Am darauffolgenden Tag übte Taeyong den ganzen Vormittag mit den Messern. Jaehyun saß einige Meter hinter ihm im Gras an einen Baum gelehnt und sah sich um und blieb wachsam, falls jemand kam. Taeyong würde es bestimmt nicht bemerken, so vertieft war er in sein Tun. Würde er nicht wissen, dass Jaehyun da war, würde er nicht einmal ihn bemerken.
»Jaehyun? Warum schaust du mir den ganzen Tag zu, anstatt Essen zu suchen, oder dein eigenes Ding durchzuziehen?«
»Ich werde dich nicht alleine lassen, nachdem das mit Glimmer und Brahmi passiert ist. Zumindest während Thymian, Clove, Marvel und ich uns wieder aufgeteilt haben und für ein paar Tage alleine herumziehen, wie am Anfang der Spiele. Wäre ich nicht da gewesen, wärst du tot. Und ich möchte nicht, dass dir das noch einmal passiert.«
»Willst du mir damit sagen, dass du nicht möchtest dass ich sterbe?« Auf Taeyongs Gesicht war ein Schmunzeln zu erkennen, doch Jaehyuns Gesichtsausdruck blieb ernst.
»Ja«, antwortete er.
Taeyong schwieg.
Hätte jemand anderes diese Worte zu Taeyong gesagt, hätte er ihn wohl ausgelacht und gesagt, dass dies hohe Erwartungen waren, in Spielen, in denen nur eine Person lebend herauskam. Das hätte er Jaehyun an den ersten Tagen, in denen er ihn getroffen hatten, noch in der Woche vor den Spielen, wohl ebenfalls gesagt, doch nun sahen sie sich nur an und Taeyong überlegte sich einen Satz, mit welchem er vom kritischen Thema abkommen könnte.
»Wollen wir nicht zurück zum Baum gehen? Ich werde langsam hungrig.«
Jaehyun nickte und gemeinsam gingen sie langsam zur kleinen Lichtung zurück. Sie sprachen kein Wort miteinander.
Wind wehte und die Äste und Blätter raschelten.
Taeyong trat gegen den Baum, der ihm am nächsten stand. »Kann dieser verdammte Wind auch einmal eine Pause machen?«
Ein Lachen war von Jaehyun zu vernehmen.
»Das ist nicht witzig.«
»Doch, das ist es. Wie kommst du darauf, einen Baum zu treten? Der kann doch nichts dafür, dass Wind weht.«
Taeyong biss sich auf die Unterlippe. Jaehyun hatte recht, das war ihm bewusst, zugeben wollte er es aber nicht und vermied Augenkontakt.
Was kann ich dafür, wenn mir mal danach ist, einen Baum zu treten, wenn dieser gottverdammte Wind seit Tagen weht und mich langsam irre werden lässt.
»Ich hatte einfach Lust, den Baum zu treten und wenn ich mich aufrege, darf ich das wohl.« Und warum soll man sich zurückhalten, etwas zu tun, zu dem man nicht mehr lange fähig ist? Dieser Satz blieb aber in seinem Kopf und kam nicht aus seinem Mund.
»Ja, das darfst du.« Jaehyuns Lippen zierte ein kleines Lächeln, als er in seinem Kopf abspielen ließ, wie Taeyong gegen einen Baum getreten hatte.
Sie kletterten auf den Baum, auf dem sie schliefen und Jaehyun packte aus seinem Rucksack ein bisschen Brot heraus und teilte es mit Taeyong, der die Beeren, die er am vorigen Nachmittag noch gesammelt hatte, ebenfalls herausgeholt hatte.
Während den wenigen Minuten, in denen sie aßen, sprachen sie nicht und fokussierten sich auf das Essen.
Mit einem tiefen Seufzer lehnte sich Taeyong zurück in das Gewinde aus Kletterseilen. Er streckte sich und ließ sich danach müde wieder auf den Rücken fallen. Erschöpft schloss er seine Augen. Es war noch früh und nicht einmal der Nachmittag war angebrochen, doch der Vormittag war anstrengend gewesen.
Im Sommer waren die Nächte kurz, die Sonne ging später unter und früher auf, was, wenn man unter freiem Himmel schläft, zusätzlich in Spielen, in denen es um Leben und Tod ging, auf die Dauer anstrengend wurde. Dieser Stress raubte den meisten Tributen schlichtweg den lebenswichtigen Schlaf, ohne den man wegen Müdigkeit unachtsam wurde und zum leichteren Opfer anderer Tribute wurde.
Deswegen glaubte Taeyong im Hinterkopf daran, dass er eine bessere Bewertung hätte bekommen sollen, als man den Spielmachern hatte zeigen können, was seine »versteckten Talente«, oder seine »geheimen Fähigkeiten« waren und er ihnen gezeigt hatte, dass er schnell einschlafen konnte. (Selbst, wenn er dies nie zugeben würde.)
Ein warmer Körper legte sich neben ihn und schlang seine Arme um Taeyongs Körper.
»Ist es denn noch nicht zu früh, um zu schlafen?« Das leise, amüsierte Lachen nach dieser Feststellung kitzelte Taeyongs empfindlichen Nacken und mit einem kaum hörbaren »Hmh«, stimmte er zu, trotzdem war er fast davor einzuschlafen.
»Es ist nie zu früh, um zu schlafen...«, murmelte Taeyong noch als weitere Antwort.
Weiche Lippen legten sich zart auf seinen Hals. Hitze stieg in Taeyongs Körper auf und sein Atem stockte. Flatternd öffnete er seine Augen einen Spalt breit und sah Jaehyun durch seine dunklen Wimpern hinweg an.
»Was tust du?« Taeyongs Herz schlug schnell und kräftig gegen seinen Brustkörper und er könnte schwören, dass Jaehyun dies sogar spüren könnte.
Nach einem weiteren federleichten Kuss auf seine zarte Haut hob Jaehyun seinen Kopf und schob seinen Oberkörper über den Taeyongs. Taeyong sah nach oben in Jaehyuns leuchtende Augen.
»Gar nichts.«
»Es hat sich aber nicht nach »gar nichts« angefühlt.«
»Wie hat es sich dann angefühlt?«
»Gu–« Er räusperte sich, um seine beinahe entglittene Antwort noch zu vertuschen. »Deine Frage sollte lauten, nach was es sich angefühlt hat, nicht wie es sich angefühlt hat.«
»Also hat es sich gut angefühlt?«, wich Jaehyun seiner Frage aus und schien nur die fast-zu-ende gesprochene Antwort am Anfang gehört zu haben.
»Du willst nur Komplimente hören, oder?«
Jaehyun grinste. »Ja. Aber von dir sind sie besonders.«
Taeyong rollte mit den Augen. »Nur, weil ich selten Komplimente austeile, sind sie nicht gleich besonders.«
»Es liegt nicht daran, dass du so wenige Komplimente gibst. Sie sind besonders, weil sie von dir sind.« Sein Grinsen verblasste ein wenig und sein Ausdruck würde ernster.
»Schleimst du dich bei mir ein?«
»Vielleicht?« Das schelmische Lächeln kam wieder zurück in sein Gesicht.
»Halt doch deine Klappe«, sagte Taeyong. Mit ein bisschen Kraft drückte er sich nach oben und seine Lippen kollidierten mit Jaehyuns, als würde er ihm sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht wischen wollen.
Ohne zu zögern erwiderte Jaehyun den sanften Kuss. Ihre Lippen bewegten sich sanft gegeneinander und Taeyong schlang seine Arme um Jaehyuns Nacken, um ihn näher an sich ziehen zu können.
Ein Knacken eines Astes ertönte. Es war leise und Jaehyun schien es nicht gehört zu haben, doch Taeyong löste den Kuss ruckartig. Jaehyun öffnete den Mund, um zu fragen was los sei, doch Taeyong legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen, als Zeichen, leise zu sein.
Schritte wären nun von ganz nahe zu vernehmen. Dieses Mal hörte Jaehyun es ebenfalls und Taeyong nahm seinen Finger von seinen Lippen.
Jaehyun richtete sich auf und griff zu dem Messer, was er immer bei Hand mit sich trug.
»Was hast du vor?«, flüsterte Taeyong und schloss seine Finger um sein rechtes Handgelenk, als er anstalten machte, aufzustehen.
»Ich werde nachsehen, wer unter dem Baum ist.«
Wie freundlich er diesen Satz ausdrückt.
Widerwillig ließ Taeyong sein Handgelenk aber doch los, er wusste, dass Jaehyun sich davon nicht abbringen lassen würde.
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ᴛʜᴇ ʜᴜɴɢᴇʀ ɢᴀᴍᴇs | jaeyong
FanfictionEine ungewöhnliche Allianz, eine verlorene Welt, tödliche Spiele. Taeyong ist ein Waise in Distrikt 12 - und bei der jährlichen Ernte wird sein Name gezogen. Es sind die einhundertsten Hungerspiele. Taeyong kann sich nur auf sich selbst verlassen, u...