Die nächsten drei Tage waren für Taeyongs Empfinden purer Stress. Vielleicht nicht physisch, jedoch psychisch.
Wenn Taeyong und Jaehyun am Esstisch saßen, wurden sie gefüllt mit Informationen, über alles und jenes, was im Kapitol und in den einzelnen Distrikten passierte. Was Menschen von ihnen hielten, was die Menschen von dem Jubiläum hielten, was sie gut und welche Details sie als ungut empfanden, und so weiter und so fort. Unter Tags bestand Ten darauf, zu sechst Brett- und Kartenspiele zu spielen, um die zwei von dem ganzen Trubel abzulenken. Und obwohl Taeyong wusste, dass es gute Absichten waren, war es dennoch anstrengend.
Die einzigen Momente, in denen er das Gefühl hatte, tief durchzuatmen und seine Muskeln entspannen zu können, war am späten Abend, wenn Taeyong sich mit Jaehyun in ihrem Zimmer verzog und Taeyong in Jaehyuns Armen lag, während er sein Gesicht in Jaehyuns Nacken vergraben hatte und seinen warmen Geruch wahrnahm und mit geschlossenen Augen durch seine duftenden, geschmeidigen Haare streichelte, einzelne Strähnen um seine Finger wickelte.
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Einen Tag darauf
»Meine Damen und Herren! Wir dürfen ihnen nun die zwei Gewinner der einhundertsten Hungerspielen präsentieren! Wir bitten euch nun zu uns auf die Bühne. Alle sind schon ganz aufgeregt!«, haspelte Doyoung und vollbrachte nach diesen Worten eine einladende Bewegung, die auf die kleine Couch zwischen Jungwoos und seinem Stuhl stand, während er über seine Schulter nach hinten sah, zu einem der Wege, um auf die Bühne zu kommen.
Taeyong trat gefolgt von Jaehyun auf die Bühne. Das Lampenfieber schien ihn von innen auffressen zu wollen und sich unwohl fühlend wischte er sich seine schwitzigen Handflächen an seiner Hose ab. Nach ein paar Schritten blieb er stehen und sah sich zu Jaehyun um, der ihm ein aufmunterndes Lächeln schenkte.
»Setzt euch doch, setzt euch doch«, forderte Jungwoo die zwei auf und rückte noch die Pölster auf der Couch zurecht, bevor die zwei sich setzten. Das Publikum jubelte, während Jaehyun ihnen zulächelte, bis sie sich endlich setzten. Die Menge verstummte.
»Es ist uns eine Ehre, euch zwei als Gewinner empfangen zu dürfen. Ich habe mich so wahnsinnig auf dieses Gespräch gefreut! Seit ihr in der Arena als Sieger bekannt gegeben wurdet, hatte ich Herzklopfen und ich konnte an nichts anderes mehr denken, als an dieses Interview. Ich bin wahrscheinlich aufgeregter, als ihr!«
Taeyong blieb alles, was er gerne sagen würde (was genau genommen sehr wenig war – wer wollte denn live ein Gespräch führen, abgesehen von Doyoung und Jungwoo selbst, die das Interview gaben?) und überließ Jaehyun das Antworten, der nach einem Blick Taeyongs suchte und nach einem kleinen Nicken seinerseits gesagt bekam: Ich habe keinen Bock mit denen zu reden, was Jaehyun auf Anhieb verstand.
»Uns freut es ebenfalls, wieder mit Ihnen sprechen zu können. Ich habe nicht erwartet, mit Taeyong hier neben Ihnen sitzen zu dürfen. Es war sehr plötzlich, doch es macht mich unglaublich glücklich.« Unbewusst hatte Jaehyun, während er gesprochen hatte, zu Taeyongs Hand gegriffen und als er begriff, dass seine Finger mit Taeyongs verschränkt waren, hob er ihre Hände an und küsste sanft Taeyongs Handrücken.
Ein blasses Rosa schimmerte auf Taeyongs Wangen, welches man sogar durch die dünne Make-up-Schicht sah.
Awww, kam es von den Menschen, die in den Sitzreihen des Publikums saßen und einige Blitze verschiedener Kameras leuchteten auf.
»Ihr seid so unglaublich süß!«, rief Jungwoo aus und sich sich seine Haare hinters Ohr, die für diese Tat ein wenig zu kurz waren.
»Da haben sich ja zwei perfekt füreinander geschaffene Menschen gefunden«, setzte Doyoung noch hinzu. »Aber um ernst zu werden und mehr ins Gespräch zu kommen: Jaehyun, ich hatte einen riesen großen Schock, als du Taeyong am zweiten Tag der Spiele mit einem Messer bedroht hast. Ich glaube, ganz Panem hat den Atem angehalten, als du dies getan hast. Nun, meine Frage ist: Warum hast du ihn leben gelassen? Es war ein Charakterzug, den niemand je von dir hätte erträumen können. Es war wohl der spannendste Moment in allen einhundert Hungerspielen, die je stattgefunden haben.«
Jaehyun zögerte. Taeyong hielt die Luft an und sein Griff verfestigte sich leicht um Jaehyuns Hand. Er hatte Jaehyun dies während des Verlaufs der Hungerspiele nie gefragt, warum er ihn nicht getötet hatte. Das Publikum war leise, während sie allesamt gebannt auf Jaehyuns Antwort warteten.
»Weil ich ihn interessant fand, von Anfang an. Wie er die Dinge betrachtet. Dass er nicht zögert, seine Meinung alles und jedem ins Gesicht zu schlagen. Dass er sich nicht davor drückt, gegen den Strom zu schwimmen.«
Taeyongs Atem blieb ihm beinahe im Hals stecken, als Jaehyun diese Worte aussprach und er die Luft nicht länger in seine Lungen halten konnte.
»War das der erste Moment, an dem ihr miteinander gesprochen hattet?«, fragte Jungwoo interessiert.
Als Antwort schüttelte Jaehyun sogleich den Kopf. »Nein. Das erste Mal haben wir zufälligerweise vor der Willkommenszeremonie miteinander gesprochen.«
»Wusstet ihr voneinander, aus welchem jeweiligen Distrikt ihr stammt?«, fragte Doyoung.
Dieses Mal antwortete Taeyong: »Nein. Es war sehr... plötzlich«, gestand er. Jungwoo überreichte ihm ein Glas Wasser, welches auf einem Tisch neben ihm gestanden hatte und bis jetzt für Taeyong unbemerkt geblieben war.
Ein leises Lachen Jaehyuns war zu hören und zu sehen. »Ich wusste, aus welchem Distrikt du kommst.«
Taeyong blieb der Mund offen stehen. »Warum hast du nichts gesagt?«, fragte er verwirrt.
Jaehyun zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht daran gedacht.«
Taeyong rollte mit den Augen, beließ es aber dabei.
Der Rest des Interviews war Taeyongs Meinung nach langweilig und uninteressant, dennoch hatte er immer wieder das unangenehme Gefühl der Aufregung, wenn Doyoung und Jungwoo ihm eine Frage stellten. Es war Hirngespinst, dass er darüber nachdachte, was geschah, sollte er eine falsche oder unerwünschte Antwort liefern, welche das Kapitol vielleicht schlecht stimmen würde, doch mit einigen panischen Gedanken schafften sie es gut durch das lange Interview.
Jaehyun redete viel und offen mit den zwein, als wäre er genau dafür geboren worden und als wäre es ein normales Gespräch und nicht eines vor einem Publikum oder einer Kamera. Taeyong gab er Komplimente und wenn dieser dann nicht wusste, wie er damit umgehen sollte, disste er Jaehyun oder gab eine sarkastische Antwort zurück, was Jaehyun jedoch nur zum Lachen brachte und ihm einen Kuss auf die Wange gab, was das Publikum und Doyoung und Jungwoo mit einem langgezogenen Awww kommentierten.
Ten, Seulgi, Irene und Johnny beglückwünschten sie, nachdem sie sich verabschiedet hatten und von der Bühne herunter kamen. Sie nahmen sie in die Arme und lächelten stolz, als hätten sie eine Meisterleistung vollbracht.
»Wir sollten uns auf den Weg machen, sonst kommen wir noch zu spät«, sagte Seulgi nach einigen Minuten, in denen sie vor dem Eingang auf die Bühne miteinander gesprochen hatten.
Taeyong und Jaehyun sahen verwirrt nacheinander in die Gesichter der vier. »Wohin denn?«, fragte Taeyong.
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ᴛʜᴇ ʜᴜɴɢᴇʀ ɢᴀᴍᴇs | jaeyong
أدب الهواةEine ungewöhnliche Allianz, eine verlorene Welt, tödliche Spiele. Taeyong ist ein Waise in Distrikt 12 - und bei der jährlichen Ernte wird sein Name gezogen. Es sind die einhundertsten Hungerspiele. Taeyong kann sich nur auf sich selbst verlassen, u...