Kapitel 44

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Grummelig kroch ich zu Arienne ins Bett. Seit meinen und Adinas Streit aufgrund der Rückkehr des dunklen Lords redete die Wassernymphe nicht mehr mit mir. Stattdessen krallte sie sich immer demonstrativ Greengras, um mir zu zeigen, dass sie mich schon lange wieder ersetzt hatte. Sie brauchte mich nicht, das wollte sie mir zeigen und momentan schien sie es auch zu stimmen.
Was wohl passierte, wenn sie nach Hause kam und der dunkle Lord dort gemütlich auf einem Sofa saß und Tee trank? Würde sie sich ihm dann anschließen? Alles andere wäre vermutlich ihr Todesurteil. Nach meinen bisherigen Informationen über den Verrückten, kam als Antwort auf das Wort Nein eigentlich immer ein Avada Kedavra.
Aber vielleicht hatte er mit Adina etwas mehr Geduld. Die Wassernymphe war schließlich noch ein Teenager. Außerdem war es ein großes Risiko, sie umzubringen. Niemand wusste, was genau passierte, wenn es keine Nymphe mehr gab, die als Verbindung zwischen Poseidon und dem dunklen Lord diente, doch wahrscheinlich würde der Einfluss des Gottes einfach verschwinden. Auch wenn der dunkle Lord nicht mehr wie ein Mensch aussah, auf Wasser war er wohl noch wie alle anderen Lebewesen auch angewiesen. Daher standen die Chancen wohl ganz gut, dass er Adina nur in einen dunkles Verlies sperren würde, aus dem ich sie dann wieder befreien könnte.
Auf der anderen Seite konnte er auch die Schwachstelle der Wassernymphe ausnutzen. So wie eigentlich jeder Mensch war sie schließlich Beziehungen zu anderen eingegangen. Wie lange sie wohl Nein sagen würde, wenn die Alternative die Leiche von ihrem Bruder und ihren Eltern war?
Thema Bruder: Ob sich wohl Draco dem dunklen Lord anschließen würde? Zutrauen würde ich es ihm definitiv. Seine Meinung von Muggelstämmigen war um einiges schlechter als Adinas Meinung zu ihnen. Da selbst die Blondine nur eine sehr geringe Meinung hatte, hieß das schon einiges.
„Noch immer dicke Luft im Schlafsaal, Patricia?", fragte mich Ari in diesem Moment und drehte sich zu mir um. Mir wurde vorsichtig eine Hand auf die Schulter gelegt, während ich leise seufzte.
„Sie ist noch immer wütend und will nicht mit mir reden. Außerdem ist Jamie traurig. Er hat das Gefühl, sich zwischen Adina und mir entscheiden zu müssen. Was er vermutlich auch muss. So wie es aussieht, heißt es entweder Adina und der dunkle Lord oder mich. Obwohl momentan entscheidet er sich wohl für Seite drei. Er ist ständig mit Franklin unterwegs und geht uns aus dem Weg."
„Seine erste Beziehung zerbricht gerade. Er braucht nur etwas Zeit für sich, um sich wieder zu sortieren."
„Aber mit Luna und Franklin verbringt er noch gerne Zeit. Sie sind ständig zusammen im Stall. Jamie bringt Frankie auch nicht mehr immer sofort zurück. Manchmal übernachtet er im Ravenclaw-Turm", beschwerte ich mich. Ich hatte nicht wirklich das Gefühl, die Zeit wäre das Problem, sondern das Trio aus Jamie, Adina und mir zerbrach gerade in drei Teile. Keine wirklich überraschende Wendung. Adina ging zu den Todessern, ich nahm meinen Platz als Anführerin der Kriegsnymphenfamilie ein und Jamie – na ja, Jamie blieb wohl einfach ein normaler Schüler. Er ging weiter zur Schule, machte sich Sorgen um Hausaufgaben und Prüfungen, freundete sich hoffentlich mit anderen ganz normalen Schülern an und würde hoffentlich versuchen, all das Chaos außerhalb der sicheren Mauern zu vergessen.
„Ja, weil Luna momentan ein neutraler Punkt bei der Sache ist. Du bist damit beschäftigt zu planen, Adinas Familie ins Gefängnis zu werfen, Adina schimpft ständig über dich, weil du gegen ihre Familie bist, und Luna erzählt weiterhin von irgendwelchen nicht existierenden Tierwesen. Gib ihm noch ein paar Tage, dann trennt er sich von Adina und eure Beziehung renkt sich wieder ein. Trennung sind einfach hart."
Ich schluckte schwer. Trennungen waren hart. Das war mir schon vorher bewusst gewesen. Wenn ich nur daran dachte, wie weit Marlon gegangen war, um seine Maélys wieder zu sehen, wurde mir noch immer ganz anders. Allerdings schien es Arienne ziemlich wenig auszumachen, dass sie sich in letzter Zeit ständig mit ihrer Beauxbatons stritt. Sie machte trotzdem einfach weiter. Sie hielt Sue und mich davon ab, uns nur noch auf den bevorstehenden Krieg vorzubereiten. Da Adina nichts mehr mit mir zu tun haben wollte, beschwerte sich auch niemand, wenn ich fast meine ganze Freizeit damit verbrachte, entweder gegen jemanden zu kämpfen oder all das Wissen aus der Bibliothek im ehemaligen Schloss von Ares in mir aufzusaugen. Ich machte nur davon Pause, wenn ich mal wieder mit Blaise und Antiope spazieren ging, wobei wir oft am Stall vorbeigingen, wo Jamie dann meistens bei Franklin saß.
„Bist du auch traurig? Ich habe von den Streitereien mitbekommen. Werdet ihr euch auch trennen?", fragte ich vorsichtig.
„Ich denke, ja. Wir hatten eine schöne Zeit, doch sie ist –" Arienne schien kurz nach den richtigen Worten zu suchen. Schließlich war ein leises Seufzen zu hören, dann sprach sie weiter: „Ich führe ein anderes Leben, wo eine Schülerin nicht hereinpasst. Wir werden bald in einen Krieg ziehen, chiot, und niemand kann garantieren, dass wir immer heile nach Hause kommen. Sie will nicht darauf hoffen, dass ich es tue. Daher versucht sie, mich dazu zu überreden, nach Beauxbatons zu gehen. Um mich in Sicherheit zu wissen."
„Denkst du, Blaise wird auch Angst um mich haben, wenn ich das Haus verlasse, um in einen Kampf zu ziehen?" Ich wollte auf gar keinen Fall, dass mein Klassenkamerad in noch einer Sache zurücksteckte. Das tat er aufgrund von unserer Freundschaft schon oft genug.
„Patricia, wir sind, wer wir sind. Du bist die Kriegsnymphe, ich Teil deiner Familie. Zu uns gehört es nun einmal, in diesem Krieg mitzukämpfen. Damit hat unser Partner klarzukommen. Blaise wird mit Sicherheit Angst haben, dass dir etwas passiert. Das werden wir alle. Man hat um die Menschen Angst, die man liebt. Das ist in Ordnung. Trotzdem muss jeder von uns diese Angst aushalten, denn wir können an ihr nichts ändern. Unser Schicksal ist es, die letzte Schlacht gegen Hades zu bestreiten. Das haben unsere Partner zu akzeptieren."
„Du wirst in der Prophezeiung erwähnt?" Ich sah überrascht zu der Sechstklässlerin. Irgendwie hatte ich nicht damit gerechnet, dass auch nur eine Person aus der Kriegsnymphenfamilie explizit erwähnt worden wäre. Zwar hatte ich sie bisher noch nicht lesen können, doch in Kanada würde ich sie aufs Genauste studieren.
„Vermutlich eher nicht. Ich kenne den genauen Wortlaut nicht. Den hat nur die aktuelle Nymphe von Apollon. Ich weiß allerdings, dass deine Generation Nymphen erwähnt wird. Du wirst kämpfen und ich werde damit Leben müssen. Das kann ich besser, wenn ich an deiner Seite bin. Dann muss ich mir nicht später vorwerfen, ich hätte nicht richtig auf meine kleine Schwester aufgepasst."
Ich gab ein leises Seufzen von mir. So ganz wusste ich nicht, was ich von dieser Aussage halten sollte. Sie kam nicht überraschend. Ganz und gar nicht. Trotzdem hätte ich es gerne, dass Arienne sich irgendwo in Sicherheit brachte. Ich wollte nicht für noch einen Tod verantwortlich sein, weil ich zu schwach war, es zu verhindern.
„Aber ich werfe es mir wahrscheinlich vor, wenn dir etwas passiert", warf ich ein. Wenn man bedachte, welche Vorwürfe ich mir bis heute aufgrund des Todes meiner Adoptiveltern machte, hielt ich es sogar nicht nur für wahrscheinlich, sondern es würde definitiv passieren. Mal ganz davon abgesehen, dass jeder Tod eines nahestehenden Menschen meinen Fluch auslösen konnte.
„Wenn ich fallen sollte, wirst du nicht daran schuld haben, Patricia. Und wenn du das nicht glaubst, werde ich jedes Mal Sirius in der Zwischenwelt besuchen gehen, wenn er dort ist, um dir über ihn eine Nachricht überbringen zu lassen, bis du es nicht mehr glaubst."
„Und mein Fluch?", fragte ich vorsichtig weiter nach.
„Dein Fluch wird irgendwann ausgelöst werden, Patricia. Das gehört zum Leben einer Nymphe dazu. Vielleicht passiert es, wenn du dich von Blaise oder jemand anderem trennst, vielleicht wenn Adina offiziell zu den Todesser überläuft, vielleicht weil jemand stirbt. Es ist egal warum. Wir werden für dich da sein. Du bist nicht mehr alleine, kleine Schwester." Mir wurde vorsichtig eine Strähne aus dem Gesicht gestrichen und dann ein Kuss auf die Schläfe gedrückt.
„Jetzt versuche, ein wenig zu schlafen."

Hexagramm - HundewacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt