Jaehyun kletterte vom Baum hinunter und sprang den letzten Meter hinunter, bevor er hinter dem Baum hervor trat.
»Marvel?«
Seine Stimme klang überrascht und nach einigen Sekunden konnte Taeyong Marvel aus Distrikt 2 von oben durch das Netz der Seile sehen. Er trug einen Speer in der Hand, doch als er Jaehyun erkannte, lehnte er diesen an den Baum und streckte sich abwesend.
»Ja? Wer hätte es außer mir denn sein sollen?«
Durch das Laub konnte Taeyong auch Jaehyun erkennen. Er hatte das Messer immer noch in seiner rechten Hand und machte keine Anstalten, es lockerer zu halten.
»Hättest du unserer Abmachung nach nicht in den Osten gehen sollen?«
Wahrscheinlich hat er die Himmelsrichtungen verwechselt.
»Ja...«, sagte Marvel und zog das »Ja« in die Länge.
Jaehyun hob fragend eine Augenbraue, da er dies nicht als korrekte Antwort hinnahm.
Marvel zuckte mit den Schultern. Er hatte sich noch nie sicher mit Jaehyun gefühlt, da er ihn nicht einschätzen konnte.
»Mir war einfach danach, in den Norden zu gehen. Du hast Clove und Thymian gesagt, dass du in den Norden gehen willst und mich haben sie einfach in den Osten geschickt, ohne nach meinem eigenen Wunsch zu fragen. Also bin ich einfach auch in den Norden gelaufen. Ich dachte nicht daran, dir über den Weg zu laufen.«
Ein genervtes Seufzen entkam Jaehyuns Kehle. »Du benimmst dich wie ein Kind. Und ich mag Kinder nicht.«
Nach diesen Sätzen holte er mit einer schnellen Armbewegung Schwung und warf das Messer. Marvel war so überrascht, dass er keine Zeit mehr hatte, zu seinem Speer zu greifen und schon gar nicht, diesen zu werfen, was Taeyong äußerst glücklich machte. Er hatte gesehen, wie Marvel Speere warf. Er traf immer. Genau wie Jaehyun mit Messern.
Das Messer traf Marvels linke Brusthälfte und taumelte nach hinten, während er über seine eigenen Füße stolperte. Ungläubig sah er an sich hinab, das Messer steckte tief in seiner Brust.
Seine Beine gaben nach und er fiel auf das trockene Gras, was unter seinem Gewicht zu Boden gedrückt wurde.
»Du...« Marvels Augen fingen an, wirr hin und her zu sehen und für einen kurzen Augenblick dachte Taeyong, er hätte ihn gesehen. »...Verräter.«
Jaehyun lachte und ein kalter Schauer lief Taeyong über den Rücken. »Inwiefern bin ich ein Verräter? Wir versuchen doch nur alle zu überleben.«
Marvel konnte nichts mehr darauf antworten, nur ein leises, unverständliches Krächzen verließ seinen Mund, dann wurde sein Blick starr und sein Atem war verklungen. Ein Kanonenschuss erklang und die Vögel im Wald verstummten.
Jaehyun hob seinen Kopf und sein Blick fiel auf Taeyong und ein schwaches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Taeyong stieß die Luft aus seinen Lungen, die er unabsichtlich angehalten hatte und normal atmete er weiter.
Jaehyun kletterte wieder zu Taeyong auf den Baum und sobald er oben war, hörte man schon das Hovercraft, was Marvels toten Körper aus der Arena beförderte. Noch immer war es still. Dann fingen die Vögel wieder an zu singen und Taeyong wandte sich Jaehyun zu.
»Ich wusste nicht, dass es so einfach für dich wäre, Marvel umzubringen. Ich dachte, es würde ein Gemetzel sein, wenn es zu einem Kampf zwischen euch kommen würde.«
»Das würde es bei jedem Zweikampf geben. Deshalb habe ich ihm nicht einmal die Möglichkeit gegeben, sich zu wehren und er hat offensichtlich nicht damit gerechnet, dass ich ihn angreifen würde, oder ihn direkt töten würde, wenn ich die Chance dazu hätte. Aber wenn er seinen Speer aus seinen Händen gibt, nehme ich das eben als Einladung, ihn sofort zu töten.«
Taeyong nickte. Es war gut, dass Jaehyun ohne zu überlegen gehandelt hatte, dies hatte ihm einige Verletzungen erspart und die mögliche Niederlage.
»Wir sollten etwas essen. Am Nachmittag kannst du wieder mit den Messern üben.«
Taeyong nahm sich seine fast leere Wasserflasche zur Hand und trank die letzten Schlucke daraus. »Werden dich die anderen Karrieros nicht verdächtigen, wenn sie sehen, dass Marvel tot ist?«
»Was sind Karrieros?«
»Tribute, die vor den Spielen trainieren und sich dann freiwillig melden.«
Kopfschüttelnd brach sich Jaehyun ein bisschen Brot ab, nachdem er Taeyongs kurze Erklärung gehört hatte und antwortete: »Nicht, wenn sie nie erfahren, dass Marvel nicht in den Osten gegangen ist.«
»Da hast du recht.«
Am Nachmittag gingen sie wieder zu dem Baum, in den Taeyong seine Messer warf und wie immer saß Jaehyun hinter ihm und sagte ihm, was er falsch machte, oder besser machen könnte. Taeyongs Meinung nach, war er ein grässlicher Lehrer, aber irgendwie bekam er es doch auf die Reihe, die Messer schön in den Baumstamm zu werfen und nicht an ihm vorbei, oder sie abprallen zu lassen.
Bald hatte Taeyong genug vom Messerwerfen und sie gingen zu den Wasserfällen. Die Sonne glitzerte auf dem Wasserspiegel und seufzend setzten sie sich auf die der Sonne aufgewärmten Steine. Taeyong schlang seine Arme um seine Knie und atmete geräuschvoll aus.
»Diese Spiele sind anstrengend. Ich weiß nicht, wie es den Menschen aus dem Kapitol eine Freude bereiten kann, zuzusehen, wie junge Menschen sterben und zusätzlich noch darum wetten.«
Jaehyun sagte nichts dazu. Er schwieg und hörte Taeyongs Worten zu, ohne seine Meinung dazu zu sagen.
»Wie alt bist du eigentlich, Jaehyun?« Taeyong erinnerte sich nicht daran, es je erfahren zu haben.
»Siebzehn.«
»Warum hast du dich nicht nächstes Jahr freiwillig gemeldet?«
»Weil ich vielleicht nicht gewählt worden wäre. Ich habe mich schon letztes Jahr freiwillig gemeldet, aber ich wurde im Endeffekt nicht auserwählt. Dieses Jahr hatte ich Glück.«
Taeyong entkam ein humorloses und sarkastisches Lachen. »Tch. Glück.«
Jaehyun erwiderte erneut nichts darauf.
Eine Weile blieben sie so nebeneinander sitzen, dann regte sich Jaehyun. »Gehen wir zurück? Wenn es dunkel wird, bleibe ich lieber nicht am Boden, wenn ich die Chance habe, auf einem Baum zu schlafen.«
Taeyong stimmte mit einem Nicken zu, dann standen sie auf und machten sich auf den Weg zurück zu dem Baum, auf dem sie schliefen.
Sie sprachen nicht viel miteinander, während sie beobachteten, wie sich der Himmel über ihnen verfärbte und dunkler wurde, als die Abenddämmerung anbrach. Jaehyun legte sich auf den Rücken, den Blick in den fernen Himmel gerichtet. Taeyong legte sich neben ihn und versteckte sein Gesicht in Jaehyuns Halsbeuge.
Durch seine Augenlider konnte er das Licht erkennen, wie es nach und nach dunkler wurde. Er wurde müder und bevor er einschlafen konnte, spürte er noch einen sanften Kuss auf seinen Kopf, dann driftete er in den Schlaf.
Als Taeyong am nächsten Morgen erwachte, war Jaehyun wie beim ersten Mal, nachdem sie sich getroffen hatten, von einem auf den nächsten Tag verschwunden.
– – – – –
*räuspert sich* sorry wegen des späten updates hehe und Jaehyun ist jetzt wieder weg 🥴
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ᴛʜᴇ ʜᴜɴɢᴇʀ ɢᴀᴍᴇs | jaeyong
FanfictionEine ungewöhnliche Allianz, eine verlorene Welt, tödliche Spiele. Taeyong ist ein Waise in Distrikt 12 - und bei der jährlichen Ernte wird sein Name gezogen. Es sind die einhundertsten Hungerspiele. Taeyong kann sich nur auf sich selbst verlassen, u...