Kapitel 45 - so?

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Es war ein ganz normaler Morgen, als sich mein Leben noch einmal vollständig veränderte.

Jessie hatte am Tag vorher wie so oft in den letzten Tagen einen Anruf bekommen und war in ihr Zimmer gegangen. Dieses Mal aber war ich ihr gefolgt.

Sie und der Anrufer hatten sehr vertraut miteinander gesprochen und jedes ihrer Lachen war ein Schlag in den Bauch gewesen. Wieso tat sie das nicht, wenn ich mit ihr sprach?

An diesem Morgen also saß ich schlecht gelaunt am Tisch. Die Geschehnisse am Sonntag hatte ich nie mehr angesprochen und auch die hatte sich nicht dazu geäußert.

Sie hatte immer noch nicht zugesagt.

Plötzlich klingelte es an der Tür.
Ich sprang auf und rannte in den Flur.

Als ich sah, wer draußen stand, hätte ich die Tür am liebsten wieder zu gemacht.

Ein Junge, blond, einen Kopf größer als ich, schlank aber muskulös, ein klarer Athlet, stand vor mir und seine Augen verengten sich, als er mich sah.

" Wer bist du? ", bellte er und im ersten Moment war ich so geschockt, dass ich ihm zögernd antwortete.

" L-Louis. "

" Was tust du hier? "

" Entschuldige mal, ich wohne hier! ", knurrte ich; extrem genervt von seiner arroganten Haltung, gewann ich mein Selbtverstrauen zurück.

" Ach so. Hallo", sagte der Junge. Ich sah ihn abwägend an.

" Wer bist du denn überhaupt? Und was willst du hier? "

Mein Gegenüber lächelte falsch.

" Ich bin Alex", stellte er sich vor, "Und ich möchte meine Freundin zum Essen abholen."

Das hatte gesessen.

Wortlos starrte ich ihn an. Braun gebrannt, muskulös, reiche, aber nicht aufdringliche Kleidung. Alex war einer dieser Perfektionisten, die wahrscheinlich nie krank wurden, denen alles sofort von der Hand ging und gelang und bei denen immer alles aufgeräumt, gepflegt und logisch war.

Niemals, aber auch wirklich niemals, würde ein Alex in der Psychiatrie landen, im Gegensatz zu mir.

"Deine Freundin. ", wiederholte ich langsam.

" Ja. Jessie. "

Hinter mir hörte ich jemanden seufzen und wie in Zeitlupe drehte ich mich um.
" So? Dein Freund also?"

Sie seufzte. " Es tut mir leid. Ich wollte es dir sagen, aber. .."

" Schon OKAY! ", unterbrach ich sie. " Hätte ich mir ja denken können. Mein Fehler. "
Mit diesen Worten stampfte ich an ihr vorbei und in mein Zimmer.

" Musste das jetzt sein? ", fauchte Jessie Alex an.

" Kriege ich keinen Kuss?", lenkte dieser vom Thema ab und in dem Moment, in dem die Knutschgeräusche an mein Ohr drangen, knallte ich die Tür donnernd zu.

Ich war wie versteinert. Keine Tränen, keine schwarzen Gedanken, wie ich es erwartet hatte. Einfach nur versteinert.

Vielleicht sollte ich genau das tun. Einfach hier sitzen, bis ich zu Stein wurde. Ein ewiges Zeichen verlorener Liebe.

Ja, ich war in sie verliebt.
Hätte ich es ihr doch nur gesagt! Hätte ich mich ihr nur früher offenbart!

Den ganzen Tag saß ich in meinem dunklen Zimmer und starrte an die Wand.
Jessie kam, klopfte an die Tür und rief mich zum Essen.
Ich schwieg.

Sie fragte mich, um wir zusammen Fernsehen wollten.
Ich schwieg.

Erst nachdem sie bereits bei dem zweiten Film angekommen waren, wurde mir klar, wie kindisch mein Verhalten war.

Ich wollte weder Alex die Genugtuung noch Jessie die Schuldgefühle überlassen. Ich benahm mich ja wie ein bockiger Dreijähriger!

Also stand ich schwankend auf und stolperte zur Tür.
Let the show start!

" Hi. Habt ihr mich vorhin gerufen? ", fragte ich und war selbst überrascht, wie heiser und schwach meine Stimme klang.

" Ja, aber - bist du okay? ", fragte Jessie zurück, als ich plötzlich zu husten begann.
DAS gehörte nicht zum Spiel.

" Jaja.", brummelte ich leise und tapste in die Küche.

Der Anblick von Jessie und Alex kuschelnd auf der Couch hatte ein schlechtes Gefühl in meinem Magen zurückgelassen.

" Alles klar bei dir? " Jessie war mir tatsächlich in die Küche gefolgt.

" Ja. Ich habe geschlafen, tut mir leid, wenn du dir Sorgen gemacht hast. ", knurrte ich sie an.
" So? Du hast geschlafen? ", wiederholte sie ungläubig.

Wieder hustete ich. " Ja. Was denkst du denn? "

Jessie schnaubte und wollte zurück ins Wohnzimmer.

Ich aber schnitt ihr den Weg ab. " Also, was hast du denn gedacht, was ich mache? "

Ich musste einfach mit dem Feuer spielen. Sie aufzuregen war das Beste, was man hier tun konnte.

"Das heißt, du hast nichts dagegen, dass ich einen Freund habe? Keine Eifersuchtattaken oder Zickereien? ", wollte sie scheinheilig wissen.
Jetzt bloß nicht verraten, Louis!

" Wieso sollte ich das tun?", lachte ich, doch es endete wieder in einem Husten. Scheiße, wurde ich jetzt ernsthaft krank??, Wer wollte mich hier eigentlich verarschen?

" Das heißt, du bist nicht in mich verliebt? ", kam Jessie's nächste Frage.
Zu jeder anderen Zeit hätte diese Frage mich unsicher gemacht.

Aber ich sah sie vor mir: wie sie einen anderen küsste, wie sie in seinen Armen lag.

" Herzchen! ", sagte ich. " Ich verliebte mich nich, nie und nimmer. Und vor allem nicht in dich. "

Damit drehte ich mich um und lief in mein Zimmer zurück.

Mein filmreifer Abgang wurde leider durch ein Kitzeln in der Nase ruiniert.

" Gesundheit!", rief Jessie hinter mir her.

Ich knallte demonstrativ die Tür ins Schloß.

Sie konnte mich mal.

Alles auf NullWo Geschichten leben. Entdecke jetzt