Ich schluckte.
" Was für Komplikationen? ", fragte ich leise.
Der Arzt sah mich an. " Die Transplantation ist gut verlaufen. Aber während der OP hat ihr Herz aufgehört zu schlagen. "
"Oh mein Gott! ", entfuhr es Bradley und Colin sah aus, als würde er sich gleich übergeben.
" Was heißt das? ", fragte Parvel heiser.
Der Arzt legte Colin die Hand auf die Schulter. " Sie hatte einen Herzstillstand. Aber wir konnten sie reanimieren. Sie liegt im Koma."
Ich brach auf meinem Stuhl zusammen.
" Und jetzt? "
" Jetzt dürfen Sie zu ihr. Sprechen Sie mit ihr, seihen Sie für sie da."
Wir sahen uns an. Koma. Damit hatte niemand gerechnet.
Schweigend machten wir uns auf den Weg zu ihrem Zimmer.
Sie lag auf der Intensivstation, immer noch.
Bleich, dem Tod näher als dem Leben, lag sie da.
" Bleiben Sie so lange Sie möchten. Aber wecken Sie sie bitte nicht auf. ", erklärte uns die Krankenschwester und verließ das Zimmer.
Ganz vorsichtig ließen wir uns in dem Zimmer nieder, Parvel und Bradley direkt an ihrem Bett, Colin und ich auf den Stühlen an der Seite.
Bestimmt eine weitere Stunde ging vorbei, in der wir wortlos vor uns hinstarrten und unseren dunklen Gedanken nachhingen.
" Erzähl mir etwas über sie. ", flüsterte Bradley plötzlich. " Ich habe meine Schwester die letzten Jahre so selten gesehen! "
Parvel lächelte. " Also gut. "
Ich spitzte meine Ohren und sog jedes Wort begierig auf, während der Artist sprach.
Flashback aus Parvels Sicht
Ich erinnere mich noch genau an den Tag. Es war ein Jahr nachdem ihre Eltern gestorben waren.
Ich kam in ihren Wohnwagen und fand sie nachdenklich über ein Schreiben gebeugt.
" Was ist los? ", wollte ich wissen, denn ihr Verhalten erschien mir mehr als seltsam.
" Hier, lies! ", flüsterte sie.
Und das tat ich. Als ich fertig war, sah ich auf und unsere Blicke trafen sich.
" Gratuliere!", flüsterte ich. " Vom International circus of youth angenommen zu werden ist eine riesige Ehre! "
Sie lächelte. " Noch vor einem Jahr hätte ich sofort abgelehnt. Niemals wäre ich fort gegangen. Aber jetzt? Du bist der Einzige, der mich hier hält. "
Da begann ich zu lächeln und holte einen zerknüllten Zettel aus meiner Tasche. " Ich hätte ihn weggeschmissen. Aber wenn du gehen möchtest: ich komme gerne mit dir. "
Vor einem halben Jahr hatten wir uns am Circus of Youth eingeschrieben und das wir beide genommen worden waren, war wirklich ein Wunder.Einen Monat später saßen wir im Flieger nach London, wo der Zirkus gerade Station machte.
Ich war schon immer der ruhige Typ gewesen, der lieber für sich alleine trainiert, aber die Artisten waren alle ungefähr in meinem Alter und schon nach wenigen Wochen hatte selbst ich Freundschaften geschlossen.
Jessie war wie immer wie ein Fabelwesen. Sie trainierte ausschließlich alleine und das täglich mehrere Stunden.
Wo immer sie auftauchte folgten ihr alle Augen und ich weiß, dass ihr alle Artisten und Mitarbeiter nach wenigen Tagen verfallen waren.
Jessie kümmerte es nicht. Sie wahrte ihre kühle Schale, die in unserem Business besonders hilfreich ist, und verzauberte alle Anwesenden alleine mit ihrer Existenz.
Es war circa zwei Monate nach unserer Ankunft in London, als ich mich zu Jessie's Trainingszeiten in die Manege schlich.
Diese hatte hier endlich ihren größten Wunsch erfüllt bekommen und durfte mit den Pferden arbeiten.
So stand sie auch heute ganz still in der Mitte der Manege und ließ einen weißen Hengst im gestreckten Galopp um sie herum jagen.
Eine nach oben gestreckte Hand reichte, um das Pferd aus dem Sprung zum Versteinern zu bringen.
Ein Wink und der Hengst bäumte sich auf und jagte in die andere Richtung.
Diese Übungen kannte ich, denn sie hatte mir von ihnen erzählt.
Dann aber brachte sie das Pferd ein zweites Mal zum stehen und näherte sich dem Tier.
Der Hengst warf den Kopf und schlug aus.
" Hey!" Das Wort hallte scharf und klar wie Eis durch das Zelt.
Sofort stand er ruhig.
Sie sprach sonst kein Wort mit den Tieren, das war ihre Spezialität.
Vorsichtig stellte sie sich an seine Flanke und fuhr das Rückgrat nach.
Ein weiteres Auskeilen wurde durch einen leichten Klaps bestraft.
Der Hengst stand still, den edlen Hals gebeugt und tief schnaubend.
Mit einem Satz sprang sie auf seinen Rücken und im nächsten Moment stand sie auf seinem Rücken.
Mit leichtem Nicken des Kopfes und einer Gewichtsverlagerung der Beine brachte sie ihn in Bewegung.
Zumindest war das der Plan. Die Realität sah dann so aus, dass das Pferd sich aufbäumte und sie in der nächsten Sekunde im Staub lag.
Ich hielt die Luft an, während sie sich langsam wieder aufrichtete.
Ohne Worte, nur knappe Gesten verwendend, schickte sie das Pferd wieder raus auf den äußeren Ring und ließ es erneut Bahnen rennen, bis es schwer schnaubte.
Diese Prozedur wiederholte sich noch mehrere Male, bis sie es endlich schafften, mit einander zwei Runden in der Manege zu drehen.
Ich schüttelte den Kopf. Sie wollte mit diesem Pferd arbeiten. Es sollte in der nächsten show mitlaufen. Wie wollte sie das nur hin bekommen?Am Sonntag war Ehrenvorstellung. Ich war relativ am Ende erst dran und stahl mich ins große Zelt.
Dort wurde Jessie gerade angesagt.
Mit den Ponys trat sie nicht so oft auf, aber wenn, dann war es immer ein Spektakel.
Ihr samtroter Anzug schimmerte und in dem Scheinwerferlicht sah sie aus wie ein Fabelwesen von einem anderen Stern.
Der Hengst lief als dritter in die Manege, ich erkannte ihn sofort.
Die Show begann und sie erntete viel Beifall und Jubel von allen Seiten.
Am Ende fand selbst ich mich in meinem Sitz stehend, wie berauscht von der Darbietung.
Und als ich dachte, es wäre bereits zu ende, schickte sie die anderen Pferde raus und ließ nur den Hengst ein paar Runden rennen.
Elegant stoppte er ab, den Hals stolz gebogen. Sanft fuhr sie seinen Rücken entlang und stand plötzlich auf ihm.
Er schnaubte und schüttelte unwirsch den Kopf, aber tat alles, was sie wollte.
Nach drei weiteren Runden schlug sie eine Radwende von seinem Rücken herab und verbeugte sich lächelnd.
Ich musste Kopfschüttelnd lachen.
Wie sie es geschafft hatte, in zwei Tagen einen unwilligen Hengst gefügig zu machen und all das mit ihm zu trainieren, ist mir ein Rätsel.
Aber sie hatte es geschafft.
Einfach weil Jessie Jessie ist.
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Alles auf Null
FanficSie sahen mich an. Alle. " Du kannst dich also an nichts erinnern? ", fragte er. " Nein! Verdammt! ", rief ich aus und sie fixierten mich mit ihren Blicken. " Louis, du hast gestern Nacht versucht, dir das Leben zu nehmen! " Fassungslos starrte...