Zwei Tage waren vergangen, seitdem Taeyong in den Fluss gefallen war und zu den Wasserfällen gelangt war. Nachdem er eingeschlafen war, war er am nächsten Tag am Vormittag erwacht. Er war nicht vom Baum heruntergekommen und hatte den Proviant aufgegessen. Also sah er keinen Grund, aus seinem Versteck zu kommen, solange er keinen Hunger bekam.
Er hatte Kopfweh und sein Körper war zu schwach, aufzustehen.
Lavender war tot. In nur wenigen Tagen, die sie sich gekannt hatten, waren sie gute Freunde geworden und mittlerweile hatte er nicht einmal mehr die Kraft zu weinen. Getrocknete, salzige Tränen reizten seine Haut. Er war kein einziges Mal zum Fluss gegangen, um sich das Gesicht zu waschen, auch hatte er vergessen, seine Wunden zu reinigen.
Die Abenddämmerung war angebrochen und entspannt beobachtete Taeyong, wie über sich der Himmel immer dunkler wurde und die letzten Sonnenstrahlen erloschen.
Der Mond ging auf, die Hymne erklang und auch danach wendete Taeyong seinen Blick nicht vom Himmel ab.
Seine Kehle war trocken und er griff zur Wasserflasche und setzte sich auf. Er öffnete die Flasche, doch als nur ein kleiner Wassertropfen seine Lippen berührte, fluchte er und verschloss sie wieder. Dann würde er eben jetzt zum Fluss gehen, der Mond war hell genug, wie er rund am Himmel stand und gespenstige Schatten durch den Wald flimmern ließ.
Ein Ast knackte. Taeyong blieb stocksteif sitzen, er wagte keinen Muskel zu bewegen, nicht einmal seine Augen huschten hin und her, um die Umgebung zu beobachten.
Dann lockerte sich sein Körper und langsam drehte er sich herum, um in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, zu blicken. Zwischen den Bäumen konnte er einen langen Schatten sehen. Er bewegte sich unbeholfen zwischen den Bäumen, als hätte die Person keine Erfahrung im Wald und mit den Schatten der Bäume und wie man sich mit Hilfe dieser versteckte.
Blonde Haare blitzten auf und Taeyongs Augen weiteten sich.
Diese hässliche Frisur würde er überall erkennen. Stevia.
Taeyong zögerte nicht weiter. Leise öffnete er seinen Rucksack und holte das Stofftäschchen heraus und rollte es vor ihm aus. Er nahm sich eine der Spritzen heraus und schraubte eines der Fläschchen auf. Er konnte noch immer die kleinen lilanen Blättchen erkennen, die er vor einigen Tagen hineingegeben hatte. Sie schienen zu schweben und ein bisschen ausgesogen.
Er füllte die Spritze mit der Hälfte des Inhalts und kletterte mit der vollen Spritze in seiner rechten Hand den Baum hinab, darauf bedacht, leise am Boden aufzukommen und im Schatten verborgen zu bleiben.
Langsam pirschte er sich hinter ihm her. Der Durst war vergessen. Er huschte zwischen den Schatten hindurch, die Spritze versteckte er hinter seinem rücken, obwohl er wusste, dass dies nicht nötig war.
Alle Vernunft war aus seinem Gehirn entwichen, er wusste nicht genau, was er sich dabei dachte. Ein silbernes Messer blitzte im Mondlicht auf und Taeyongs Herz fing an vor Aufregung schneller zu schlagen.
Worauf habe ich mich eingelassen?
Taeyong war kurz davor, einfach umzudrehen und zurück zu dem Baum zu gehen, auf dem er die letzten Tage verbracht hatte.
Dann sah er, worauf Stevia zusteuerte: Eine Gestalt, die zwischen Wurzeln im Schatten eines Baumes gelehnt war.
Stevia drehte das Messer in der Hand herum, während er anfing, schneller zu gehen. Auch Taeyong fing an, schneller zu gehen und die Person, die versteckt im Schatten des Baumes saß, bemerkte Stevia offensichtlich nicht und wurde immer deutlicher.
Taeyongs Körper begann zu zittern, als er sah, wer es war.
Jaehyun.
Seine Schritte wurden schneller, ohne dass seine Schritte lauter wurden.
Er war nur zwei Meter hinter Stevia in den Schatten, der offenbar viel zu fokussiert war, um ihn zu bemerken. Mit jedem Schritt kamen sie Jaehyun näher, der ruhig am Baum angelehnt dalag.
Stevia hob das Messer.
»Jaehyun!«
In diesem Moment stürmte Stevia nach vorne, doch die Verwirrung, dass jemand durch die Nacht gerufen hatte, lenkte ihn für einen schnellen Herzschlag ab. Jaehyun riss die Augen auf und rollte sich zur Seite. Gerade noch rechtzeitig. Stevias Messer traf ihn nur am Arm.
Mit zwei großen Schritten war Taeyong bei Stevia. Er hob den Arm und stach mit der langen, spitzen und dünnen Nadel in seinen linken Oberarm. Er drückte die durchsichtige Flüssigkeit in seinen Arm und Stevia schrie auf.
Er schlug mit seinem Arm nach hinten, doch Taeyong war schon ausgewichen und um ihn herumgerannt, bevor er vor Jaehyun stehen blieb, sich beschützerisch vor ihn stellte. Dieser hatte sein Gesicht schmerzhaft verzogen, während er sich die blutende Wunde am Arm hielt.
Stevia hob den Arm mit dem Messer in dessen Hand, doch die Kraft in seinen fingern gab nach und das messer fiel mit einem dumpfen Aufprall zu Boden. Sein Arm hing schlaff an seinem Körper hinab und als er einen Schritt auf sie zumachte knickte er ein und fiel auf den Boden.
Sein Körper zuckte unregelmäßig und seine Atemzüge wurden lauter und schneller. Er hustete und Schaum quoll aus seinem Mund, seine Augen waren weit aufgerissen und sein ganzes Gesicht lief rot an, die Augäpfel sahen aus, als würden sie hinausfallen und das weiße im Auge wurde von roten Adern durchzogen, die nach und nach aufplatzten und rote Flecken erzeugten.
Er röchelte und der weiße Schaum aus seinem Mund hielt davon ab, gut Luft holen zu können. Die Augen drehten sich nach hinten und die Pupillen verschwanden, während sein Körper unkontrolliert zitterte. Schweiß trat auf seine Stirn und rann schnell hinunter. Seine Haare an der Stirn und am Nacken verklebten sich und hafteten sich an seine langsam immer blasser werdende Haut.
Dann lag sein Körper still und ein Kanonenschuss ertönte.
Unbewusst griff Taeyong zu Jaehyuns Hand und zog ihn mit, schnell zwischen die Bäumen hindurch, in Richtung des Baumes, auf dem Taeyong sein Lager hatte und als sie neben dem Baum anhielten, drehte Taeyong sich zu ihm und schloss Jaehyun fest in die Arme.
Er spürte, wie Jaehyun ebenfalls seine Arme um Taeyongs dünnen Körper legte, um ihn an sich zu ziehen. Erleichtert seufzte Taeyong und entspannte sich, als er Jaehyuns Atemzüge an seinem Körper spürte.
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Die Hälfte von diesem Kapitel habe ich während einem Mathe-Zoom-Meeting geschrieben xDD Und es hat mir gut getan xDD
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ᴛʜᴇ ʜᴜɴɢᴇʀ ɢᴀᴍᴇs | jaeyong
FanfictionEine ungewöhnliche Allianz, eine verlorene Welt, tödliche Spiele. Taeyong ist ein Waise in Distrikt 12 - und bei der jährlichen Ernte wird sein Name gezogen. Es sind die einhundertsten Hungerspiele. Taeyong kann sich nur auf sich selbst verlassen, u...