TW: 1. Zwischenüberschrift: Terfs, Transfeindlichkeit, Transmisogynie, Sexismus, r*pe culture, Straftaten
2. Zwischenüberschrift: Rassismus
Heute möchte ich über etwas schreiben, was mir sowohl bei Rassismus als auch bei Ableismus, trans Zeugs und Gender-Stereotypen aufgefallen ist (bloß aus unterschiedlichen Perspektiven und damit unterschiedliche Aspekte davon).
Und zwar ist das folgendes Phänomen:
-Man lernt über eine Diskriminierungsform und anstatt dass man dadurch selbst weniger diskriminiert, muss man die ganze Zeit an Diskriminierung und die ganzen bösen Sprüche denken, wenn man eine Person trifft, die von dieser Diskriminierungsform betroffen ist
-Man schafft es tatsächlich mal, sich etwas diskriminierendes Denken oder Stereotype und toxische Männlichkeit, internalisierte Misogynie, etc abzutrainieren, trifft dann aber auf eine Gesellschaft, die das noch sehr viel reproduziert und das hittet einen so richtig hart
Also im Endeffekt geht es um die folgende Frage: Wie erinnert man sich daran, was andere Menschen denken und geht damit aktiv um, ohne dabei selbst so zu denken oder sich in dem Sinne davon beeinflussen zu lassen?
Terfs und Neins
Das ist schwieriger als es auf den ersten Blick scheint, denn das Gehirn kennt keine "nicht"s. Denk mal nicht an einen grünen Elefanten. Ok, hab an einen blau-grauen gedacht, aber umso länger ich drüber nachdenke, desto grüner wird er.
Wenn man erstmal auf die Idee gebracht wird, dass man vor etwas Angst haben könnte, dann ist es schwer, keine Angst zu haben - selbst wenn man von der Logik her weiß, dass es keinen vernünftigen Grund dafür gibt.
Das greift besonders, wenn man niemanden wirklich persönlich kennt. Es ist eine sehr entpersonalisierte Angst, die sich gegen ein großes, unsichtbares, nicht fassbares Konstrukt richtet, dass von der Gegenseite erschaffen wird und so eigentlich gar nicht existiert.
Nehmen wir als Beispiel die Terfs mit ihrem Konstrukt der "bösen, bösen trans Frau".
Es gibt Menschen, die tun kriminelle Dinge. Manche davon sind vielleicht auch trans, denn statistisch gesehen muss es so sein. Und vielleicht gibt es sogar cis Kriminelle, die sich denken: "Oh, gute Idee, die die Terfs da haben, das könnte man glatt mal ausprobieren" und benutzen Geschlechtsstereotype, um ihre Identität zu verschleiern. Es gibt bestimmt auch Kriminelle, die sich ihr Gesicht schwärzen, um ihre Identität zu verschleiern und whatever noch alles. Es gibt viele Methoden, wie man ein Verbrechen begehen kann und viele Möglichkeiten, wer es begehen kann, Menschen können sehr böse sein - aber etwas gibt es nicht, und das ist das Konstrukt der kriminellen trans Frau, die trans ist und ihren Personenstand ändern lässt, um Verbrechen zu begehen. (Ganz ehrlich, wäre ich kriminell, würde ich mir auch eher einen Pass fälschen (lassen), anstatt irgendwelche offiziellen Wege zu gehen, durch die Daten entstehen!) Die Angst, die Terfs schüren, richtet sich also eigentlich nicht gegen eine real existierende Person, die di*erjenige kennt, sondern gegen eine Art konstruiertes Ungeheuer. Dieses Ungeheuer wird allerdings auf real existierende Personen projeziert, und zwar auf jene Personen, die ein bestimmtes Merkmal haben: nämlich, dass sie trans Frauen sind.
Insgesamt ist angstgeleitete Feindlichkeit gegenüber trans Frauen ein Ding von "Angst gegenüber etwas Unsichtbarem". Nämlich ist ja das Narrativ der Terfs, dass trans Frauen eigentlich Männer (und somit dank heterosexistischer r*pe culture potentielle Feinde) seien, nur dass sie durch ihre Transition nicht als solche zu erkennen sind. Es ist also letztendlich die Angst, dass der Feind sich unsichtbar machen und in Schutzräume eindringen kann.
Und das ist genau diese Art von Angst, die keine "nicht"s kennt. Denn: wenn etwas gar nicht existiert, dann kann man dem Hirn nicht beweisen, dass es nicht gefährlich ist. Dinge, die nicht existieren, sind deshalb ultra schwierig zu bekämpfen.
Das Konstrukt der Terfs ist eigentlich ein Monster ohne Gesicht. Dieses Monster wird jetzt aber auf real existierende Personen projeziert.
Das Ding an diesem Angst-Konstrukt ist, dass es keine Angst vor Straftaten generell ist oder Angst vor durch Frauen ausgeführte Straftaten (die es ja durchaus gibt), sondern Angst vor dem in r*pe culture (die es ebenfalls gibt) und sexistisch sozialisierten Mann. Und hier wird wiederum ganz oft verharmlost und "not all men" und was nicht alles.
Das Schlimme ist ja: Wenn ein Mann in unserer Gesellschaft einer Frau etwas antun möchte, dann muss er dafür keinen großen Aufwand auf sich nehmen. Wahrscheinlich kommt er sogar ungestraft davon. Ein Mann kann einer Frau ganz ohne Personenstandsänderung und absolut male passing aufs Klo folgen und man würde ihr noch vorwerfen, dass sie halt uneindeutige Signale gesendet oder die Tür nicht richtig geschlossen hätte, dass sie es mit dem Outfit "ja nicht anders gewollt" hätte und sie eben nicht auf Toilette hätte gehen sollen, wenn Männer in der Nähe sind.
Selbst wenn man aber weiß, dass etwas logisch gesehen keinen Sinn macht, so wird man einen Gedanken aber nicht immer so schnell wieder los.
Ich habe das Gefühl, wenn man sich genau eine bestimmte Menge mit einem Thema, oder genauer gesagt mit einer Diskriminierungsform befasst hat, die so bei "ein bisschen" liegt, dann kann das echt problematisch werden.
Nämlich dann, wenn man bei Menschen, denen man begegnet, als erstes oder hauptsächlich nur diese Diskriminierungsform sieht. Wenn einem sofort die Frage in den Kopf kommt, wie diese Person wohl Diskriminierung erlebt. Wenn man Angst hat, etwas falsch zu machen. Wenn man sich selbst profilieren will und überlegt, wie man zeigen kann, dass man besser ist (sowieso problematisch). Wenn man die ganze Zeit denkt, dass das eigene Verhalten jetzt bestimmt als Diskriminierung aufgefasst wurde.
Accidentally racist
Bei trans Frauen bin ich über diesen Punkt hinweg, dafür weiß und kenne ich mittlerweile zu viele, aber dafür ist mir das bei mir bei etwas Anderem aufgefallen: Rassismus.
Ich bin Weiß und wurde in dem erzogen, was Tupoka Odette "Happyland" nennt. Meine Eltern sind aus der Generation, die Farbenblindheit als Ziel hatte, Friede, Freude, Eierkuchen (mit N*küssen drauf natürlich) und beste Freunde über Grenzen hinweg sein wie Winnetou & Old Shatterhand. Diese Vibes.
Jetzt hab ich angefangen, mich mit Rassismus auseinander zu setzen und finde manches SO schwierig zu verstehen. Bin verwirrt. Und so weiter.
Und plötzlich sehe ich People of Color. Und guess, was mir in den Kopf geschossen kommt, wenn ich sie sehe?
Die Frage, was sie wohl heute schon an Rassismus erlebt haben. Wie sie wohl zu den Themen stehen, über die so hitzig diskutiert wird. Welche Fragen man ihnen stellen darf und welche nicht (nicht, dass ich irgendwem mal mündlich fragen stellen würde). Ob ich irgendwas falsch mache. Gehe die Listen durch, die ich gelesen habe. "Nicht die Haare anfassen." Oh nein, jetzt möchte ich wirklich gerne diese Haare anfassen, wenn das immer alle machen wollen, muss das ja total interessant sein?
Und ich bin mir sicher, dass es anderen genauso geht, bei Rassismus und eben auch bei Queerfeindlichkeit oder auch bei Ableismus.
Ich grübelte echt hart, warum das wohl so ist und wie ich das Problem löse, und dann - ich glaube, es war beim Nachdenken über die Freitagsfrage von @tupoka.o auf Instagram (grob zusammengefasst: Was hast du in den letzten Wochen gegen Rassismus getan?) fiel mir plötzlich etwas wie Schuppen von den Augen, was sicherlich bei weitem nicht alles ist, aber ein kleiner Punkt: ich folgte & kannte zu wenigen BiPoc, die hauptsächlich über andere Sachen posten.
Denn wenn ich BiPoc fast nur im Zusammenhang mit Rassismus sehe: logisch, dass ich das dann verknüpfe! Jetzt ist nur die Frage - das würde meine Theorie dann vielleicht bestätigen oder widerlegen - ob es besser wird, wenn ich mehr andere BiPoc - und zwar unterschiedliche, wobei es für den Vergleich sicherlich auch interessant wäre, es anders zu machen - kennenlerne.
Anhand von den paar BiPoc, die ich schon kenne, würde ich vermuten, dass der Effekt sein wird, dass ich dann wieder diese Art Farbenblindheit entwickel. Das kann dazu führen, dass ich quasi trenne und es auf fremde keine Auswirkung hat, es kann aber auch sein, dass es quasi so einen "back to Happyland"-Effekt hat und ich mindestens für die Person wiederum vergesse, dass Rassismus existiert. Ich bin gespannt. (Muss erstmal Accounts finden, die mir wirklich gefallen, und das Ding ist, dass das dann meistens eher Textlastige sind, sodass ich die Personen eher nicht so sehe, und der Effekt nicht so groß ist🤷Empfehlungen gerne in die Kommentare.)
Was ich sehe was du siehst wie ich sehe
Es ist halt auch grundsätzlich ein Ding, wenn man zu wenig BiPoc kennt, dass man dann ein bestimmtes Aussehen mit einem bestimmten Charakter verknüpft.
Das Gute ist hier aber: die Verknüpfungen können sich aufheben.
Like - als ich in der Grundschule war, haben mich 100% aller Schwarzen Kinder, die ich kannte, geärgert. Also galt für meine Innere Statistik: Schwarzes Kind = Ärgerkind. Dabei waren es in absoluten Zahlen viel mehr Weiße Kinder, die mich geärgert haben, nur eben weniger Prozent. (Immerhin bin ich damit nicht anders als einige maschinelle Algorithmen, was es aber nicht besser macht.) Mittlerweile hat sich das aber verwachsen. Was auch wieder zeigt: Representation matters!
Neulich hab ich jemanden kennengelernt, der mich an jemanden aus der Schule erinnerte, den ich nicht mochte, also mochte ich ihn zuerst auch nicht. Nach drei Tagen war das aber vorbei und jetzt musste ich gerade voll überlegen, an wen mich der eigentlich erinnert hatte.
Das funktioniert halt eigentlich auch mit Weißen Menschen, aber da geht es meist mehr ins Detail und Leute, die sich ähnlich sehen, sind auch rein objektiv ähnlicher. Über den dazugehörigen Effekt schreibe ich vielleicht ein andermal.Insgesamt soll das auch erstmal für heute reichen, demnächst geht es dann weiter mit Teil 2. Bis denne!

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How I accidentally became an Ally
RandomEinmal nicht aufgepasst und - zack - schon ist es passiert: Man hat sich ein kleines bisschen zu viel mit LGBT beschäftigt und plötzlich stellt man fest, dass man ein Ally geworden ist. Und dann nur noch ein weiterer "kleiner" Schritt, bis man fests...