FÜNF

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Jisung PoV:

Mit schmerzverzerrtem Gesicht reibe ich mir eingeschnappt über die Wangen, wobei Minho mich mit einem kalten Blick schweigend beobachtet. Ich habe seine Botschaft klar und deutlich verstanden. Kein Küssen, dass ist verboten. Ich verstehe nur nicht, warum er den Kuss erwidert hat, wenn er es anscheinend nicht leiden kann. „Mach Eis drauf, sonst wird's blau." „Ja super und wo soll ich jetzt bitte Eis herbekommen? Ich wohne nicht gerade um die Ecke und du willst sicher nicht, dass meine Mutter Fragen stellt. Denn ich habe absolut keine Ahnung, wie ich ihr das erklären soll."

„Du weißt wirklich, wie du mir auf die Nerven gehen kannst." Augenverdrehend greift er schnell nach meiner Hand und zieht mich ruckartig mit sich, weshalb ich etwas unbeholfen hinter ihm her stolpere. Was hat er denn jetzt vor? Will er mich entführen? Nein, dass wäre irgendwie nicht seine Art. „Es ist nicht meine Absicht dich zu nerven, aber wenn ich so mein Ziel erreiche, ist das wohl so." „Für einen Musterschüler bist du ganz schön frech. Ich habe dich falsch eingeschätzt."

„Ich bin kein Musterschüler. Ich mache meine Aufgaben, damit meine Mutter nicht enttäuscht von mir ist. Und die anderen Leute in meiner Klasse interessieren mich nicht. Sie ignorieren mich sowieso die meiste Zeit. Außerdem zeigen sie sich gegenseitig nur das, was sie auch von sich zeigen wollen. Ihre wahren Bedürfnisse und Geheimnisse bleiben versteckt. Du warst bisher nicht anders." Vermutlich bin ich der einzige, der sein wahres Ich zu Gesicht bekommen hat. Das macht mich dann wohl zu etwas besonderem. „Na und? Du doch auch nicht."

„Weil ich bisher selber nichts von dieser Seite an mir wusste. Und wieso sollte ich etwas mit Leuten teilen, die ich nicht in meinem Leben haben möchte?" Neugierig lasse ich meinen Blick durch das Treppenhaus wandern, in welches er mich kurz zuvor hinein gezerrt hat und folge ihm schnell die Stufen hinauf. Wohnt er hier? „Ich hätte nicht gedacht, dass du so tiefgründig denkst." Kurzerhand schließt er eine der Wohnungen auf und schiebt mich durch den schmalen Eingangsbereich, bis hin in sein Wohnzimmer. „Warte kurz hier und fass bloß nichts an."

„Was soll das jetzt heißen? Denkst du ich bin blöd?" Rufe ich ihm etwas frustriert nach, während er in einem der Nebenräume verschwindet und sehe mich dann mit verschränkten Armen vor der Brust im Zimmer um. Es sieht hier irgendwie anders aus, als ich es erwartet habe. Es ist alles so normal. „Wohnst du hier oder sind wir gerade bei Fremden eingebrochen?" Skeptisch beobachte ich Minho dabei, wie er mit zwei kleinen Kühlbeuteln zu mir zurück kommt und verziehe dabei verwirrt das Gesicht.

„Halt still." Mit bedacht mir nicht noch mehr wehzutun, hält er mir behutsam die Beutel an die Wangen, weshalb ich nicht anders kann, als ihm direkt in die Augen zu sehen. So richtig verstehe ich ihn noch nicht. „Erst tust du mir weh und jetzt sorgst du dich um mich. Muss ich das verstehen?" „Ich tue Menschen nicht gerne weh." Ich hoffe ihm ist bewusst, was er mir da gerade versucht für einen Unsinn klar zu machen. „Aber du tötest sie." „Ich töte nicht ohne Grund. Sie haben es verdient. Wie du gesagt hast, nicht alle Menschen sind so, wie sie sich nach außen hin geben."

„Und der Mann vom letzten Mal?" Ich kann meine Augen einfach nicht von ihm lassen. Er hat wirklich wunderschöne Gesichtszüge. Kein Wunder, dass die Mädchen in der Schule alle auf ihn stehen. „Er hat seine Kinder misshandelt und ihnen fürchterliches Leid zugeführt. Seine jüngste Tochter hat er im Garten begraben. Die Polizei hat bei ihrem Job versagt, also habe ich mich darum gekümmert." Wenn es stimmt, was er da gerade gesagt hat, kann ich irgendwie verstehen warum er diese Dinge tut. Solche Menschen haben es wirklich verdient oder? „Darf ich fragen, woher du das alles weißt?"

„Ich arbeite mit einem Informanten zusammen. Mehr musst du nicht wissen." Kaum hat er seinen Satz beendet, gibt mein Bauch ein nicht zu überhörendes Knurren von sich, weshalb ich ihn augenblicklich nervös anlächle. Ich habe heute morgen zum Frühstück das letzte mal etwas gegessen und normalerweise gibt es um diese Zeit schon längst Abendessen. Aber musste mein Bauch Minho das so lautstark mitteilen? Wir waren gerade in einem wichtigen Gespräch. „Halt das Eis selber fest und setz dich aufs Sofa. Ich bin gleich wieder da." Ohne weiter etwas zu sagen verschwindet er schließlich wieder im Nebenzimmer, weshalb ich mich etwas verwirrt auf das Sofa niederlasse. Der Junge wird ja immer interessanter.

„Du bist kein Vegetarier oder?" „Was hast du jetzt schon wieder vor." Schnell erhebe ich mich wieder von meinem Platz und laufe schnell zu Minho hinüber. „Du musst nichts für mich kochen." „Doch, sonst geht mir dein Bauch nur weiter auf die Nerven und ich habe selber noch nichts zu Abend gegessen." Schmunzelnd beobachte ich den Älteren dabei, wie er ein paar Dinge aus seinem Kühlschrank heraussucht und lehne mich derweil am Türrahmen an. „Pass auf, sonst verknall ich mich noch in dich." „Hast du das nicht schon längst?" Ich habe mich doch nicht in ihn verknallt oder doch? So schnell? „Ach sei doch ruhig."

„Du wirst rot." „Woher willst du das wissen? Du hast mich ja noch nicht einmal angesehen." Murrend drücke ich die Eisbeutel weiter auf meine Wangen und schiebe eingeschnappt meine Unterlippe vor. „Ich kann es an deiner Stimme hören. Du bist so leicht zu beeinflussen." Was glaubt er wer ich bin? Normalerweise bin ich nicht so leicht zu haben. Er ist da eine ganz große Ausnahme. „Du bist der Einzige, der das schafft."

Darkness // MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt