SIEBENUNDZWANZIG

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Minho PoV:

„Und du kannst wirklich alle Aktivitäten an seinem Handy sehen und abhören? Egal was er macht?" Skeptisch sehe ich kurz zu Felix hinüber, während ich die letzten Kleidungsstücke in meinen Koffer hinein quetsche. Ich habe Jisung versprochen aus seinem Leben zu verschwinden und genau das habe ich jetzt auch vor. Ich habe bereits eine kleine Wohnung in einem anderen Stadtbezirk gefunden, wo wir uns nicht mehr so schnell über den Weg laufen sollten. Und dennoch kann ich ihn von dort aus weiterhin im Auge behalten, denn sein Verhalten bereitet mir Bauchschmerzen.

„Ja. Ich kann sogar auf alle Geräte im Haushalt zugreifen. Doch die meiste Zeit guckt er sich einfach nur die Beiträge seiner Klassenkameraden an, aber liked sie nicht und folgt auch keinen von ihnen." Ohne seinen Blick von seinem Tablet zu heben, hängt er halb von meinem Sofa hinunter und tippt immer wieder irgendwelche Sachen auf dem Display an. Manchmal ist es schon ziemlich nützlich einen Hacker als besten Freund zu haben. „Von wegen die anderen interessieren ihn nicht." Leise murrend drücke ich schließlich die Klappe von meinem Koffer zu und ziehe ungeduldig an dem Reißverschluss herum. Wieso klemmt dieses Ding auch jedes Mal?

„Von wegen du lässt ihn endlich in Ruhe. Du wechselst seinetwegen extra die Schule, aber lässt mich sein Handy überwachen und bei der nächsten Kleinigkeit läufst du wieder zu ihm. Entscheide dich Mal, was du willst. Wenn du weiter an seiner Seite hängst, wirst du dein Ziel nie erreichen." Vielen Dank, dass er mich immer wieder an meine eigene Doofheit erinnern muss. Als wenn ich nicht wüsste, wie riskant das ist. Aber ich will nun einmal nicht noch jemanden verlieren. Nicht, wenn es sich verhindern lässt.

„Ich weiß, was ich will und das ist sein Wohlbefinden." Frustriert schlage ich kurzerhand fest auf meinen Koffer, weshalb Felix etwas erschrocken zu mir hinübersieht. Dieses Scheißteil will einfach nicht zugehen. „Du bist so stur. Dann lass ihn doch endlich in Ruhe. Das würde euch beiden gut tun." „Du verstehst das nicht." Sichtlich gereizt trete ich den Koffer zur Seite und atme anschließend einmal tief durch. Ich bekomme im Moment einfach nichts auf die Reihe. Jisung bringt mein ganzes Leben durcheinander.

„Dann erklär es mir." Als hätte Felix nun gemerkt, was für ein Gefühlschaos sich eigentlich in mir aufgebaut hat, sieht er auf einmal besorgt zu mir hinüber, woraufhin ich mir kurz mit den Händen durch die Haare fahre. Ich glaube ich muss mit ihm darüber reden, auch wenn es ihn eigentlich nichts angeht. Ich platze sonst noch und wer weiß, was dann passiert. Ganz sicher nichts Gutes.

„Das Blut, welches du bei Changbin im Gästezimmer auf dem Bettlaken gefunden hast, war von ihm. Er verletzt sich selber und das schon seit einer Weile. Ich weiß nicht genau, was zuvor sein Auslöser dafür war, aber dieses Mal bin definitiv ich schuld daran gewesen. Und ich möchte sicher gehen, dass er jetzt nichts Dummes macht. Darum sollst du ihn im Auge behalten. Du weißt wie viel er mir bedeutet. Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn."

„Warum hast du das nicht schon viel früher gesagt? Dann wäre ich nicht so gemein zu ihm gewesen", erwidert Felix nun etwas kleinlaut, während ich mich neben ihm auf das Sofa niederlasse. „Weil es eigentlich etwas ist, das niemanden was angeht. Ich habe es selber nur durch Zufall herausgefunden, als er bei mir übernachtet hat. Und in der Nacht, wo wir miteinander geschlafen haben, waren die Wunden eigentlich fast verheilt. Doch als ich gestern bei ihm war, sind neue dazugekommen und die Alten wurden erneut aufgerissen. Es war kein schöner Anblick."

„Ich habe Angst, dass er sich etwas antun könnte. Er hat nichts falsch gemacht. Ich war derjenige, der unvorsichtig gewesen ist. Meinetwegen fühlt er sich jetzt so." Kaum habe ich den letzten Satz beendet, steigen mir schon wieder die Tränen in die Augen. Ich wünschte ich könnte wenigstens dieses eine Mal die Zeit zurückdrehen, um etwas zu ändern. Doch leider bin ich nach wie vor machtlos. Ich kann nichts mehr für Jisung tun, außer ein Auge aus der Ferne auf ihn zu haben. Würde ich bei ihm bleiben, würde alles nur noch schlimmer werden.

„Ich verstehe, was du meinst, aber ich glaube du bist nicht der einzige Grund, weswegen er das tut. Du hast mit eigenen Augen gesehen, wie sie auf der Party mit ihm umgegangen sind. Für ihn bist du wahrscheinlich ein Anker an dem er sich versucht festzuhalten. Doch dieser Anker hat selber keinen festen Halt." Mit Bedacht seinen Abstand zu mir zu bewahren, legt Felix vorsichtig eine Hand auf meine Schulter, woraufhin ich mich seufzend nach hinten fallen lasse. „Statt ihm Halt zu geben, ziehe ich ihn nur noch weiter ins tiefe dunkle Wasser."

„Ich werde ihn im Auge behalten und wenn er sich seltsam verhalten sollte, sage ich dir Bescheid, ok? Mehr können wir im Moment nicht tun. Es braucht alles seine Zeit." Er hat ja recht, aber ich werde dieses ungute Gefühl einfach nicht los. Jisung wirkte so zerbrechlich auf mich. Noch ein kleiner Windhauch und er wird in tausend kleine Scherben zerfallen. Ich könnte meine Pläne für ihn verwerfen, um für ihn da zu sein, aber auf Dauer würde es mich selber zerfressen. Ich muss ihren Tod um alles in der Welt rächen.

***
Schwere Entscheidung...

Darkness // MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt