Kapitel 43

231 20 0
                                    

Als ich am nächsten Morgen erneut aufwachte, war Marlon von meiner Seite verschwunden. Meine Sorgeberechtigter war auch nicht mehr im Krankenflügel zu sehen, stattdessen saß Blaise auf einem Stuhl neben mir und las in einem Buch.
„Wo ist Marlon?", nuschelte ich, kaum dass ich aufgewacht war.
„Eine Runde mit Antiope spazieren gegangen. Er kommt bestimmt gleich wieder. Wie geht es dir?" Das Buch wurde bei Seite gelegt, weshalb ich die volle Aufmerksamkeit von Blaise hatte.
„Mir geht es gut. Ging es die ganze Zeit. Meine Schürfwunden sind alle verheilt", stelle ich wahrheitsgemäß fest. Die ganzen Heilsalben hatten durchaus ganze Arbeit geleistet.
„Marlon meinte, du wärst gestern sehr traurig gewesen, weil Sirius weggegangen ist", stocherte Blaise weiter nach.
„Ich bin traurig, aber ich verstehe es. Er will alles tun, was in seiner Macht steht, um zu helfen. Im Sommer sehe ich ihn wieder. Dann reisen Marlon und ich zu ihm, während Fudge sich dabei die Zähne ausbeißt, mich wieder ins Heim zu stecken", gab ich offen zu.
„Warum will Fudge nicht mehr, dass Marlon das Sorgerecht hat? Er mochte deine Adoptivfamilie doch sehr gerne", hinterfragte mein Klassenkamerad meine Worte. Ich seufzte leise. Irgendwann musste ich wohl auch meinen Slytherin-Freunden erzählen, was genau letzte Nacht geschehen war. Auch wenn ich Angst davor hatte, wie sie reagieren würden.
Zwar hatte Blaise mir versprochen, dass er sich nicht auf Kämpfe einlassen würde, weder für meine Seite noch für die Todesser, sondern geduldig zu Hause auf mich warten würde, doch jetzt, wo es wirklich so weit war, konnte er sich einfach umentscheiden. Er konnte jederzeit beschließen, dass es ihm zu nervenaufreibend war, immer auf meine hoffentlich stattfindende Rückkehr zu warten, oder, was noch schlimmer wäre, er sich doch lieber dem dunklen Lord anschloss.
Und dann gab es da natürlich noch Adina. Die Wahrheit über ihre Adoptivfamilie würde jetzt ans Licht kommen. Damit würde sie vor der Wahl stehen, die mir schon das ganze Schuljahr über Angst machte. Entweder würde sie sich für die olympischen Nymphen entscheiden, was auch hieß, dass sie alles verlieren würde, oder sie würde ihrer Familie treu bleiben und somit sehr wahrscheinlich am Ende für Hades kämpfen.
„Willst du noch immer den Kopf einziehen?", fragte ich vorsichtig den Slytherin, welcher etwas überfordert nickte.
„Ich bin kein Fan von Muggeln und unseren Umgang mit ihnen, aber ich bin nicht bereit zu sterben, um etwas an den aktuellen Gesetzen zu ändern. So schlecht ist unsere Position wahrlich nicht. Wir verstecken uns zwar vor ihnen wie Ratten in der Kanalisation, aber wir haben eine sehr schöne Kanalisation."
„Er ist zurück", gab ich leise zu. „Er ist gestern Abend zurückgekehrt. Auf dem Friedhof. Er hat Diggory ermordet. Jetzt müssen wir alle unsere Seite wählen", gab ich kleinlaut zu.
Blaise sah mich kurz ziemlich entsetzt an, bevor er sich neben mich auf das Bett setzte. Ich hob auffordernd meine Decke an, damit er sich neben mich legte. Gerade wollte ich mich gerne an ihn kuscheln und vergessen, welche Entscheidungen in meinem Freundeskreis getroffen werden mussten. Lieber wollte ich so tun, als wäre ich nur mal wieder aufgrund der dicken Luft im Schlafsaal zu ihm ins Bett gekrochen.
Mein Klassenkamerad kam meiner stillen Aufforderung nach. Er zog sich nur noch schnell die Schuhe aus, bevor er sich neben mich legte. Dankbar drückte ich mich an ihn, weshalb mir ein beruhigender Kuss auf die Schläfe gedrückt wurde. Erst danach sprach der dunkelhäutige Slytherin endlich wieder.
„Meine Seite ist bei dir, kleine Rose. Du bist mir wichtig. Ich kann weder etwas mit dem dunklen Lord noch mit Muggeln anfangen, aber ich verstehe, dass du gegen den dunklen Lord kämpfen musst. Dabei will ich dich unterstützen, aber ohne selbst ins Kreuzfeuer zu geraten", wurde mir bestimmt mitgeteilt.
„Blaise? Ich weiß, du willst dich eigentlich von Muggeln fernhalten, aber – darf ich dir ein wenig von ihrer Welt zeigen? Ich will, dass du weißt, wo ich aufgewachsen bin. Und ich will von Fernsehern reden können, ohne in ein ahnungsloses Gesicht zu sehen."
Mein Klassenkamerad schien aufgrund meiner Bitte wenig begeistert. Das war auch nicht wirklich überraschend. Er hatte immer gesagt, er wollte mit den Muggeln nichts zu tun haben. Leben und leben lassen. Das beschrieb wohl perfekt sein Verhältnis zu der anderen Spezies.
„Ich bin bereit ein bisschen Muggelkunde zu betreiben, solange du mir versprichst, dass wir uns in der Zaubererwelt bewegen", gab Blaise schließlich nach. Automatisch musste ich leicht grinsen. Das würde ich auf jeden Fall hinkriegen. Einen Fernseher konnte ich ihm ja durchaus auch in Ares ehemaligen Schloss zeigen, ganz ohne Kontakt zu irgendwelchen Muggeln. Also abgesehen von Marlon, doch meinen Adoptivonkel schienen meine Freunde irgendwie bei dem Thema immer zu vernachlässigen. Vielleicht weil er von seinem Verhalten eher ein Squib war als ein Muggel.
In dem Nachbarbett regte sich etwas. Neugierig sah ich dorthin. Bisher hatte Harry noch tief und fest geschlafen, doch jetzt war er wach und gerade auf der Suche nach seiner Brille. In diesem Moment ertastete er sie und setzte sie sich auf die Nase. Als Nächstes sah er zu mir und Blaise herüber.
Im ersten Moment wirkte er ziemlich überrascht, dass der dunkelhäutige Slytherin bei mir im Bett lag. Er sah uns verwundert an, dann verfinsterte sich seine Miene ein wenig, bevor er sich zu einem Morgen durchrang.
„Ich glaube, ich sollte jetzt gehen", stellte der Slytherin in meinem Bett mit einem kurzen Blick zu dem Gryffindor fest.
„Aber ich bin doch gerade erst aufgewacht", protestierte ich. Eigentlich wollte ich auf gar keinen Fall, dass mich mein Klassenkamerad jetzt schon verließ. Ich lag gerne in diesem Bett, fest an ihn gekuschelt.
„Du wirst bestimmt bald entlassen, dann verbringen wir ganz viel Zeit miteinander", versprach mir Blaise. „Und Marlon kommt gleich wieder. Er freut sich bestimmt, wenn seine kleine Rose dann ganz viel Zeit nur für ihn hat."
„Ich habe auch ganz viel Zeit für ihn, wenn du erst gehst, wenn er kommt. Bleibe noch ein bisschen."
„Ich habe dich lieb, kleine Rose. Das weißt du genau. Aber hier habe ich gerade nichts verloren. Harry braucht Ruhe, ich glaube, da bin ich nicht hilfreich. Nicht jeder steckt einen Kampf mit dem gefürchtesten dunklen Magier aller Zeiten einfach weg, indem er ein kleines Nickerchen macht. Ich komme nach dem Mittagessen noch mal vorbei, um Antiope abzuholen. Vielleicht auch dich, wenn Madam Pomfrey Harry gehen lässt."
„Mich muss sie auch entlassen", stellte ich fest. Ich lag im Krankenflügel, zwar nur auf Anweisung von Dumbledore, doch ich würde nicht ohne Erlaubnis gehen.
„Nein, du musst nur deinen Wachposten an Harrys Seite verlassen. Aber ich sehe schon, du bist dafür noch nicht bereit. Ich komme noch einmal nach dem Mittagessen vorbei, um Antiope abzuholen. Vielleicht nehmen wir dann auch noch eine kleine Kriegsnymphe mit. Aber nur wenn sie bereit ist, ihren Wachposten zu verlassen. Solange habe ich Geduld, kleine Rose."
Ich gab ein leises Seufzen von mir. Irgendwie kam mir dieser Spruch ziemlich bekannt vor. Etwas ganz Ähnliches hatte ich auch schon gehört, als ich beschloss, dass ich nicht über meine Beziehung zu ihm nachdenken wollte. War es nicht immer so? Ich setzte mir etwas in den Kopf und Blaise – na ja, er fand es in Ordnung. Er steckte zurück. Er wartete, bis ich bereit war, um über meine Gefühle zu reden, er wartete, bis ich bereit war, Harry alleine im Krankenflügel zu lassen, er befasste sich für mich mit den Muggeln. Und was gab ich zurück? Ich stellte Forderungen. Mir fielen immer wieder neue Dinge ein, auf die Blaise noch warten musste.
„Ich komme auf jeden Fall mit euch spazieren. Ich komme mit. Versprochen."
„Patricia, es ist wirklich in Ordnung, dass du hierbleibst. Ich sehe später nach dir, kleine Rose."
„Ich habe dich auch lieb, Blaise." Dieses Mal war ich diejenige, die dem Dunkelhäutigen vorsichtig einen Kuss auf die Wange drückte, bevor ich mich von dem Slytherin löste. Dieser schenkte mir noch ein freundliches Lächeln, bevor er wieder aufstand.
Kaum war mein Klassenkamerad aus dem Krankenflügel verschwunden, glitt mein Blick zu Harry, welcher mich etwas schuldbewusst ansah.
„Dir ist er wirklich wichtig."
„Natürlich. Wir sind Freunde. Aber ich sehe ihn später wieder. Darf ich mich zu dir setzen? Im Bett ist es langweilig."

Hexagramm - HundewacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt