Darkness // Minsung

FÜNFUNDZWANZIG

!Trigger Warnung!
Minho PoV:

„Also, ich höre." Kaum fällt seine Zimmertür hinter uns ins Schloss, dreht Jisung sich erwartungsvoll zu mir um, bevor er sich erschöpft auf das Bett hinter sich fallen lässt. Das Fieber scheint ihm immer noch ziemlich zu schaffen zu machen. „Erinnerst du dich noch an das letzte Schulfest?" Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich es ihm am besten erkläre und ich glaube, ich sollte ganz am Anfang damit beginnen. „Ja, aber das hat doch nichts mit uns zu tun."

„Mir ging es damals nicht gut. Es war nur wenige Tage nachdem ich meine erste Tat begangen habe. Ich war voller Zweifel und alles auf dieser Welt erschien mir einfach nur böse, schlecht und von Grund auf verdorben." Mit Bedacht ihm nicht zu nahe zu kommen, bleibe ich mit ein wenig Abstand zu ihm stehen, während er recht verwirrt zu mir aufsieht. „Worauf willst du hinaus?" Um seine Nervosität besser vor mir verstecken zu können, zieht er sich langsam seine Decke über den Schoß, was ich jedoch unkommentiert lasse. Ich kann verstehen, wenn er sich nach all dem, was passiert ist, in meiner Nähe unwohl fühlt.

„Auf dem Schulfest habe ich einen Jungen getroffen, welcher mir ein kleine Rose mit einem wunderschönen Lächeln überreicht hat. Er hat mich in dem Moment einfach verzaubert, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Er war ein kleiner Sonnenschein, der etwas Licht in meine Dunkelheit gebracht hat." Ich überwinde mich kurz zu einem traurigen Lächeln, wobei er mich jedoch weiter mit diesem gefühlskalten Blick ansieht. „Und?"

„Jisung, der Junge warst du. Jedes Mal wenn ich dich in der Schule gesehen habe, hast du meinen Tag ein kleines bisschen besser gemacht. Ich habe angefangen dich wirklich zu mögen, obwohl ich kaum etwas über dich wusste. Du kanntest mich noch nicht einmal. Doch als du mich endlich wahrgenommen hast, war das alles andere als schön. Das Letzte, was ich wollte, war dich in diese Sache hineinzuziehen. Nur leider hat das nicht funktioniert. Je mehr ich versucht habe mich von dir fernzuhalten, umso näher habe ich dich an mich herankommen lassen. Ich konnte es nicht ertragen dich leiden zu sehen."

Als mir jedoch auf einmal die Tränen in die Augen steigen, richte ich meinen Blick schnell zu Boden und presse meine Lippen fest aufeinander. Jetzt ist es raus. Ich wollte meine Gefühle vor ihm verstecken, aber das halte ich nicht länger aus. Er bedeutet mir einfach zu viel, um ihn weiter so leiden zu lassen. Ich wollte ihn nicht benutzen. Ich hatte die Kontrolle über mich verloren und dafür muss ich jetzt geradestehen.

„Hast du mich deswegen geküsst, als ich bei dir geschlafen habe?" Mit leiser Stimme unterbricht Jisung nach einem Moment das Schweigen zwischen uns, wobei ich meinen Blick weiter auf den Boden gerichtet lasse. „Du erinnerst dich.." „Ja." Auf mich machte es eigentlich den Eindruck, als hätte er es vergessen. Aber Erinnerungen können auch wiederkommen. „Du hast so fürchterlich geweint. Das konnte ich nicht ertragen. Ich habe in dem Moment keinen anderen Ausweg gesehen. Es tut mir leid." Es tut mir wirklich leid. Ich kann überhaupt nicht in Worte fassen, wie leid mir das alles tut. Ich habe ihm so viel Schmerz hinzugefügt.

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich dir nach all dem, was passiert ist noch Glauben schenken soll. Du hast mich von Anfang an wie einen Idioten behandelt und genauso fühle ich mich im Moment auch." Sichtlich beschämt sieht er verzweifelt auf seine Hände hinunter, wobei ich ihn schuldbewusst beobachte. Ich wollte nie, dass es so weit kommt. Hätte ich nur damals besser aufgepasst, hätte er mich nie gesehen. Es ist alles meine Schuld. Aber warum ist er dann derjenige, der so darunter leiden muss?

„Der letzte Teil, den ich auf der Party zu dir gesagt habe, war gelogen. Ich war nicht nett zu dir, weil du mein Geheimnis kennst. Ich wollte nur, dass du das von mir denkst. Wäre es jemand anderes gewesen, hätte ich ihn vermutlich bereits beseitigt. Du bist nicht mein erster Zeuge. Und ich dachte es reicht dir einfach Angst zu machen, damit du dich von mir fernhältst. Aber du bist so eine verdammte Klette. Je mehr ich versuche dich loszuwerden, umso mehr verfängst du dich in meinem Leben. Wieso kannst du mich nicht einfach loslassen?"

„Aus dem gleichen Grund, weshalb du mich nicht loslassen kannst. Du bist derjenige, der immer wieder zu mir kommt. Und nachdem du mich das erste Mal mit zu dir genommen hast und dich um mich gesorgt hast, hing ich bereits zu sehr an dir fest, dass ich mich nicht mehr lösen konnte. Und ich will verdammt nochmal bei dir sein. Wieso kannst du es nicht einfach akzeptieren?" Nun ebenfalls mit Tränen in den Augen sieht der Jüngere wütend und zugleich verletzt zu mir auf, weshalb ich für einen Moment innehalte. Es geht einfach nicht. „Es würde mich nicht glücklich machen dich in meiner Nähe zu sehen, weil es dir auf Dauer nur schaden würde."

„Dafür ist es zu spät. Ich bin längst nicht mehr derjenige, der ich einmal war." Immer noch wackelig auf den Beinen steht er schnell entschlossen von dem Bett auf und macht dabei einen Schritt auf mich zu. Ich habe ihn noch nie so gesehen. Er wirkt so fragil, als würde er jeden Moment wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen. „Weil du dich aufgegeben hast." „Weil ich nicht mehr kann. Jeden Tag muss ich mir von allen blöde Kommentare anhören und dabei zusehen, wie sie ihr perfektes glückliches Leben führen. Und was habe ich? Nichts! Verdammt nochmal nichts und es frisst mich auf!" Er will gerade zu einen Schlag ausholen, welchen ich jedoch mit Leichtigkeit abfange. „Verletzt du dich deswegen selber?"

„Ich weiß nicht, wovon du redest." Als hätte ich damit einen Schalter in ihm umgelegt, wendet er sich schnell von mir ab, woraufhin ich ihn jedoch am Arm festhalte. Er kann mich nicht belügen. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. „Ach nein? Und was ist das? Ich bin doch nicht blöd." Kurzerhand ziehe ich seinen Pullover gerade so weit nach oben, dass man die Wunden zu sehen bekommt. „Glaubst du wirklich, dass es das besser macht?" „Ich lasse meinen Schmerz wenigstens nicht an anderen aus!"