Kapitel 9

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"New York hat über 8 Millionen Einwohner und ausgerechnet du bist ihr Arzt", zischte ich als ich von meinem Stuhl aufstand. Verlegen strich Will mit einer Hand über seinen Nacken. Ich wurde schon wütend wenn ich ihn auch nur ansah.

"Was das angeht. Ich denke, es ist besser wenn wir in mein Büro gehen. Elizabeth hatte für heute schon genug Stress, glaube ich" Wir beide blickten zu Elizabeth, die ruhig im Bett lag und widerwillig nickte ich. Will öffnete mir die Tür und bedeutete mir ihm zu folgen. Auf dem Weg zu seinem Büro grüßte er einige Schwestern und andere Ärzte. Er ließ mich in einen kleinen Raum eintreten, der, abgesehen von einem Schreibtisch mit Stuhl, bis in den letzten Winkel vollgestopft war mit Büchern.

"Zuallererst möchte ich mich entschuldigen. Was ich damals getan habe war nicht richtig und das weiß ich jetzt" Ich schnaubte.

"Entschuldige dich bei ihr und nicht bei mir" Ich verschränkte die Hände vor der Brust.

"Das weiß ich und das habe ich auch vor. Weißt du, sie wurde mir zugeteilt als sie eingeliefert wurde und eigentlich wollte ich nur die Erstuntersuchung machen und sie dann wieder abgeben aber dann habe ich ihren Arm gesehen. Die Narben auf ihrem Arm" Bei diesen Worten blickte ich auf. Natürlich wusste ich, dass Liz sich in ihrer Jugend selbst verletzt hatte, doch das hatte mich nun neugierig gemacht. Er seufzte resigniert.

"Daran bin ich schuld, oder?" Seine blauen Augen trieften vor Schuld und Reue, dass er mir sogar etwas leidtat.

"Nicht alleine, aber du trägst schon eine Mitschuld", beantwortete ich seine Fragen. 

"Nachdem ich die Narben gesehen habe, konnte ich sie nicht mehr einem Kollegen von mir überweisen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich es wieder gut machen muss, dass ich ihr wenigstens das schuldig bin. Ich tue wirklich alles, was möglich ist damit sie wieder gesund wird." Ich nickte. Ihm schien sein Verhalten von damals wirklich leid zu tun. Er nahm eine Akte aus seiner Schublade hervor.

"Und sie ist jetzt mit Max zusammen? Ich dachte, dass ihr ein Paar wärt. Das hat damals so gewirkt" Neugierig musterte er mich.

"Es ist alles etwas kompliziert. Wir hatten lange keinen Kontakt mehr und uns erst letztens wieder angefreundet. Deswegen wundert es mich, dass ich noch immer auf dieser Anrufliste stehe" Er überflog die Liste kurz.

"Du standst nicht immer da. Sie hat deine Nummer erst vor wenigen Wochen hinzugefügt" Das erklärte wohl so einiges.

"Kannst du mir obwohl ihr bereits so lange keinen Kontakt mehr hattet etwas über sie erzählen. Allergien, Medikamente? Irgendetwas in der Richtung?" Ich öffnete meine Brieftasche und reichte ihm den Zettel, den Liz mir vor Jahren geschrieben hatte.

"Das ist alles schon etwas älter. Ich weiß nicht ob sie diese Medikamente noch immer nimmt oder ob sie überhaupt noch Medikamente nimmt." Will nickte als er den Zettel weiter studierte und sich Notizen machte.

"Sie nimmt Antidepressiva? Ich glaube, ich konsultiere besser einen Psychiater noch mit dazu", murmelte er. Mir fiel noch etwas ein.

"Sie hatte vor einigen Wochen eine Eileiterschwangerschaft, die abgebrochen werden musste", erzählte ich weiter. Seine Hand stockte kurz dann schrieb er kopfschüttelnd weiter. Dann klappte er die Akte wieder zu.

"Also, da sie dich auf die Notfallkontaktliste gesetzt hatte, hat sie dir auch das Recht gegeben zu erfahren, was mit ihr los ist. Ich weiß nicht ob man dir überhaupt schon etwas gesagt hat, deswegen erklär ich dir einfach alles von vorne. Ein Passant hatte sie in einer Seitenstraße, nicht weit entfernt von ihrer Wohnadresse, gefunden. Sie hat, wie du bereits gesehen hast, überall starke Prellungen. Am Kopf hat sie einige Platzwunden, die genäht werden konnten. Beim Gehirn haben wir keine Schäden feststellen können. Sie hat auf jeder Seite jeweils 4 Rippen gebrochen, eine davon hat ein Blutgefäß verletzt. Dadurch ist Blut in den Zwischenraum zwischen Lunge und Brustraum gelangt. Deswegen haben wir ihren Brustkorb punktiert um das Blut da wegzukriegen. Wir mussten sie intubieren, da sie solche Schmerzen hatte, dass sie nicht mehr richtig atmen konnte. Sie bekommt Medikamente, die sie beruhigen, denn eine künstliche Beatmung kann sehr beängstigend sein. Sie hat den linken Arm gebrochen, den konnten wir mit einem Gipsverband behandeln. Sie hat sich das Becken gebrochen an einigen Stellen, dies konnte mit einer Operation gerichtet werden, doch sie wird reichlich Physiotherapie brauchen um wieder auf die Beine zu kommen. Auch das linke Bein ist gebrochen, das haben wir auch operativ gerichtet." Er machte eine kurze Pause und sah mich abwartend an. Ich nickte um ihm zu zeigen, dass ich verstand und mitkam.

"Sie hat eine Menge Blut verloren, deswegen hat sie bei uns zwei Bluttransfusionen bekommen und natürlich bekommt sie bei uns auch starke Schmerzmittel" 

"Sie war eine Zeit lang abhängig von Schmerzmitteln", informierte ich ihn. Er nickte.

"Das ist nicht schlimm. Sie hat so starke Schmerzen, sie brauch diese Medikamente. Wenn es ihr wieder besser geht werden wir sie langsam wieder entwöhnen" 

"Hast du eine Ahnung woher diese Verletzungen kommen könnten?", fragte ich leise. Er schloss seine Augen kurz als würde er sich sammeln.

"Für mich deuten die Verletzungen darauf, dass sie verprügelt wurde. Du weißt, sie ist mit ihren Artikeln bereits vielen auf den Schlips getreten. Der Größe der Hämatome nach war es ein Mann oder eine Frau mit großen Händen. Ich habe bereits die Polizei kontaktiert aber solange Elizabeth nicht ansprechbar ist, können sie nicht viel machen. Es gibt keine Zeugen. Die Einzige, die weiß was passiert ist, ist sie." Ich schluckte.

"Wurde sie auch-" Ich brach ab. Ich konnte es nicht einmal aussprechen. Doch ich musste es auch nicht. Will verstand was ich sagen wollte.

"Es gibt keine Anzeichen für einen sexuellen Übergriff" Ich nickte. Ein schwacher Trost.

"Die Schwester sagte, dass sie komisch reagiert hatte als Max' Name gefallen war"

"Ja, sie hat mir das auch erzählt und ich muss sagen, dass mir das überhaupt nicht gefällt, aber wir dürfen keine voreiligen Schlüsse daraus ziehen. Obwohl ich es schon komisch finde, dass er sich noch überhaupt nicht gemeldet hat. Sie sind immerhin ein Paar" 

"Sie sind verlobt", brachte ich noch raus. Will musterte mich kurz, doch in seinen Augen blitzten Verständnis. Er sagte dazu jedoch nichts.

"Wie ist die Prognose?"

"Gut. Aus der Punktion kommt fast kein Blut mehr. Ihre Brüche wurden behandelt. Ihre Rippenbrüche werden wahrscheinlich nur langsam verheilen, doch wir werden versuchen sie so schnell wie möglich von der Atemmaschine weg zu bekommen. Wenn sie davon weg ist, kann sie auf eine normale Station verlegt werden, wo dann sehr viel Physiotherapie ansteht. Ich denke, alles in allem, wenn sie sich gut macht, wird sie in zwei Wochen wieder aus dem Krankenhaus raus sein.  Die Rippenbrüche werden in etwa 6 Wochen verheilt sein und normalerweise wird sie keine Folgen davontragen" Ich fuhr mit einer Hand durch meine Haare und lächelte ihn entschuldigend an.

"Sorry nochmal, dass ich dir die Nase gebrochen habe" Er winkte ab.

"Schon gut. Ich hatte es verdient"

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