ZWÖLF

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Minho PoV:

Kaum öffne ich die Tür zu meiner Wohnung, steigt mir mit einem Mal ein ziemlich verbrannter Geruch in die Nase. Was ist hier passiert? „Jisung?" Skeptisch lege ich meinen Schlüssel an die Seite und versuche vom Flur aus einen Blick in das Wohnzimmer zu werfen. Wo ist er? „Jisung bist du noch da?" Keine Antwort. Ich frage mich, was er dieses Mal angestellt hat. Er sollte doch nichts anfassen. Was ist so schwer daran zu verstehen? „Hallo? Ich rede mit dir." Ist er etwa abgehauen, weil er ein schlechtes Gewissen hatte?

„Du machst mich noch wahnsinnig." Etwas genervt streife ich mir die Schuhe von den Füßen und lasse meine Jacke zu ihnen auf den Boden fallen. Eigentlich sollte ich meine Sachen wechseln, bevor ich die Wohnung richtig betrete, aber ich mache mir gerade schon irgendwie Sorgen um ihn. Ich weiß ja, dass er tollpatschig ist und es wäre untypisch für ihn einfach zu verschwinden.

„Ach du Scheiße, wie sieht es hier denn aus?" Völlig aus der Fassung komme ich wenig später im Türrahmen der Küche zum Stehen und lasse meinen Blick durch den vollkommen verwüsteten Raum wandern. Was ist hier passiert? „Jisung? Alles in Ordnung bei dir?" Sichtlich verwirrt gehe ich schnell zu dem Jüngeren hinüber, welcher seinen Kopf auf der Tischplatte abgelegt hat. Schläft der etwa? Hier am Tisch? Ist das nicht ein bisschen unbequem? „Hey, wach auf."

„Miinhoo Essen is fertig." Mit einem schiefen Grinsen im Gesicht richtet er sich plötzlich kerzengerade neben mir auf, weshalb ich etwas erschrocken zurückweiche. Was hat er..? Die Pralinen. Er hat die verdammten Pralinen gegessen. „Du solltest doch nichts anfassen." Leise murrend ziehe ich die Schachtel etwas auf Abstand und mustere den Jüngeren dabei besorgt. Der ist ja völlig neben der Spur. Hat er nicht geschmeckt, dass da Alkohol drin ist? Er kann von Glück reden, dass ich sie noch nicht mit Gift präpariert hatte. „Du kleiner Idiot. Warum bist du so lebensmüde, hm?"

„Isch wollte dir eine Freude machen, damit du mich magst." Auf einmal lässt Jisung sich seitlich vom Stuhl fallen, weshalb ich schnell nach seinen Schultern greife und ihn festhalte. Was redet er denn da? Ich mag ihn doch so wie er ist. Er muss dafür nicht so ein Chaos veranstalten, welches ich wahrscheinlich selber wieder in Ordnung bringen muss. „Komm, leg dich aufs Sofa. Du solltest besser ein wenig schlafen." Eigentlich wollte ich ihn nach Hause schicken, wenn ich wiederkomme, aber in diesem Zustand geht das schlecht. „Ich helfe dir auch." Kurzerhand greife ich Jisung unter die Arme und ziehe ihn hoch auf seine Beine, bevor ich mich mit ihm auf den Weg in mein Wohnzimmer mache. Der Junge ist schwerer als er aussieht.

„Ich bin nich müde." Genau und er hat ja auch nicht bis eben auf dem Küchentisch geschlafen. Er hat sogar immer noch einen Abdruck davon im Gesicht. „Wenn du jetzt brav bist und dich hinlegst, während ich duschen gehe, darfst du heute Nacht hierbleiben." Vorsichtig lasse ich den Jüngeren auf dem Sofa nieder, wobei sich dieser jedoch fest an mich heran klammert. Ein Glück, dass ich heute kein Blut an meiner Kleidung kleben habe. „Darf ich dann auch mit in dein Bett?" Jisung, guck mich bitte nicht so an. Diese flehenden Augen machen mich wahnsinnig.

„Nur wenn du jetzt schläfst." Ich kann nicht fassen, dass ich das gerade mache. Soviel zu dem Thema ich schaffe es ihn auf Abstand zu halten. Ich muss aufpassen, dass ich ihm gegenüber nichts Unüberlegtes mache, was ich später bereuen könnte. Jisung soll mich einfach aufgeben, aber das funktioniert nicht, wenn er ständig dafür sorgt, dass ich mir Sorgen um ihn machen muss. Wie kann man auch nur so tollpatschig sein?

„Yey." Mit einem dicken Grinsen lässt er sich schließlich auf dem Sofa nach hinten fallen, wobei ich meine Hand schnell zwischen seinen Kopf und die Kante an der Lehne halte. „Ah-" Das war knapp. Fast hätte er sich den Kopf gestoßen. „Schlaf gut." Leicht schmunzelnd beobachte ich ihn dabei, wie er langsam seine Augen schließt und streiche ihm noch einmal behutsam durch die Haare. Er ist kompliziert, aber mindestens genauso süß. Warum musste es auch ausgerechnet er sein, der mich erwischt hat? Jeden anderen hätte ich schon längst beseitigen können. Aber ihm könnte ich wahrscheinlich noch nicht einmal etwas antun, wenn er etwas Böses tun würde.

Mit Bedacht ihn nicht zu wecken, schleiche ich leise zurück in die Küche und kontrolliere noch einmal, ob er den Herd überhaupt ausgeschaltet hat. „Er hat sich wirklich viel Mühe gegeben." Schmunzelnd ziehe ich mir eines der weniger verbrannten Omelettes vom Teller und beiße ein Stück ab, bevor ich angewidert das Gesicht verziehe. Das ist nicht nur verbrannt, sondern auch total versalzen. Aber es ist trotzdem süß, dass er mir eine Freude machen wollte. Der Gedanke daran, dass jemand zu Hause mit Essen auf mich wartet, ist irgendwie ungewohnt. Seitdem meine Eltern gestorben sind, war ich die ganze Zeit auf mich allein gestellt. Und so sehr es mir auch gefällt, ich sollte mich nicht daran gewöhnen. Jisung's Wohlbefinden hat für mich höchste Priorität.

***
Die Frage ist nur, wie gut wird er das auf die Reihe bekommen?

Darkness // MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt