ZEHN

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Jisung PoV:

„Ich habe nie gesagt, dass ich dich nicht leiden kann. Du sollst dich lediglich von mir fernhalten." Ziemlich gelassen lehnt Minho sich auf dem Sofa nach hinten, wobei ich ihn jedoch verwirrt von der Seite ansehe. Macht das überhaupt Sinn? Er bezeichnet mich doch die ganze Zeit als nervig und will nichts mit mir zu tun haben. „Ich verstehe dich echt nicht." „Das musst du auch nicht. Mach einfach das, was ich dir sage." Für wen hält er mich bitte? Ich habe keine Lust nach seiner Pfeife tanzen zu müssen. „Ich kann gut meine eigenen Entscheidungen treffen." Und so wie es aussieht, kann ich sogar ein paar seiner Regeln brechen, ohne dass er mir etwas antut. Vielleicht sollte ich die ein oder andere Grenze bei ihm austesten.

„Es ist aber mein Leben, in welches du dich gerade einmischst. Und ich will dich nicht mit in meinen Mist hineinziehen. Du bist viel zu gut dafür." Ich soll zu gut sein? Wofür denn? Wäre ich ein ach so toller Mensch, wie er es glaubt, würde ich jetzt nicht neben ihm auf diesem Sofa sitzen. Klar könnte ich so etwas wie das, was er tut, niemals vollbringen, aber das habe ich ja auch nicht vor. Ich möchte nur etwas seine Gesellschaft genießen. „Du bringst die Menschen aus einem guten Grund um."

„Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich das Leben anderer Menschen beende und du für Mitwisserschaft ins Gefängnis kommen könntest. Es könnte dein ganzes Leben ruinieren und das will ich nicht." Er tut so, als wäre mir das nicht bewusst. Aber gerade diese Tatsache macht es ja so aufregend. Ich verstehe nur nicht, warum er mich so unbedingt davon abhalten will. Er ist doch selbst genauso. „Wenn du es anscheinend selbst nicht magst, wieso tust du es dann?"

„Ich habe meine Gründe dafür." Mit einem Mal wendet er seinen Blick von mir ab, weshalb ich ihn kurz schweigend ansehe. Habe ich jetzt etwa einen wunden Punkt bei ihm getroffen? „Und die wären?" Um ehrlich zu sein habe ich noch gar nicht darüber nachgedacht, warum er das Ganze überhaupt macht. Es gibt mit Sicherheit einen Grund, wieso er damit angefangen hat. Spaß scheint es ihm jedenfalls nicht zu machen. „Das geht dich nichts an." Leise murrend verschränkt er nun seine Arme vor der Brust und presst seine Lippen fest aufeinander. Ist er jetzt sauer auf mich?

„Wir könnten uns ja auch heimlich-" „Jisung, ich ändere meine Meinung nicht", unterbricht er mich, bevor ich meinen Satz richtig beenden kann. „Aber-" „Nichts aber. Was willst du überhaupt von mir? Du kennst mich kaum und ich kann dir rein gar nichts bieten." Er hat ja keine Ahnung, was er mir wirklich zu bieten hat. „Mir ist langweilig..." Eigentlich ist das eine Lüge, die ich mir lange genug selber erzählt habe. Die letzten Tage habe ich gemerkt, dass es nicht die Langeweile ist, die mich zerfrisst. Es ist die Einsamkeit. Bis auf meine Mutter habe ich niemanden in meinem Leben. Es ist fast so, als wäre die ganze Welt gegen mich. Keiner möchte etwas mit mir zu tun haben.

„Dann such dir ein Hobby oder trete irgendeinem Schulclub bei. Aber lass mich da raus", erwidert er in einem bestimmenden Ton, weshalb ich meinen Blick schnell von ihm abwende und dabei auf meine Hände hinunter sehe. Als hätte ich das noch nicht versucht. In ihren ach so tollen Clubs wollen sie niemanden wie mich. Ich weiß noch nicht einmal, was ich ihnen angetan habe, dass sie mich so sehr verachten. Ich bin nicht der Streber für den mich alle halten. Das ist so unfair.

„Ey ey ey. Warum weinst du denn jetzt?" Selber etwas überrascht wische ich mir schnell mit dem Ärmel meines Pullovers über die Augen und wende Minho den Rücken zu. Das ist so peinlich. Wieso fange ich jetzt ausgerechnet vor ihm an zu weinen? Er hält mich doch sowieso schon für einen Schwächling. „Jisung, was ist los? Habe ich etwas Falsches gesagt?" „Kann ich bitte noch etwas bleiben..? Danach lasse ich dich wirklich in Ruhe." Auch wenn es mir schwerfällt, sollte ich es einfach einsehen. Er möchte mich nicht in seiner Nähe haben. Genauso wie alle anderen.

„Ich muss aber gleich los." Leise seufzend legt er zögerlich seine Hand auf meine Schulter, weshalb ich für einen Moment innehalte. „Ich kann warten." Wieso zeigt er mir gegenüber immer noch diese Zuneigung, aber will mich dennoch loswerden? In dem einen Moment schreit er mich an und dann ist er total verunsichert, weil er mir eigentlich nicht wehtun möchte. So kommt es mir zumindest vor. „Das willst du nicht sehen." Was will ich nicht sehen? Als ich das erste Mal auf ihn getroffen bin, habe ich bereits alles gesehen. „Bitte, tu' mir diesen einen Gefallen."

„Ich verstehe dich nicht." Ich verstehe mich doch selber nicht. Ich laufe ihm hinterher, als gäbe es nichts Anderes in meinem Leben. Vermutlich, weil es nichts Anderes gibt. Doch ihn verstehe ich noch viel weniger. „Das beruht dann wohl auf Gegenseitigkeit." Nur mit dem Unterschied, dass ich wahrscheinlich niemals erfahren werde, was in ihm vor sich geht. „Na gut, du darfst bleiben. Aber nur heute und dann nie wieder. Hast du mich verstanden?" Mit Bedacht mir nicht wehzutun dreht er mich an der Schulter zu sich herum, wobei ich ihm direkt in die Augen sehe. „Ja." Das wird wohl meine letzte Möglichkeit sein seine Meinung mir gegenüber zu ändern.

Darkness // MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt