Kapitel 2

430 22 3
                                    

Ich ließ mich auf meinen Flugzeugsitz am Fenster fallen. Neugierig sah ich raus. Die letzten Passagiere stiegen gerade ein. In den hinteren Teil des Flugzeuges wurde das Gepäck eingeladen. Irgendwo bei den Koffern würde auch mein riesiges braunes Fellknäuel sein.
„Du siehst aus, als würdest du dir Sorgen machen."
„Ich hoffe, Antiope geht es im Gepäckraum gut."
„Sie schläft dort friedlich. In acht Stunden steigen wir aus dieser Blechdose und dann wird dein Hund nur ein wenig gelangweilt sein."
„Ich habe ihr ganz viel Spielzeug hingelegt. Ihr Kuscheltier und ihr Kauknochen. Das Wasser ist ordentlich aufgefüllt und ich habe ihr neben ihrem Trockenfutter ein bisschen Speck hingelegt."
„Du kümmerst dich sehr gut, um deinen Hund. Darüber musst du dir gar keine Sorgen machen. Aber das ist nur das Problem, auf welches du dich konzentrierst, damit du dich mit deinem Eigentlichen nicht auseinandersetzen musst, richtig?" Ich biss mir verlegen auf die Unterlippe. Damit lag Marlon mehr als richtig. Indem ich darüber nachdachte, was mit meinem Hund alles sein konnte, hatte ich keinen Platz für Gedanken über unsere Ankunft in Paris.
„Patricia, du musst dir keine Sorgen machen. Es wird alles gut werden."
„Und wenn sie mich nicht mögen?" Ich begann unruhig mit meinen Fingern zu spielen.
„Dann können wir noch immer in New York eine Bar eröffnen." Marlon strich mir vorsichtig über die Haare.
„Und wenn ich nicht klarkomme?"
„Du wirst klarkommen. Du musst dir überhaupt keine Sorgen machen, Welpe. Es wird am Anfang schwer sein, genauso wie bei deiner leiblichen Familie, aber du wirst dich eingewöhnen. Und falls ich mich irren sollte, können wir noch immer eine Bar in New York eröffnen. Weglaufen können wir jeder Zeit." Mir wurde ein Kuss auf die Wange gedrückt, während ich leise seufzte. Ich war bisher noch nicht so zuversichtlich, dass ich mich in der anderen Großfamilie besser einfügen konnte, als bei meiner leiblichen. Allerdings hatte ich zugestimmt, als Marlon vorgeschlagen hatte, wir könnten bis zur Quidditch-Weltmeisterschaft bei seiner Familie in Frankreich wohnen. Jetzt wollte ich keinen Rückzieher machen. Vor allem weil sich mein Vormund sehr auf den Besuch bei seiner Familie freute.
„Na komm her, du kleiner Welpe." Mein Begleiter streckte seine Arme nach mir aus. Zufrieden rutschte ich näher an ihn heran. Ich kuschelte mich an ihn.
„Jetzt versuch, ein wenig zu schlafen, Tric. Ich weiß, wir haben erst zwanzig Uhr, aber –"
„Wenn wir in Paris ankommen, ist es neun Uhr morgens. Ich weiß. Ist es in Ordnung für dich, wenn ich Musik höre?"
„Stöpsel dich ein." Mir wurde ein Kuss auf die Haare gedrückt. Zufrieden zog ich meinen Walkman heraus. Die Kopfhörer stopfte ich in meine Ohren, dann machte ich die Musik an. Marlon neben mir hatte ein Buch herausgeholt. Während er mir mit einer Hand über die Haare strich, hielt er es mit der anderen fest und blätterte immer mal wieder um.

„Wach auf, mein liebster Welpe." An meiner Schulter wurde gerüttelt. Ich grummelte leise. Ich war gerade erst eingeschlafen, da wollte ich noch nicht wieder aufstehen.
„Grummeln hilft nicht. Wir landen gleich. Am Flughafen holen uns Frédéric und seine Familie ab. Wir fahren dann Frühstücken. Du kriegst von mir aus sogar reines Koffein." Mir wurde ein Kuss auf die Stirn gedrückt. Ich grummelte erneut leise, machte aber die Augen auf.
„Reines Koffein?", fragte ich müde.
„Ja, reines Koffein. Dann müssen wir aber in einer Apotheke halten."
„Ich glaube, so müde bin ich nicht. Einmal die Augen auf werde ich ganz schnell wach."
„Ich weiß, das war bei Maélys auch so. Der Vorteil, die Kriegsnymphe zu sein. Ihr kommt besser mit wenig oder gar keinem Schlaf aus. Aber wenn wir kein pures Koffein für dich brauchen, kriegst du gerne einen Kakao."

Ungeduldig wippte ich auf meinen Füßen auf und ab, während Marlon und ich auf unsere Koffer warteten. Andere fuhren auf einem Band an uns vorbei, doch unsere hatte ich bisher noch nicht gesehen. Hoffentlich war Antiope noch nicht bei dem Sperrgepäckschalter angekommen und wartete dort jetzt ungeduldig auf mich. Der kleine Welpe mochte fliegen nicht – verständlicherweise – und war sehr froh, als er wieder bei mir war. Das zweite Mal war für meinen Hund mit Sicherheit nicht angenehmer. Daher wollte ich sie möglichst bald wieder bei mir haben, um sie einmal ordentlich durch zu knuddeln.
Endlich kamen Marlons und meine Koffer vorbei. Wir schnappten uns beide. Die Koffer landeten auf dem Gepäckwagen, welchen ich gleich nach dem Aussteigen geholt hatte. Danach liefen wir endlich zu dem Schalter für Sperrgepäck.
„Mach langsam, Welpe. Du kriegst ja gleich deine Antiope wieder."
„Glaubst du, sie ist schon dort?"
„Bestimmt, unsere Koffer gehörten zu den Letzten."
„Ich habe ihr versprochen, sie sofort abzuholen. Das war nicht unsere Vereinbarung."
„Sie wird verstehen, dass wir auch unsere Koffer gebraucht haben. Mache dir deshalb keine Sorgen. Mit dem Gepäckwagen bin ich aber nicht so schnell und ohne mich kriegst du dein heißgeliebtes Hündchen nicht." Ich grummelte unglücklich. Das hatte ich jetzt auf gar keinen Fall hören wollen.

Hexagramm - HundewacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt