeln? Vor allem durch einen Blitzeinschlag im Inneren des Hauses." Marlon stand von seinem Platz auf. Er kam zu mir herum.
„Die Wahrscheinlichkeit eines Blitzeinschlags liegt bei eins zu sechs Millionen. Also vermutlich nicht so viele."
„Genau das, meine kleine wunderschöne Nichte. Die Wahrscheinlichkeit, dass es das falsche Haus ist, ist sehr gering. Wir werden sie schon finden. Wir suchen als Erstes in den Kinderheimen in der Nähe des Hauses. Wenn wir dort keine Spur von ihr finden, erweitern wir den Suchradius. Irgendwo wird sie schon von irgendjemand aufgegabelt worden sein. Wurdest du schließlich auch." Marlon zog mich in seine Arme. Mir wurde vorsichtig ein Kuss auf die Schläfe gedrückt.
„Alles wird gut, Patricia. Du brauchst keine Angst haben."

Neugierig sah ich mich in dem kleinen Restaurant um. Es war ein kleines Restaurant in der amerikanischen Zaubererwelt. Die Wände waren in einem wunderschönen, hellen, sonnigen Gelb gestrichen. Die Sitzgruppen waren aus einem dunklen Holz angefertigt worden. Auf den Stühlen lagen gelbe Sitzkissen. Die einzelnen Tische waren voneinander mit Säulen abgetrennt worden, welche in dem gleichen Gelb wie die Wände gestrichen worden waren. Efeublätter wuchsen an ihnen empor.
Alles in einem wirkte das Restaurant sehr gemütlich. Obwohl wir noch relativ früh für ein Abendessen dran waren, waren viele der Sitzgruppen schon besetzt. Ein paar Kellner schoben sich zwischen den Tischen lang, beladen mit Speisen und Getränken. Eine kleine, etwas rundliche Hexe mit einem breiten Lächeln im Gesicht stand am Eingang und wies den Gästen wohl Sitzplätze zu. Mit den blonden, lockigen, leicht zerzausten Haaren erinnerte sie mich ein wenig an Professor Sprout. Auch wenn ihre Kleidung und Finger nicht mit Erde behaftet waren.
„Willkommen in Apollons Sonnenschein. Ein Tisch für zwei?" Die Frau lächelte Marlon und mich freundlich an.
„Nein, wir sind mit jemanden verabredet. Lawrence Bucket. Er hat einen Tisch reserviert. Ist er schon hier?", fragte Marlon. Die Empfangsdame sah kurz in dem Buch nach, welches vor ihr lag, bevor sie nickte.
„Mr. Bucket ist schon eingetroffen. Er erwartet sie. Tisch Nummer 15. Das ist der hinten rechts am Fenster."
„Vielen Dank. Na komm, Patricia. Das Essen hier ist wirklich ausgezeichnet."

Lawrence Bucket stellte sich als ein Mittvierziger mit dunkelbraunen, ordentlich frisierten Haaren heraus. In seinem maßgeschneiderten Muggelanzug und der eckigen Brille auf der Nase erinnerte er mich ziemlich an irgendeinen Politiker, die man immer mal wieder irgendwo im Fernsehen sah.
Als Marlon und ich uns den Tisch näherten, stand der Mann von seinem Platz auf. Er lächelte uns beide an. Ein typisches Politikerlächeln. Er wollte freundlich sein, keine Frage, doch er wusste auch, wir wollten etwas von ihm und offensichtlich wollte er auch etwas von uns. Jetzt war nur noch die Frage, was er wollte und ob er es uns geben wollte.
„Marlon Allaire, ein seltener Anblick in Amerika." Lawrence Bucket stand von seinem Platz am Tisch auf. Er streckte seine Hand meinen Onkel entgegen.
„Lawrence, es ist sehr schön, dich mal wieder zu sehen." Die beiden Männer schüttelten sich kurz die Hände, bevor sie sich an mich wandten.
„Lawrence, darf ich dir vorstellen, das hier ist Patricia Rona Primrose Black. Die Tochter von Sirius Black und meine Nichte." Marlon legte mir seine Hände auf meine Schultern.
„Die junge Ms. Black. Man hört viel über sie. Auch hier in Amerika. Wirklich beeindruckend, dass sie dem Sprengzauber ihres Vaters entkommen sind, in jungen Jahren schon auf der Straße überlebt haben und wie sie letztes Jahr die Situation mit Sirius Black in Hogwarts gehändelt haben."
„Und ich finde es beeindruckend, wie sie mir nach nicht einmal einer Minute Honig ums Maul schmieren. Sind sie Politiker?"
„Durchaus, ja. Meine Familie ist politisch sehr aktiv. Wir gehören zum amerikanischen Adel. Heutzutage vermitteln wir oft zwischen den No-Majs und den Magiern. Ich habe heute Nachmittag mit dem Präsidenten und seiner Familie zu Mittag gegessen."
„Die Geschichte hören wir uns gerne beim Essen an, Lawrence. Willst du am Fenster sitzen, Welpe?" Ich nickte begeistert aufgrund von Marlons Vorschlag. Auch wenn ich eigentlich viel neugieriger auf das Muggel New York gewesen war, als wir her gereist waren, jetzt wo wir im magischen New York waren, fand ich es doch wirklich interessant hier.
Ich ließ mich auf dem Stuhl am Fenster fallen. Neugierig betrachtete ich die Straße, auf der das kleine Restaurant lag. Sie war eine kleinere und vor allem geradere Version der Winkelgasse. Eine Buchhandlung, das Restaurant, ein Geschäft für Klamotten, ein Zauberstabladen und ein weiteres Kaufhaus, dessen Name mir nicht verriet, was sich dahinter verbarg. Mehr gab es hier nicht.
„Wie wäre es, wenn wir uns morgen mal ein wenig die magische Seite von New York ansehen, Welpe?" Marlon rutschte näher an mich und das Fenster heran. Vorsichtig legte er seine Arme um meinen Bauch und seinen Kopf auf meine Schulter.
„Gibt es noch mehr als die Mini-Winkelgasse?"
„Natürlich, noch wesentlich mehr. Nicht so viel wie in England, aber noch ein bisschen mehr. Ich zeige dir morgen ein bisschen etwas."
„Das würde mir sehr gefallen." Mir wurde ein Kuss auf meine Wange gedrückt, bevor sich Marlon wieder dem Amerikaner zuwandte.
„Wir sind geschäftlich hier, Lawrence. Ich will, dass du jemanden für mich findest. Was willst du?"
„Ich dachte, es wird ein Geschäftsessen. Wollen wir nicht wenigstens vorher Essen bestellen?"
„Mit vollen Bäuchen und ein bisschen Alkohol im Blut hoffst du wohl, einen besseren Deal für dich herauszuschlagen."

Hexagramm - HundewacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt