Kapitel 3

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Elizabeths Reaktion schien nicht besser zu sein als meine, da auch sie in ihrer Bewegung erstarrte. Der einzige Unterschied war, dass sich ihre Wangen leicht rosig verfärbten. Etwas das ich schon immer an ihr geliebt hatte. Allgemein sah sie gut aus und hatte sich nicht viel geändert. Ihre braunen Haare umrandeten noch immer ihr Gesicht, welches leicht geschminkt war, was sie noch hübscher machte. In meinem Bauch kribbelte es leicht und ich konnte einfach nicht fassen, dass sie, nach all der Zeit, noch immer so eine Wirkung auf mich hatte.

"Cole", brachte sie gepresst hervor bevor sie herumwirbelte und wieder im Haus verschwand. Ich folgte ihr schnell und bemühte mich nicht all zu offensichtlich auf ihren Hintern zu starren, der, in diesem schwarzen Kleid von ihr, wirklich gut aussah. Ich stellte meine Tasche in der Garderobe ab und trat dann nach ihr ins Esszimmer. Dort saßen bereits Dad und Julia, sowie ein anderer Mann mit rötlichem Haar, der mir vage bekannt vorkam. Kaum hatte ich das Zimmer betreten, war Julia auch schon bei mir.

"Cole! Ich dachte, du wolltest mit deiner Mutter feiern. Ihr ist doch nichts passiert oder?" Sie umarmte mich und ich drückte ihr einen leichten Kuss auf die Wange. Sie ließ mich los und ich ging zu meinem Vater um ihn zu begrüßen.

"Nein, sie hat nur in letzter Minute abgesagt" Ich legte einen Arm um meinen Dad, der murmelte etwas von wegen typisch für meine Mutter. Ich blickte rüber zu Liz, die sich neben den Mann gesetzt hatte und nun ihre Hand auf seine legte. An ihrer Hand blitzte ein Ring auf. Sofort war meine Stimmung wieder im Keller.

"Ich bin Max. Elizabeths Verlobter", stellte er sich vor und schon wusste ich wieder woher ich ihn kannte. Sie kannten sich von Elizabeths alter High School und ich hatte ihr schon mehrmals gesagt, dass er auf sie stehen würde. Sie hatte jedoch immer behauptet sie wären nur gute Freunde und da würde nie mehr entstehen. Ich hob eine Augenbraue und blickte Liz unverwandt an. Sie hatte wenigstens den Anstand nochmal rot anzulaufen und den Blick gleich wieder abzuwenden. 

"Cole. Ihr... Stiefbruder", antwortete ich, doch an seinem Blick sah ich gleich, dass er von uns beiden wusste. Um die komische Stimmung zu überbrücken, servierte Julia gleich den Truthahn und die vielen Beilagen, die sie gemacht hatte.

"Aber das ist doch viel zu viel, Mum. Wer soll das denn alles essen?", stellte Elizabeth entsetzt fest. Zufrieden merkte ich, dass sie sich wirklich nicht geändert hatte.

"Alles, was wir nicht essen, bringe ich in das örtliche Obdachlosenheim. Keine Sorge, Elizabeth. Es wird nichts weggeschmissen", erklärte Julia. Max lachte leise.

"Betty denkt immer so viel an andere, dass sie sich selbst manchmal vergisst" Er grinste sie an und sie erwiderte es unsicher. Ich wandte den Blick ab. Lustlos stocherte ich in meinem Gemüse. Vielleicht hätte ich doch besser Zuhause bleiben sollen. Ich freute mich, dass sie wieder glücklich war nur tat es schon weh, es so unter die Nase gerieben zu bekommen.

"Arbeitest du nicht gerade an einer Stiftung, Elizabeth?", fragte Dad nun. Ich blickte auf. Liz putze den Mund an der Serviette ab bevor sie antwortete.

"Ja, ich wollte eine Stiftung gründen, die dafür sorgt, dass Kinder mit psychischen Krankheiten nicht mehr durchs Raster fallen und Hilfe bekommen" Ich lächelte leicht. Sie war wirklich noch immer die Alte. Sie selbst litt seit sie ein Teenager war an Depressionen, nachdem ihr Vater sich umgebracht hatte und auch ihre Mutter war psychisch labil, weswegen sie eine eher entfremdete Beziehung zueinander hatten.

"Brauchst du Sponsoren?", fragte ich gerade raus. Überrascht blickte sie zu mir als würde sie mich gerade zum ersten Mal sehen. Fast hatte ich Angst mich in ihren hellblauen Augen zu verlieren. Dann schüttelte sie den Kopf.

"Nein, ich benutze das Preisgeld, das ich erhalten habe als ich mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde"

"Betty hat den Preis für ihren Artikel über Frauenrechte in den Vereinigten Staaten bekommen", erklärte Max. Ich tat überrascht, doch natürlich wusste ich das bereits. Als ich ihn gelesen hatte, erinnerte er mich sehr an ihren Artikel über Slut-Shaming, den sie für die Schülerzeitung unserer High School geschrieben hatte. Für den bekam sie immerhin ein Stipendium an ihrer Traumuni. In diesem Artikel hatte sie viele Interviews mit Frauen aus verschiedenen Berufsgruppen geführt und ihre Gehälter mit denen von Männern in der gleichen Position verglichen. Der Artikel hat einen richtigen Aufruhr in der Frauenrechtsbewegung ausgelöst. Ich war sehr stolz zu sehen, wie sehr sie gewachsen ist. Sie ist auch sehr viel selbstbewusster geworden.

"Wie steht es bei dir, Cole? Steht die Firma noch?" Ich grinste leicht. Mindestens einmal im Monat stellte Dad mir diese Frage. Ich erzählte ihm von meinen neuen Projekten und welche Pläne ich noch mit der Firma hatte. Dad nickte zufrieden.

"Ich sehe bereits, es war eine gute Entscheidung von mir dir die Firma zu überlassen. Du hast ein gutes Händchen für diese Dinge."

Nach dem Essen tauschten wir uns ein bisschen aus. Liz und dieser Max hielten sich jedoch sehr zurück und irgendwann verschwanden Julia und Liz in der Küche um den Abwasch zu erledigen. Dad musste auch irgendwas erledigen und ließ mich mit Max alleine im Wohnzimmer sitzen. Schweigend blickten wir überall hin nur nicht zu dem anderen.

"Du hättest mich vorwarnen sollen, dass er kommt, Mum", hörten wir Liz Stimme leise aus der Küche.

"Ach komm schon, Elizabeth. Ich wusste nicht, dass er kommen würde. Er hat abgesagt. Außerdem ist das mit euch bereits fünf Jahre her und ich hab euch von Anfang an gesagt, dass ich von eurer Beziehung nicht viel halte. Benehmt euch doch endlich wie Erwachsene. Das hier war doch ein schönes Thanksgiving. Es ist schon viel zu lange her, dass wir als Familie zusammen saßen. Wer weiß, vielleicht ist es nächstes Jahr einer mehr?" Ich versuchte diskret in Max' Richtung zu blicken doch seine Reaktion verriet gar nichts. Liz war schwanger?

"Sprich nicht so laut, das soll noch keiner wissen. Und ich hab jedes Recht noch immer wütend auf ihn zu sein, nachdem was er getan hat" Ich hörte Julia genervt seufzen.

"Dann sprich dich endlich mit ihm aus. Ich bin es so satt, dass sobald einer von euch zu einem Treffen zusagt, dass der andere dann absagt. Das ist kein Familienleben mehr. Willst du dass dein Kind so aufwächst?" 

"Hör auf darüber zu sprechen. Es ist noch viel zu früh für solche Gespräche. Ich will lieber erst auf Nummer sicher gehen bevor ich überhaupt etwas plane" Liz kam wieder ins Wohnzimmer und setzte sich zu Max. Als ich sie musterte fiel mir dann auf, dass sie etwas mehr strahlte als sonst und auch versuchte nicht allzu oft ihre Hand auf ihren Bauch zu legen. All das setzte mir zu wie ein Schlag in die Magengrube.

"Ich gehe schlafen. Kommst du mit?", fragte Max Liz. Sie schüttelte den Kopf.

"Ich komme gleich nach. Geh du nur" Er gab ihr einen kurzen Kuss und stieg dann die Treppen hoch. Als Max verschwunden war, saßen wir uns schweigend gegenüber. Sie war die Erste, die das Schweigen brach.

"Es tut mir Leid, dass du es so erfahren musstest" Ich lachte.

"All die Jahre und du denkst wirklich, dass du mir eine Entschuldigung schuldig bist?" Beleidigt stand sie auf.

"Ich wollte mich mit dir aussprechen, doch ich kann es auch sein lassen", zischte sie und verschwand nach oben. Vor ihrem alten Zimmer konnte ich sie schließlich einholen. Ich packte sie am Handgelenk und wirbelte sie um.

"So war das nicht gemeint. Wenn sich jemand entschuldigen sollte, dann bin ich es", erklärte ich mich. Ich ließ sie wieder los.

"Liebst du ihn? Macht er dich glücklich?", fragte ich leise. Mit zusammengepressten Lippen blickte sie mich an, doch sie musste nichts sagen. Ich verstand sie auch so. Schweigend standen wir beide vor ihrer Zimmertür. Gerade als sie sich abwenden wollte, hielt ich sie wieder auf.

"Ich hab dich wirklich geliebt. Das weißt du. Das tue ich immer noch. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass ich dich mehr liebe als es irgendwer sonst jemals könnte. Doch das reicht nicht. Ich könnte dich zum Mond und wieder zurück lieben und es würde niemals reichen ", flüsterte ich. Sie schloss die Augen und ich konnte sehen, dass ihre Unterlippe zitterte.

"Wer war dieses Mädchen, dass sie es wert war alles was wir hatten über den Haufen zu schmeißen?" Bei der Frage wurde der Kloß in meinem Hals immer dicker.

"Ich weiß es nicht. Ich kann mich an nichts aus der Nacht erinnern", presste ich beschämt hervor. Verletzt wandte sie sich von mir ab.

"Gute Nacht, Cole"

Someone like youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt