NEUN

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Jisung PoV:

Sichtlich unentschlossen gehe ich vor Minho's Haustür auf und ab, wobei ich nervös an meiner Unterlippe herumknabbere. Es war eine bescheuerte Idee von mir hierher zu kommen, zumal mich die vorbeilaufenden Leute ziemlich komisch ansehen. Als hätten sie noch nie einen Jungen mit Helm und Gelenkschonern auf der Straße gesehen. Ich möchte schließlich nur auf Nummer sicher gehen, dass Minho mir nicht all zu sehr wehtut. Weil eigentlich sollte ich mich ja von ihm fern halten, aber ich muss unbedingt mit ihm reden. Ich brauche Antworten.

„Du klingelst da jetzt und redest mit ihm. So wie jeder normale Mensch." Mit zusammengebissenen Zähnen bleibe ich schließlich direkt vor seiner Klingel stehen und drücke nach längerem Zögern den Kopf kurz fest durch. Ich hab's getan. Ich habe bei Lee Minho geklingelt und ich habe das Gefühl ich sterbe gleich. „Hallo? Wer ist da?" „Jeks!" Als jedoch auf einmal seine Stimme durch die Freisprechanlage ertönt, springe ich erschrocken zurück und halte für einen Moment die Luft an. Ganz ruhig. „Hallo? Ich habe keine Zeit für irgendwelche Klingelstreiche."

„I-Ich bin's.." Wieso stottere ich jetzt? Das mache ich doch sonst auch nicht. „Schön Mister I-Ich bin's, was willst du?" Er ist heute irgendwie nicht gerade freundlich drauf. Habe ich einen schlechten Zeitpunkt bei ihm erwischt? „K-Können wir bitte reden..? Es ist wichtig, also mir ist es wichtig." Es hat mich ganze drei Tage gekostet mich zu überwinden hierher zu kommen. Dieses Mal werde ich mich nicht so schnell von ihm verjagen lassen. Ich bin vorbereitet. „Ausnahmsweise. Komm rein." Zu meiner Überraschung erklingt nun das Summen des Türöffners, weshalb ich die Tür langsam aufdrücke. Werde ich dieses Haus wieder lebendig verlassen können?

„Wie siehst du denn aus?" Kaum öffnet Minho seine Wohnungstür vor mir, sieht er mich auch schon mit einem ziemlich eigenartigen Blick an. Ich kann sehen, dass er sich gerade ein Lachen verkneifen muss, dieser Idiot. „Lach ruhig. Du bist nicht derjenige, der aufpassen muss nicht zerquetscht zu werden." Jetzt grinst er bis über beide Ohren und ich kann mich nur wiederholen, so ein Idiot. Meine Wangen tun immer noch weh, wenn ich sie anfasse oder zu viel Essen in sie hineinstopfe. „Meine Mahnung hat wohl Spuren hinterlassen. Du bist süß."

„Was ist daran bitte süß?" Leise murrend ziehe ich mir zögerlich den Helm vom Kopf und versuche mir meine Verunsicherung ihm gegenüber nicht zu sehr anmerken zu lassen. „Ach nichts." Schmunzelnd dreht er mir schließlich den Rücken zu und geht weiter in seine Wohnung hinein, wobei ich ihm kurz folge, jedoch mit einem Mal im Flur zum Stehen komme. „Was machen diese Planen hier?" Wieso sind sie mir nicht schon viel früher aufgefallen? Er hat den ganzen Boden damit bedeckt. „Was glaubst du wohl wofür die da sind? Ich habe eigentlich gleich einen Auftrag."

„Einen Auftrag..?" Meint er das, woran ich gerade denke? Will er jemanden umbringen? Ist er deswegen eben so genervt gewesen? „Du stehst heute wirklich auf dem Schlauch." „Ey." Ich stehe nicht auf dem Schlauch, ich gehe nur nicht, wie andere von vornherein vom Schlimmsten aus. Es hätte ja auch sein können, dass er seine Wände neu streichen will. Dafür deckt man den Boden auch mit Planen ab. „Ich bin kein Engel, darum solltest du auch eigentlich nicht hier sein." Dessen bin ich mir bewusst, aber ich halte ihn dennoch nicht für einen schlechten Menschen. Ich kann ja irgendwie verstehen, warum er das macht. „Wer ist es dieses Mal?"

„Was wenn ich dir sage, dass es der neue Freund deiner Mutter ist? Was machst du dann?" Ohne mich dabei anzusehen, lässt er sich gelassen auf seinem Sofa nieder, wobei ich jedoch wie angewurzelt stehen bleibe. Was redet er da für einen Unsinn? „Sie hat keinen Freund." Wenn er mir Angst machen will, ist er ganz offensichtlich gescheitert. Meine Mutter hatte seit dem Tod meines Vaters keinen neuen Freund. Das hätte ich doch bemerkt. „Du wusstest es wohl noch nicht, ups." Schmunzelnd rutscht er auf dem Sofa etwas zur Seite und deutet kurz neben sich, doch ich ignoriere seine Aufforderung einfach. „Was macht dich da so sicher? Sie würde mir sowas definitiv erzählen."

„Ich sagte doch, man soll seine Feinde am nächsten halten. Ich habe Nachforschungen angestellt, was glaubst du denn? Jetzt setzt dich endlich." Mit einem auffordernden Blick klopft er nun kurz auf das Sofa, weshalb ich mich schließlich widerwillig neben ihm niederlasse. Ich wollte eigentlich Abstand zu ihm bewahren. So kann er mich viel zu schnell um den Finger wickeln, wenn er wollte. „Ich glaube dir trotzdem nicht und wieso solltest du ihm etwas antun wollen? Meine Mutter würde sich auf keine schlechten Menschen einlassen." Er hat Nachforschungen angestellt? Dann waren das aber keine Guten. „Beruhig dich, er ist kein schlechter Mensch. Ich wollte dich nur testen. Ich wusste ja nicht, dass sie dir noch nichts von ihm erzählt hat."

„Du bist gemein." Mit verschränkten Armen und leicht vorgeschobener Unterlippe wende ich eingeschnappt meinen Blick von ihm ab. Ich glaube ihm das immer noch nicht. Meine Mutter würde es mir definitiv erzählen. Und wann soll sie ihn bitte getroffen haben? Sie geht eigentlich nie aus. „Wenn du mich für so gemein hältst, warum bist du dann hier?" Zu meiner Überraschung hört sich Minho's Stimme auf einmal viel ernster an als zuvor. Macht er sich etwa Gedanken darum, was ich von ihm halte? Nein, das passt nicht zu ihm. „Weil ich wissen will, wieso du mir trotz allem hilfst. Du kannst mich ganz offensichtlich nicht leiden."

Darkness // MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt