Kapitel 1 oder der erste Tag ohne

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Der Tag begann wie so viele andere zuvor. Nein, etwas war anders.

Ich durfte ausgehen. Also, das hieß, dass die Pfleger mir nun soweit trauten, als das sie glaubten, dass ich für zwei Stunden in den an der Klinik gelegenen Park gehen konnte, ohne mich gleich von einem Baum zu stürzen.

Als ob ich mich jemals dazu herablassen würde! Vom Baum springen, also ehrlich! So niveaulos war nicht mal ich.

Ja wie ihr vielleicht gemerkt habt, habe ich mich verändert.

Nein, Veränderung ist das falsche Wort.

Louis, Louis William Tomlinson, lebt zwar noch, aber in dieser einen verdammten Nacht ist der echte Louis gestorben. Der Loulou, der Boubear, der Tommo.

Ihm war jemand anderes gewichen. Ein neuer, verbitterter und grausamer Louis.

Als meine Wunschbrüder mich nach zwei Monaten ein eiziges Mal wieder besuchten, spürte ich es sofort.

Etwas war anders. Nein, alles war anders.

Die vier verstanden sich ohne Worte, kurze Blicke reichten aus, um den anderen klar zu machen, was man wollte.

Soweit kannte ich das Phänomen. Alle hatten immer fazinniert beschrieben, wie wir die Gedanken der Anderen kannten, bevor sie sich selbst sicher waren.

Aber jetzt war es anders. Die Vier verstanden sich ohne Worte, aber ich war ausgeschlossen.

Zayn behielt die ganze Zeit über den Arm auf Nialls Schulter, als müsse er ihn beschützen.

Sie sprachen mit mir, natürlich, dafür waren sie ja gekommen; aber es war anders als sonst.

Der Suizidversuch wurde mit keinem Wort erwähnt, überhaupt sprachen wir nur über dumme Nichtigkeiten. Kein Wort zur Tour, den Fans, unseren weiteren Plänen oder überhaupt zu One Direction.

Aber es war der Tonfall, der das Fass schließlich zum Überlaufen brachte.

Harry war wortkarg wie nie und vermied meinen Blick gänzlich.

Die wunderschönen smaragdgrünen Augen, die ich so vermisst hatte - ich bekam sie kein einziges Mal zu Gesicht.

Niall starrte die meiste Zeit vor sich hin und schien sich unendlich unwohl zu fühlen. Es tat weh, ihn so zu sehen und zu wissen, dass ich der Grund für sein Unwohlsein war, aber der neue Louis war kalt, unnnahbar und ließ sich nicht mehr auf die Gefühlsebene herab.

Liam sah mich die ganze Zeit an und sein Blick wechselte minütlich zwischen besorgt und mitleidig. Dieses Verhalten nervte den neuen Louis. Es war meine Entscheidung, mein Verhalten, für das ich grade stehen musste und er war nicht meine Mutter.

Und Zayn? Zayn funkelte mich vernichtend an. Jedes Mal, wenn unsere Blicke sich trafen, erstach er mich mit seinen schwarzen Augen. Ich war es, der den Blick abwendete. Jedes verdammte Mal.

Früher wäre mir das nie passiert; früher da hätte ich Witze gemacht, bis er unseren Wettstreit vergaß und wäre dann johlend durch das Zimmer gerannt.

Aber mit dem Boubear war in dieser Nacht auch mein Humor gestorben.

Ich war so schweigsam wie möglich, antwortete auf keine der Fragen mit mehr als drei Worten, und hatte nicht mehr gelacht, seit ich an jenem Abend zu den Pillen und der Klinge gegriffen hatte.

" Wir wollen dir doch nur helfen! ", hatte Liam bei unserem Gespräch irgendwann frustriert gerufen.

Das war das erste Mal, dass ich sie wirklich ansah.

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