17. Umgang mit verschiedenen Meinungen und Büchern

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Vor kurzem habe ich ein Buch angefangen, mal wieder über das Thema Kirche und Homosexualität... Und es abgebrochen.
Warum?
Weil ich gemerkt habe, dass das Buch und ich absolut nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

Ein bisschen hatte ich aber schon ein schlechtes Gewissen: sollte man nicht auch mal etwas lesen, was nicht der eigenen Meinung entspricht? Ja, eigentlich schon. "Na gut", dachte ich mir, "ich kann's ja nochmal hier lassen und vielleicht lese ich es später noch."
Ehrlich gesagt kann ich mich gerade nicht mehr daran erinnern, ob ich das dann noch gemacht habe. Ich glaub, ich hab tatsächlich nochmal reingeguckt und es wurde besser als erwartet, aber ich hab irgendwie nix dazu aufgeschrieben... (Ungewöhnlich. Ich frage mich, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist.)

Dafür habe ich aber jedenfalls ein anderes Buch gekauft. Das habe ich noch im Buchladen komplett überflogen - ist auch nicht so dick - und es spiegelt auch nicht ganz meine Meinung wieder. Aber mit einem Unterschied: ich kann trotzdem dran anknüpfen.
Das erste Buch hat nämlich bereits im ersten oder zweiten Kapitel verkündet, dass Homosexualität eine heilbare Krankheit ist, (und heilbar im Sinne von "durch menschlichen Einfluss heilbar") unter der die Beteiligten leiden, da kaum dauerhafte Beziehungen zustande kommen, da die Gefühle deutlich wechselhafter sind als heterosexuelle.
Da habe ich die Vermutung angestellt, dass die Argumentationen im restlichen Buch auf diesen Grundannahmen basieren und mir damit zwar zeigen, wie andere Menschen denken, aber keinerlei Anknüpfungspunkt für eigene Überlegungen bieten.
Mit dem zweiten Buch erging es mir da schon besser.
Es wurde von einem Christen geschrieben, der selbst homosexuell empfindet, jedoch zugleich der Meinung ist, dass eine homosexuelle Beziehung nicht gut für Menschen ist. Er sieht die Dinge etwas differenzierter und bietet Argumentationen, die ich nachvollziehen kann.
Ich werde auch noch ein Kapitel zu diesem und anderen Büchern verfassen und weitere Kapitel zu "andere Meinungen" bzw "was ist überhaupt noch Meinung und was Feindseligkeit?"
Aber das muss ich noch auseinandersortieren alles. Seht dieses Kapitel als eine Art Einleitung für den kommenden Themenblock. :)

Heute will ich aber erstmal den Aspekt "Umgang mit anderen Meinungen" anschneiden.
Ich bin ja grundsätzlich jemand, der gerne diskutiert und da wird es erst so richtig spannend, wenn man das mit jemandem tut, der nicht genau gleich denkt wie man selbst.
Schwierig wird es aber vor allem dann, wenn man selbst betroffen ist von dem Thema. Und es macht auch nochmal einen Unterschied, ob das Gegenüber ebenfalls betroffen ist oder nicht.
Und das wird beim Thema LGBT+ relevant. Während zum Beispiel bei der Schöpfungsdiskussion irgendwie alle gleich viel "betroffen" sind und es höchstens Menschen mit unterschiedlichem Fachwissen gibt, kann es bei LGBT+ schon mal gut und gerne vorkommen, dass man als queere Person mit einer cis-het-person redet oder umgekehrt. Es kann auch vorkommen, dass man ungeoutet in einer ganzen Gruppe von cis-hets sitzt und diese über deine Rechte diskutieren. (Oder es kann auch passieren, dass du nur vor einer einzigen Person geoutet ist während der Diskussion und eine andere hat mitgehört, aber du weißt es nicht.) Das kann ganz schön unangenehm sein. Oder auch positiv überraschen. In jedem Fall aber ziemlich emotional werden.

Wer kann wie gut mit Kritik an seinem Geschlecht und seiner Sexualität umgehen? Die Sexualität und noch mal mehr das Geschlecht ist etwas intimes und persönliches, die eigene Identität, und dementsprechend verletzbar ist man an dieser Stelle.
Manchmal bin ich aber trotzdem überrascht, wie schnell Empörung aufkommt. Dann frage ich mich: Bin ich so abgestumpft oder die anderen so empfindlich? Oder beides?
Manchmal bin ich auch im ersten Moment empört, aber im zweiten denke ich nochmal nach und überlege, dass die Formulierung vielleicht etwas ungünstig ist, aber ein ernsthaftes Argument hintersteckt oder eine Meinung, wo ich mich auch mal positioniert habe. Oder auch umgekehrt. Oft denkt man ja gar nicht so richtig nach, was der andere gesagt hat und oft denkt man auch nicht so richtig nach, was man selbst sagt - und erst beim genaueren Hinschauen wird dann deutlich, was man in das Gesagte reininterpretieren kann oder was für eine Grundeinstellung dahinter stehen kann oder was dieser Satz eben über uns als Kultur aussagt. Sprache läuft ja auch auf einer unbewussten Ebene ab. Und Menschen sind total unterschiedlich. Und deshalb ist der eine total empört, während der andere diese Empörung voll übertrieben findet und sich darüber lustig macht (was die Situation natürlich nicht gerade entschärft).

Manchmal hat man auch Formulierungen früher selbst benutzt, empfindet sie aber jetzt als verletzend - aber ein Themenfremder Cis-het-mensch kann da kaum drauf kommen, warum. Das betrifft zum Beispiel die Fragen, die ich in einem anderen Kapitel mal kurz angeschnitten hatte.

Und dann kommt es für mich irgendwie auch drauf an, wie jemand es sagt. Also ob man merkt, dass es ihm nur ums beleidigen und verletzen geht oder ob eher Sorge dahintersteckt. Internalized transphobia und homophobia, wenig Wissen über das Thema. Oder manchmal machen sich Leute auch schlaue Gedanken, haben aber andere Grundannahmen, auf die sie aufbauen. Oder sehen Gefahren, wo die Gesellschaft überhauptgarnicht hinschaut oder zumindest keine Gefahren dort sieht.

Und dennoch: manchmal hat man einfach auch nur das Bedürfnis, ein Buch zu nehmen und durch die Gegend zu schmeißen. (Was ich im Endeffekt natürlich meist nicht tue, dazu mag ich Bücher einfach zu sehr und zudem waren die ja auch oft nur ausgeliehen :) Und zumal die meisten schon älter sind, würde das denen glaub ich nicht so guttun xD)

Wie seht ihr das Thema? Wie geht ihr damit um, wenn euch so Bücher in die Hände fallen, gerade auch Ältere und welche, wo ihr zumindest versteht, wie der Autor auf die Meinung kommt die er hat?

How I accidentally became an AllyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt