DREIUNDZWANZIG

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!Beleidigende Inhalte!
Minho PoV:

„Ey Minho, stimmt es, dass du mit diesem Typen aus der Parallelklasse rumgemacht hast? Der ist so merkwürdig. Und ich wusste gar nicht, dass du auch mit solchen was anfängst. Ich dachte du hättest mehr Niveau."

„Minho muss so betrunken gewesen sein."

„Das war doch der, der mit diesem komischen Winzling rumgemacht hat oder? Eigentlich voll schade, weil er sieht echt gut aus."

„War er so scheiße, wie er aussieht?"

„Muss ich Angst haben mir etwas bei dem Typen einzufangen oder empfiehlst du ihn mir? Ich mag's, wenn's einfach geht."

„Warst du so betrunken, dass du sein Gesicht nicht erkennen konntest?"

„Ich würde mich von dem noch nicht einmal mit der Kneifzange anfassen lassen."

„Endlich hat dem Typen mal wer gezeigt, wo er hingehört."

Ohne mir etwas anmerken zu lassen, gehe ich durch das Treppenhaus in der Schule hinunter zum Lehrerzimmer und verstecke dabei meine zu Fäusten geballten Hände in meinen Jackentaschen. Mir war zwar irgendwie klar, dass es ein paar Leute mitbekommen haben, als Jisung von der Party geflüchtet ist, aber mit dieser Reaktion von ihnen habe ich nicht gerechnet. Sie reden über Jisung, als wäre er das letzte Stück Dreck. Dabei wissen sie gar nicht, wie es wirklich gewesen ist.

Haben sie ihn überhaupt jemals richtig angesehen? Keiner von ihnen ist auch nur ansatzweise so schön wie er und das ist nicht nur auf sein Aussehen bezogen. Ich musste mir so das Lachen verkneifen, als er auf einmal mit der Schutzausrüstung vor meiner Tür stand. Er ist so unbeholfen und würde niemals jemandem etwas Böses wollen. Er ist ein kleiner Engel, er ist mein kleiner Engel. Ich will nicht, dass sie ihn so verletzen. Das hat er nicht verdient. Es war meine Schuld, dass ich es in der Nacht so weit hab kommen lassen.

Und langsam fange ich wirklich an mir Sorgen um den Jungen zu machen. Ich habe ihn die ganze Woche über kein einziges Mal gesehen. Er saß in den Pausen noch nicht einmal an seinem Lieblingsort hinter der Schule. Nachdem was Felix mir über seinen Fund erzählt hat, werde ich das ungute Gefühl nicht mehr los, dass er sich selber etwas angetan hat. Aber wäre etwas Schlimmes passiert, dann wüssten doch jetzt schon längst alle Bescheid, oder nicht?

„Entschuldigung, Sie sind doch der Klassenlehrer von Han Jisung, richtig? Können sie mir vielleicht sagen, ob er heute zur Schule gekommen ist?" So verunsichert wie schon lange nicht mehr, bleibe ich vor einem der Tische im Lehrerzimmer stehen und sehe hoffnungsvoll zu einem schon etwas in die Jahre gekommenen Herren hinüber. Ich kann nicht glauben, dass ich das gerade schon wieder tue. Ich will Abstand zu Jisung aufbauen, aber ich mache mir verdammt nochmal Sorgen um ihn.

„Ah, bist du ein Freund von ihm?" Er zieht kurz seine Brille etwas hinunter und mustert mich auffällig, bevor er sich wieder einem recht großen Papierstapel widmet. „Wie man's nimmt.." Er scheint von den Gerüchten noch nichts mitbekommen zu haben, aber das ist auch besser so. Und ganz unrecht hat er nicht. Jisung und ich mögen uns, auch wenn etwas mehr als nur Freunde. „Er ist schon die ganze Woche über nicht zum Unterricht erschienen. Das ist eigentlich ziemlich untypisch für ihn, aber er hat sich zu dieser Jahreszeit sicher etwas eingefangen. Könntest du ihm eventuell die Aufgaben der vergangenen Stunden vorbeibringen? Nächste Woche beginnen die Prüfungen und wie ich ihn kenne, legt er sehr viel wert auf seine Noten."

„Wenn es sonst keiner machen möchte." Auch wenn ich es eigentlich selber nicht gerne tun würde, wäre es eine gute Möglichkeit noch einmal ein vernünftiges Gespräch mit ihm zu führen. Denn so wie es in der Nacht gelaufen ist, war es nicht optimal. Ich war in dem Moment nur so verzweifelt und überfordert mit der Situation, dass ich nicht darauf geachtet habe, wie ich mit ihm umgegangen bin. Dabei habe ich schon längst gesehen wie empfindlich er doch eigentlich ist. Ich wollte es nur einfach nicht wahrhaben.

„Vielen Dank. Jisung wird sich mit Sicherheit darüber freuen." Ich bezweifle sehr, dass er sich darüber freuen wird mich zu sehen. Aber ich muss ihm die Wahrheit sagen. Er soll wissen, dass er für mich in der Nacht nicht irgendwer gewesen ist. Das war er noch nie. Und so schwer es mir auch fallen wird, werde ich ihm sagen, was er mir bedeutet. Er soll wissen, dass ich mich um ihn sorge, dass er nicht allein ist. Nur ändert es nichts daran, dass ich nach wie vor nicht der Richtige für ihn bin. So sehr ich ihn auch liebe, es würde mich auf Dauer nicht glücklich machen ihn mit mir zusammen zu sehen. Es würde ihn irgendwann zerstören, so wie es mich diese Dunkelheit zerfressen hat.

Mit den Zetteln in der Hand verlasse ich schließlich das Lehrerzimmer und versuche möglichst unauffällig auf das Dach der Schule zu gelangen. Bevor ich zu Jisung gehe, gibt es noch eine Sache, die ich zu erledigen habe. Ich muss das, was ich und dadurch auch die anderen Jisung angetan haben wieder gut machen. Normalerweise räche ich mich auf einem anderen Weg, aber ich glaube dieses Mal lasse ich sie lieber leiden, anstatt sie zu töten. Auch wenn das Verlangen danach nicht gerade gering ist.

Auf dem Dach angekommen, verstecke ich mein Gesicht hinter einer schwarzen Maske und tausche den Papierstapel in meiner Hand gegen einen anderen in meiner Tasche aus, bevor ich mit diesem an die Dachkante herantrete. Sie haben Jisung auf der Party für seine Sexualität bloßgestellt. Es ist an der Zeit ihnen den gleichen Schmerz zuzufügen. Denn mit Felix' Hilfe bin ich an ein Foto gelangt, von zwei der Typen, die Jisung an dem Abend bloßgestellt haben. Und wie soll ich es sagen, das Foto, welches sich gerade über den gesamten Schulhof verteilt, ist wohl ziemlich intim.

Darkness // MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt