ZWEIUNDZWANZIG

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Minho PoV:

„Es haben wohl alle mitbekommen." Nicht gerade begeistert fülle ich mein Glas erneut mit einem mir nicht bekannten Getränk und lasse die kalte Flüssigkeit meinen Rachen hinunterlaufen. Es ist mir egal, was es ist. Hauptsache es macht mich nach all dem was passiert ist betrunken genug, um meine Gefühle zu betäuben. Ich will Jisung wenigstens für fünf Minuten vergessen können. Sein verletzter Blick von vorhin lässt mich einfach nicht mehr in Ruhe. Es fühlt sich so an, als hätte ich ihn kaputt gemacht. Als wäre er direkt vor meinen Augen in viele kleine Scherben zerbrochen.

„Ihr wart halt auch nicht gerade unauffällig. Erst sorgt ihr hier für Streit, zieht die gesamte Aufmerksamkeit auf euch und verschwindet dann alleine ins Gästezimmer. Dass Jisung's Hals übersät mit Knutschflecken ist, macht es nicht einfacher euch zu verteidigen." Ich kann gerade nicht deuten, ob Changbin sich darüber lustig macht oder ob er den Ernst der Lage wirklich verstanden hat. Es war nicht meine Absicht mit Jisung zu schlafen und schon gar nicht, dass es danach die ganze Schule erfährt.

„Falls es dich beruhigt, er ist gerade zuhause angekommen." Mit seinem Handy in der Hand lässt Felix sich seufzend zu uns an den Tisch nieder, weshalb ich nur ein leises Murren von mir gebe. Es ist schon nützlich einen Hacker als Freund zu haben, auch wenn er kein großer Fan von Jisung zu sein scheint. Dabei habe ich ihm schon gesagt, dass Jisung nichts falsch gemacht hat. Das hat ihn aber auch nicht davon abgehalten Jisung von hier zu verjagen.

„Wie ging es ihm, als er gegangen ist?" Da der Alkohol allmählich seine Wirkung zeigt lege ich stöhnend meinen Kopf auf der Theke ab, während mich die anderen weiter von der Partymenge abschirmen. Ich bin wirklich froh zwei so gute Freunde zu haben, nur kann ich mir vorstellen, dass Jisung gerade viel mehr jemanden wie sie braucht. Es geht ihm bestimmt noch viel schlimmer als mir. „Ich weiß ja nicht. Hat sich einer von euch irgendwie verletzt?"

„Nein, wieso?" Etwas verwirrt hebe ich meinen Kopf mühsam an, wobei sich auf einmal alles um mich herum zu drehen scheint. Mir tut, bis auf meinen Kopf, nichts weh und Jisung war auch vollkommen unversehrt, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Er hätte eine Verletzung auch nur schwer vor mir verstecken können. „Da war Blut auf der Matratze und der Bettdecke. Es war nicht viel, aber es war überall verschmiert." „Es war was?!" Ziemlich überstürzt springe ich schnell von meinem Platz auf, weshalb Felix und Changbin augenblicklich nach mir greifen und mich zurück auf den Hocker drücken. „Du gehst jetzt nirgendwo hin. Du bist viel zu betrunken."

„Ich will ihn doch nur beschützen..." Leise jammernd lasse ich meinem Kopf zurück auf den Tisch fallen, woraufhin sich allmählich Tränen in meinen Augen sammeln. Ich hoffe so sehr, dass es nichts schlimmes ist. Doch leider habe ich das ganz blöde Gefühl, dass Jisung schon wieder etwas dummes getan hat. Diese Kratzer, die ich das letzte mal an seinem Oberkörper gesehen habe, verstärken meinen Verdacht nur. Ich kann aber nicht verstehen, warum er das tut. Klar, ich habe seine Gefühle verletzt, aber muss man deswegen so weit gehen? Was ist nur los mit dem glücklichen Jungen, in den ich mich damals verliebt habe?

Jisung PoV:

In der Hoffnung, dass meine Mutter bereits schläft schließe ich zögerlich unsere Haustür auf und schleiche mich, ohne das Licht anzumachen, in den Flur hinein. Ich will gar nicht wissen, wie ich gerade aussehe und meiner Mutter will ich das erst recht nicht erklären müssen. Sie hat sich so drüber gefreut, dass ich mich endlich wie ein normaler Teenager verhalte und man sieht ja wo das geendet ist. Ich habe mit Minho geschlafen, mein wahrscheinlich größter Fehler. Ich fühle mich so dreckig.

„Oh da bist du ja. Wie war die Party?" Mit einem Lächeln kommt sie auf einmal aus der Küche hervorgetreten, doch es dauert nicht lange bis dieses Lächeln auf ihren Lippen wieder verschwindet. Es tut weh, es tut so fürchterlich weh. „Ich bin in den Pool gefallen... Ich gehe jetzt duschen." Kurzerhand wende ich meinen Blick von ihr ab und gehe schnell an ihr vorbei die Treppe hinauf. Es tut mir leid, aber ich will gerade niemanden in meiner Nähe haben. Ich würde sie sowieso nur wieder enttäuschen.

Im Badezimmer angekommen schließe ich mit zittrigen Händen die Tür hinter mir ab, bevor ich mich schweigend im Spiegel betrachte und mein Hemd nach und nach aufknöpfe. Die Flecken von Minho gehen von meinem Hals hinunter bis zu meinem Bauch und daneben sind die neu aufgerissenen Wunden von mir. Minho muss sie schon beim letzten Mal gesehen haben, aber es scheint ihn wohl nicht sonderlich zu interessieren. Wieso auch? Für ihn bin ich doch nur ein Schandfleck, der zu viel weiß und mit dem er machen kann, was auch immer er will.

Und ich Idiot habe nach all dem wirklich daran geglaubt, dass er diese Leere in mir endlich füllen kann. Ich kann nur immer noch nicht verstehen, warum er mich in der Nacht, als ich betrunken gewesen bin geküsst hat. Wollte er mich so wirklich nur zum schweigen bringen? Hatte er von Anfang an geplant mich so zu benutzen? Langsam wünsche ich mir, er hätte mich schon längst getötet. Wobei er das scheinbar bereits geschafft hat. Vielleicht sollte ich es einfach für ihn beenden. Dann muss er sich keine Sorgen mehr darum machen, dass ich rede und ich falle auch sonst niemandem mehr zur Last.

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:c

Darkness // MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt